Herne. Trotz einiger Skandale in der katholischen Kirche sind 2020 weniger Herner aus der Kirche ausgetreten. Corona könnte ein Grund sein.

Die evangelischen und katholischen Kirchen in Herne haben im vergangenen Jahr wieder eine erhebliche Zahl an Mitgliedern verloren. Insgesamt 548 Menschen sind 2020 nach Angaben der Amtsgerichte Wanne und Herne aus den Kirchen ausgetreten. Dabei kehrten 280 Mitglieder der protestantischen Kirche den Rücken, 268 Menschen verließen die katholische Kirche.

Damit sinken die die Austrittszahlen in Wanne-Eickel und Herne zum ersten Mal seit drei Jahren, nachdem sie 2019 ihren Höchststand erreicht hatten. 2019 waren es 708 Menschen, die sich für einen Austritt entschieden – 2018 waren es 541.

Vor allem in der katholischen Kirche haben in den vergangenen Monaten Skandale das Vertrauen der Gläubigen auf eine Probe gestellt. Während in Köln die Austrittszahlen so hoch waren, dass keine Termine mehr bei den Ämtern frei waren, sei in NRW die Zahl genau wie in Herne jedoch rückläufig, sagt Pauline Wawrzonkowski, Dekanatsreferentin des Dekanats Emschertal. „Wer seinen Kirchenaustritt beim zuständigen Amt erklärt, muss dafür keinen Grund angeben“, sagt sie. „Daher ist es generell schwierig, Spekulationen darüber anzustellen, was mögliche Gründe für einen Austritt sein könnten und warum in einigen Städten und Regionen Zahlen gestiegen oder gesunken sind.“

Corona-Pandemie hat auch für einen Rückgang der Zahlen gesorgt

In gewisser Weise habe die Corona-Pandemie dazu beigetragen, dass die Zahlen im vergangenen Jahr nicht so hoch waren wie in den Jahren zuvor. „Ein Kirchenaustritt stellt zunächst einen formalen Akt dar, der mit einem gewissen bürokratischen Aufwand verbunden ist“, sagt Wawrzonkowski. Eine Person, die aus ihrer Kirche austreten möchte, müsse persönlich vorstellig werden und den Austritt beantragen. Die Pandemie ziehe starke Einschränkungen auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung nach sich, das betreffe auch Kirchenaustrittserklärungen.

Unter den geltenden Bedingungen im Zusammenhang mit der Pandemie habe sich der persönliche Besuch eines Amtes schwieriger als üblich gestaltet. „In diesem Sinne ist es schon denkbar, dass die Pandemie zumindest die Verwaltungsabläufe verzögert.“ Je nach persönlicher Dringlichkeit sei es daher auch vorstellbar, dass Menschen ihren Austritt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, sagt Wawrzonkowski.

Kirchenaustritt ist ein wohlüberlegter Schritt

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Sowohl die Geschehnisse in Köln im Zusammenhang mit dem Gutachten zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch, als auch das Verbot des Vatikans zur Segnung homosexueller Partnerschaften haben eine Welle der Empörung ausgelöst, auch unter Herner Katholiken. „Das ist unbestritten“, sagt die Dekanatsreferentin. „Vorfälle dieser Art, die viele Menschen emotional bewegen, können dazu führen, dass Personen, die sich bereits längst für einen Kirchenaustritt entschieden haben, nun den letzten Schritt unternehmen.“ In diesem Sinne seien solche Vorkommnisse dann allerdings eher ein auslösender Faktor als der wirkliche Grund für den Austritt, so Wawrzonkowski.

Ein Kirchenaustritt sei mit weitreichenden Folgen für die Person verbunden, was die Ausübung der eigenen Glaubenspraxis angehe. Insofern könne man davon ausgehen, dass die Entscheidung, aus der Kirche auszutreten, eher einen wohlüberlegten Schritt als eine Impulshandlung darstelle, sagt die Dekanatsreferentin.

>>>Menschen entfremden sich von der Institution Kirche

Auch die Kirchensteuer, die fortschreitende Entfremdung von der eigenen Glaubensgemeinschaft und fehlende Bindung an die Institution Kirche seien Gründe, der Kirche den Rücken zu kehren, zeigten Umfragen.

Diese empfundene Entfremdung drücke sich ganz unterschiedlich aus. „Manche Menschen erleben, dass die eigene Weltanschauung oder religiöse Überzeugung sich im Laufe des Lebens verändert, dann ist ein Austritt aus der Kirche, der man sich deshalb nicht mehr zugehörig fühlt, die logische Konsequenz“, sagt Pauline Wawrzonkowski.

Meist sei die formale Erklärung eines Austritts auch keine spontane Handlung, sondern die Folge eines längeren Prozesses, an dessen Ende dann der bürokratische Akt stehe.