Herne. In Herne gibt es immer mehr Problemhäuser. Müll und Lärm nerven Anwohner. Und die Stadt kommt wegen Corona nicht so leicht an die Mieter heran.

In Herne ist die Zahl der Problemhäuser weiter gestiegen. Ende 2020 gab es nach Angaben der Stadt 55 so genannte Problemimmobilien in Herne. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren waren es gerade mal 22. Grund für den Anstieg sei der anhaltende Zuzug von Menschen aus Südosteuropa, sagt Hernes Sozialdezernent Johannes Chudziak. Dadurch häuften sich die Probleme – gerade jetzt in der Corona-Krise.

Die Zahl der gemeldeten Bürger aus Rumänien und Bulgarien stieg zwischen März 2016 und November 2020 von rund 2450 auf 3800 Menschen, heißt es in einer schriftlichen Antwort der Stadt auf eine Anfrage der AfD-Fraktion im Herner Rat. Ein Drittel dieser Zugewanderten lebe in den 55 Problemimmobilien. Zu diesen Häusern hinzu komme noch der Wohnkomplex an der Emscherstraße in Wanne-Eickel, wo es ebenfalls immer wieder zu Problemen komme. Dort wohnten ebenfalls Rumänen und Bulgaren, aber auch Menschen anderer Nationalitäten.

Herne: Vermietung von Problemhäusern ist ein Geschäftsmodell geworden

„Wiederkehrende Auffälligkeiten“ – diese machen laut Stadt Problemhäuser aus. Gemeint ist: Es gibt in den Gebäuden und auf den Grundstücken reichlich Müll, außerdem viele Besucher und oft Lärm, Anwohner sind genervt. Nicht zuletzt sind viele Häuser in einem schlechten Zustand. Oft in einem so schlechten, dass sie auch unter die Rubrik „Schrotthäuser“ fallen. Immer wieder mussten in der Vergangenheit Wohnungen für unbewohnbar erklärt werden.

135 Wohnungen für unbewohnbar erklärt

Seit dem Inkrafttreten des Wohnungsaufsichtsgesetzes 2014 seien von der Wohnungsaufsicht 135 Wohnungen für unbewohnbar erklärt worden, teilt die Stadt in einer schriftlichen Anfrage der AfD-Fraktion mit. Davon jeweils 20 in den Stadtbezirken Eickel und Sodingen, 29 in Herne-Mitte und 66 im Stadtbezirk Wanne.

Von der Wohnungsaufsicht sei bisher noch keine Wohnung wegen Überbelegung geräumt worden. Mitarbeiter der Wohnungsaufsicht beträten ohne Zustimmung von Mietern oder Verfügungsberechtigten keine Wohnungen oder Grundstücke, heißt es weiter.

Die Vermietung von zum Teil schlechten Wohnungen habe sich zu einem Geschäftsmodell entwickelt, sagt Sozialdezernent Johannes Chudziak zur WAZ. Bis zu 40 Prozent der Problemhäuser in Herne seien in der Hand von Gesellschaften, die ihren Sitz in anderen Kommunen, aber auch im Ausland hätten. Sie wollten vor allem eins: abkassieren. Südosteuropäer griffen gerne zu, obwohl die Mieten verglichen mit dem Angebot oft überteuert seien. Zum einen, weil sie auf dem „normalen“ Wohnungsmarkt mit Vorurteilen zu kämpfen und schlechte Chance hätten, und zum anderen, weil sie mit den angebotenen Wohnungen zufrieden seien: In ihrer Heimat kämen sie oft aus prekären Verhältnissen, hätten dort zum Teil nicht mal eine Heizung, außerdem seien sie oft „ungebildet und unbedarft“, so Chudziak. Das alles machten sich Vermieter zunutze.

Nur wenig Interesse am „Wohnungsführerschein“

Die Stadt bleibe beim Thema „Problemhäuser“ am Ball, verspricht Hernes Sozialdezernent Johannes Chudziak.
Die Stadt bleibe beim Thema „Problemhäuser“ am Ball, verspricht Hernes Sozialdezernent Johannes Chudziak. © Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Seien sie eingezogen, häuften sich oft die Probleme. Bildung und Berufswahl, so der Sozialdezernent, stehe bei vielen Zuwanderern aus Südosteuropa nicht im Vordergrund. Sozialleistungen bezögen die meisten nicht, sie hielten sich etwa mit Kindergeld und Gelegenheitsjobs über Wasser. Die Stadt müsse immer wieder eingreifen: Missstände würden behoben oder zumindest abgemildert. Außerdem würden Vermieter angeschrieben, damit sie Mängel, etwa Ungeziefer im Haus, beseitigen, und Bewohner würden über ihre Pflichten, etwa das Trennen von Müll, aufgeklärt. Das Ganze, bekennt Chudziak, sei aber eine Sisyphos-Arbeit. Vor allem bei den Bewohnern wirkten Informationen der Stadt oft „nur eine gewisse Zeit“. Interesse, den von der Stadt angebotenen „Wohnungsführerschein“ zu machen, mit dem man das (Zusammen-)leben in Deutschland „lernen“ kann, sei beispielsweise nicht groß. Das alles sorge für „Frustmomente“ bei den Verantwortlichen im Rathaus, gibt er zu.

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Was tun? „Wir sind dran“, betont der Sozialdezernent. Heißt: Die Verwaltung werde nicht müde, und suche etwa die Bewohner der Problemhäuser regelmäßig auf, spreche mit ihnen und kontrolliere die Häuser. Allein: Die Probleme nähmen eher zu als ab. Die Zahl der Bulgaren und Rumänen steige weiterhin, nun kämen auch neue aus Großbritannien hinzu, die das Land im Zuge des Brexit verließen. Hinzu komme, dass während der Pandemie Ansprachen nicht so gut möglich seien. Und: Kinder, die sonst den Unterricht besuchten, fielen im Distanzunterricht oft durchs Raster.

Die Stadtspitze wolle angesichts der jüngsten Entwicklung noch einmal ausführlich über das Thema sprechen und nach Lösungen suchen. „Ein Patentrezept gibt es aber nicht“, bekennt Chudziak. Auch in den umliegenden Städten gebe es ein ähnliches Bild.

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