Herne. Weil in Herne immer mehr Erzieherinnen fehlen, können Gruppen nicht eingerichtet werden. Eltern haben das Nachsehen. Die Stadt will gegensteuern.

In Herne fehlen immer mehr Erzieherinnen und Erzieher für Kindertagesstätten. Der Erzieherinnen-Mangel ist so groß, das neue Kitas nicht mit der geplanten Zahl an Gruppen starten können. Folge: Weniger Eltern finden einen Platz für ihre Kinder. „Der Fachkräfte-Mangel“, sagt Ulrich Klonki, Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, „wird zum Problem“.

Herne kämpft seit Jahren damit, den Ausbau der Betreuungsplätze voranzutreiben – Hunderte Kita-Plätze fehlen. Nun offenbart sich zusehens ein neues Problem: Auch wenn Kitas um- oder ausgebaut werden, können nicht überall Plätze eingerichtet werden. Das Personal fehlt.

Hern: Kleine Kita Brunnenstraße konnte wegen Personalmangel nicht in Betrieb gehen

Allein in den 20 Kitas der Stadt fehlten 15 Erzieherinnen, teilte die Stadt zuletzt in einer Anfrage der SPD-Fraktion mit. In den rund 50 Einrichtungen der anderen Träger sehe es nicht anders aus, sagt Heike Hütter, Abteilungsleiterin Kindertagesbetreuung der Stadt, zur WAZ. Folge: In bestehenden Kitas klaffen Lücken, in neuen muss die Zahl der Gruppen verkleinert werden.

Jüngstes Beispiel: die Kita Ingeborgstraße, die im Dezember 2020 öffnete. Wegen des Fachkräftemangels, so die Stadt in ihrer Antwort an die SPD, hätten dort nur drei statt der geplanten vier Gruppen eröffnen können. Das sei kein Einzelfall. Auch die bereits fertig gestellte städtische Großtagespflegestelle Kleine Kita Brunnenstraße habe mangels Personal noch nicht in Betrieb gehen können: „Die entsprechend platzierten Stellenausschreibungen verliefen 2020 erfolglos.“ Eine weitere Stellenausschreibung sei Mitte Februar veröffentlicht worden. Und: Auch die Awo-Kita an der Castroper Straße, die am 1. August öffnen soll, werde voraussichtlich nur mit vier statt der geplanten sechs Gruppen starten können.

Personalsuche: „Wir fischen alle im gleichen Becken“

Alle Städte fischen im selben Becken: Stephanie Jordan, Leiterin des Fachbereichs Kinder-Jugend-Familie bei der Stadt Herne.
Alle Städte fischen im selben Becken: Stephanie Jordan, Leiterin des Fachbereichs Kinder-Jugend-Familie bei der Stadt Herne. © Funke Foto Services GmbH | Rainer Raffalski

Eine Entspannung auf dem Markt sei nicht abzusehen, sagt Stephanie Jordan, Leiterin des städtischen Fachbereichs Kinder-Jugend-Familie, zur WAZ. Im Gegenteil: „Der Fachkräftemangel wird sich vermutlich anspannen.“ Damit sei Herne aber nicht allein. Überall würden Kitas ausgebaut, deshalb werde auch überall Personal gesucht, auch in den umliegenden Städten. „Wir fischen alle im gleichen Becken.“

SPD-Ratsherr Ulrich Klonki, Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses, rechnet den Bedarf hoch. 950 Kita-Plätze müssten in den kommenden drei Jahren geschaffen werden, um den Bedarf zu decken. Das wären zehn Kitas à fünf Gruppen, und dafür seien 100 Vollzeitkräfte und 50 Ergänzungskräfte nötig. „Wo kommen die in drei Jahren her, wenn sie jetzt nicht ihre Ausbildung anfangen?“, fragt er.

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Stadt setzt mit „PiA“ auf die Ausbildung eigener Fachkräfte

„Wir sind am Ball“, sagt Stephanie Jordan, die Leiterin des Fachbereichs Kinder-Jugend-Familie. Seit Mitte 2020 gebe es Dauerausschreibungen von Fachkraftstellen mit regelmäßigen Auswahlgesprächen, um kurzfristig einstellen zu können. Außerdem würden Anerkennungspraktika in allen Kitas durchgeführt, um die Kräfte anschließend übernehmen zu können, wenn sie geeignet sind. Nicht zuletzt setze die Stadt nun auf die Ausbildung eigener Fachkräfte. So würden im Rahmen der so genannten praxisintegrierten Ausbildung („PiA“) in Kooperation mit dem Emschertal-Berufskolleg aktuell 14 angehende Erzieherinnen ausgebildet. Im Sommer sollen in einer weiteren Klasse 14 neue dazustoßen. Die Stadt will mit dem Berufskolleg Gespräche führen, ob die PiA-Stellen noch weiter ausgebaut werden können.

SPD-Ratsherr Klonki bescheinigt der Stadt großes Engagement, um dem Erzieherinnen-Mangel entgegnen zu treten. Weitere Modelle würden erarbeitet. Deshalb sei er optimistisch, dass sich die Lage bessert. Nicht optimistisch sei er, dass sich die Lücke komplett schließen lasse. Deshalb sein Appell an junge Menschen: Werdet Erzieher! Dieser Beruf sei spannend und angesichts der Situation krisensicher: „Wo gibt es das heute schon?“

>> WEITERE INFORMATIONEN: Die Kita-Plätze

Ein Blick aufs kommende Kindergartenjahr 2021/2022: Die Stadt rechnet bei den U3-Kindern mit einem Bedarf von 42 Prozent der Kinder (1855 Kinder), bei den Ü3-Kindern ist das Ziel eine 100-prozentige Versorgungsquote (4520 Kinder).

Rein rechnerisch fehlen damit aktuell gut 700 Plätze.