Herne. Die jüngsten Beschlüsse zu den Lockdown-Lockerungen stoßen bei den Betroffenen in Herne auf teilweise herbe Kritik. Die WAZ sammelte Stimmen.

Ab kommenden Montag, 8. März, soll der Corona-Lockdown schrittweise gelockert werden. Doch die Beschlüsse stoßen bei den Betroffenen in Herne teilweise auf herbe Kritik. Teilweise ist von Pro-Forma-Lockerungen die Rede. Die Herner WAZ hat Stimmen gesammelt.

Die Beschlüsse für den Handel kommen bei den Vertretern der Werbegemeinschaften überhaupt nicht gut an. „Das ist ein Plan, der in seiner Detailverliebtheit am Ende doch sehr inzidenzgebunden bleibt“, so Jens Rohlfing, Sprecher der Werbegemeinschaft Wanne-MitteEs handele sich um Pro-Forma-Lockerungen, die in ihren homöopathischen Dosen mut-und kreativlos seien. Die Öffnungsschritte seien einfach zu langsam, um zu einer Gesundung von Einzelhandel und Gastronomie beizutragen.

Als Beispiel für eine Pro-Forma-Lockerung nennt Rohlfing das Shopping im Einzelhandel, bei dem ein Kunde pro 40 Quadratmeter nach Terminbuchung ins Geschäft kann. Das sei kaum etwas anderes als „Click & Collect“, was viele Händler anböten. Genauso sieht es Norbert Menzel, Vorsitzender IG Herne CityEine Erleichterung seien die Beschlüsse in keiner Weise, das sei alles an den Haaren herbeigezogen. „Für die Herner Innenstadt ist das kein Fortschritt.“

Händler in Herne sind froh über den „Minischritt vorwärts“

Modehändlerin Jasmin Weiher freut sich dagegen über den „Minischritt vorwärts“. Knapp drei Monate war ihr Geschäft „Kia Ora“ an der Viktor-Reuter-Straße geschlossen. Das „Click and Collect“-Angebot sei nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Die Einnahme reichten allerhöchstens, um die Miete zu bezahlen. Ab Montag, 8. März, darf nur ein Kunde den kleinen Laden zur selben Zeit betreten. Über die Terminvergabe und spontane Kundschaft macht sich die Händlerin daher keine Sorgen. „Wenn einer vor der Tür steht, kann er ja auch kurz anrufen und nachfragen.“ Ob er aber eine halbe oder eine ganze Stunde zum Shoppen braucht, wisse sie vorher nicht.

Hubertus Crom, Inhaber des Textilhauses Klassen & Koch in Herne-Sodingen, darf fünf Kunden gleichzeitig in das Bekleidungsgeschäft lassen, zwei weitere in die Gardinen-Abteilung. Die Terminvergabe macht auch ihm wenig Sorgen: „Ich denke, wir machen das telefonisch“, sagt er. „Bei uns im Vorort können wir das ganz gut handhaben.“ Trotz aller Vorfreude auf die Wiedereröffnung gibt der Geschäftsmann aber zu bedenken, dass die Sieben-Tage-Inzidenz in Herne nur knapp unter dem Grenzwert von 100 liegt. Es könnte also sein, dass die steigenden Zahlen den Händlern einen Strich durch die Rechnung machten.

Markus Galland, Herner Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbandssieht angesichts der Perspektiven (vor dem 22. März gibt es gar keine Öffnungen) die Gefahr, dass der eine oder andere Kollege doch für immer den Zapfhahn hochdreht und den Herd ausschaltet. Und Außengastronomie mit Anmeldung und frischen negativen Coronatests? Kaum sinnvoll zu organisieren. Das Ostergeschäft? Sieht er stark gefährdet.

Herner Buchhändler freuen sich auf Kunden

Keinen Grund zur Klage hat der Buchhandel: Ab Montag wird geöffnet. „Wir freuen uns sehr“, sagt Elisabeth Röttsches, Geschäftsführerin des Literaturhauses. Das Hygienekonzept mit Desinfektion, Plexiglas an der Kasse und Abständen sei erprobt. Die Höchstzahl von 25 Personen im Geschäft werde ohnehin selten erreicht. Auch in der Mayerschen sei man erleichtert, sagt Filialleiter Florian Knipping. Um die Kundenzahl in dem 1100-Quadratmeter-Laden im Blick zu behalten, habe man vor dem Lockdown an der Tür die Besucher gezählt, auch ein Kartensystem sei denkbar. Gleichzeitig werde man wachsam bleiben und die Einhaltung der Hygieneregeln kontrollieren.

Auch die Fahrschulen dürfen ab Montag, 8. März, wieder komplett öffnen. Der Fahrlehrer Markus Deffner von der Fahrschule am Eickeler Bruch sieht aber weitere Herausforderungen auf seine Zunft zukommen. Zum Beispiel bezüglich der „tagesaktuellen Tests“, die im aktuellen Bund-Länder-Beschluss festgeschrieben worden sind. Das sei zum einen ein Kostenfaktor für Fahrschüler, sagt Deffner. Außerdem sei zu befürchten, dass durch Ausweitung der Tests in seinem und in anderen Gewerben der Inzidenzwert wieder deutlich ansteigt. „Und dann gibt es den nächsten Lockdown.“

Das Krisenmanagement in Bund und Land hält er seit Pandemieausbruch für katastrophal. Die bürokratischen Hürden bei der Gewährung von wirtschaftlichen Hilfen führt er ebenso als Beispiel an wie die Tatsache, dass Fahrschulen in einigen anderen Bundesländern schon längst wieder uneingeschränkt arbeiten können.