Herne. . Julia Korbik las im Literaturhaus und gab Auskunft über ihre Biografie „Oh, Simone!“. Das Publikum erlebte einen unterhaltsamen Abend.
„Oh, Simone!“ heißt Julia Korbiks Sachbuch über die französische Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir (1908 bis 1986). Am Montagabend stellte die gebürtige Hernerin das Buch im Philosophischen Cafés des Literaturhauses Herne Ruhr vor. Schlaglichter auf einen ebenso kurzweiligen wie anregenden Abend.
Die Initialzündung
Als 16-Jährige Schülerin sei sie im Religionsunterricht des Otto-Hahn-Gymnasiums erstmals auf de Beauvoir gestoßen – „durch ein Referat über Jean-Paul Sartre“, berichtete die heute 30-Jährige im Gespräch mit Moderatorin Ute Eickenbusch. Mit 18 habe sie dann erste Bücher der Französin gelesen und sei dadurch zur Feministin geworden. „Vorher hatte ich mich nie damit auseinandersgesetzt.“
Das Buch
„Oh, Simone“ lese sich wie eine Mischung aus einer unterhaltsamen Biografie und einer Magisterarbeit und überrasche dabei durch sehr persönliche Details, sagte Moderatorin Ute Eickenbusch. „Wenn man das liest, könnte man denken, Du wärst dabei gewesen“, so die WAZ-Redakteurin zur früheren WAZ-Mitarbeiterin Julia Korbik. In de Beauvoirs Büchern und insbesondere in ihren (bisher nicht ins Deutsche) übersetzten Tagebüchern fänden sich zahlreiche Details. Simone de Beauvoir habe viel über sich geschrieben - auch über ihre Beziehungen zu Frauen, so Korbik. Und: Die Autorin werde häufig auf ein Podest gestellt, gelte als schwierig und kompliziert. „Ich wollte zeigen: Sie ist eine moderne Frau, hatte Humor und Charisma.“ Insbesondere jüngeren Frauen habe sie dies vermitteln wollen. Und: Ihre Diplom-Arbeit habe sie nicht über de Beauvoir geschrieben, sondern über Mutterschaftsleitbilder in der deutschen und französischen Familienpolitik, erzählte die heute in Berlin lebende Autorin und freie Journalistin.
Die Reaktionen
Der Erfolg des bei Rowohlt veröffentliche Buchs habe die Erwartungen übertroffen, sagte Korbik. Es habe sogar auf der Spiegel-Bestsellerliste gestanden – zwischen Sahra Wagenknecht und einem Buch über die Rückkehr zum Katholizismus: „Das hätte Simone gefallen.“ Zu ihren zahlreichen Lestungen kämen häufig Mütter und Töchter, aber auch Männer. Das galt für die Herner Lesung ebenso – auch wenn Frauen im (fast) voll besetzten Literaturhaus klar in der Mehrheit waren.
Die Lesung
In mehreren Auszügen aus ihrem Buch brachte Korbik den Zuhörern Stationen aus dem Leben de Beauvoirs nahe - von der Jugend in prekären finanziellen Verhältnissen über die Beziehung zu Sartre und anderen Männern bis hin zu ihrer Verwandlung von der Sozialistin in eine Feministin. Es durfte aber auch gelacht werden. Zum Beispiel, als Korbik berichtete, dass Sartre nicht de Beauvoirs erste Wahl gewesen sei und sie ihn ihrer Schwester so beschrieben hatte: „Er ist sehr hässlich und hat eine dicke Hornbrille.“
#Metoo
Wie hätte Simone de Beauvoir zu der vor einem Jahr über die sozialen Netzwerke ins Leben gerufene Frauenbewegung #Metoo gestanden? Positiv, glaubt Julia Korbik. Sie hätte zwar keinen Twitter-Account gehabt, weil sie „wahnsinnig zurückhaltend“ gewesen sei. Aber: Schon in ihrem 1948 erschienen Klassiker „Das andere Geschlecht“ habe sie auch jungen Frauen und ihren Erfahrungen eine Stimme gegeben. „Sie war sehr offen.“ Für Alice Schwarzer gelte das weniger, so Korbiks Kritik. Die Meinung Schwarzers nehme „viel Raum“ ein; sie sei sehr belehrend und kritisch gegenüber jungen Feministinnen.
Der Preis
Das Heimspiel sei für sie ein besonderer Termin gewesen, bekannte Julia Korbik am Ende der eineinhalbstündigen Veranstaltung, der auch mehrere Familienmitglieder und nicht zuletzt ihr 90-jähriger Großvater beiwohnten. Ein weiterer besonderer Termin steht am kommenden Sonntag an, wenn sie in Darmstadt den mit 2500 Euro dotierten „Luise-Büchner-Preis“ entgegennehmen wird. In der Jury-Begründung heißt es, dass die Hernerin in ihrem vor vier Jahren erschienenen Buch „Stand up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene“ der Frauenbewegung „eine moderne Stimme“ gegeben habe. Und: „Für ihren Einsatz für Frauenrechte nutzt Julia Korbik neben konventionellen Mitteln auch neue Formen der Kommunikation und Publizistik.“ Oh, Julia.