Der Prinzipal des Mondpalastes wird seinen Geburtstag am 18. Februar im kleinen Kreis begehen. Er vermisst das Publikum und die Schauspieler.

Herne. Seinen 60. Geburtstag hat Christian Stratmann, der Prinzipal des Mondpalastes, vor zehn Jahren mit einem rauschenden Fest in seinem Theater gefeiert. Am kommenden Donnerstag wird er 70. WAZ-Redakteurin Ute Eickenbusch hat mit ihm telefoniert und erfahren: Die Feier wird nachgeholt.

Herr Stratmann, der eigene Haushalt und eine weitere Person, mehr ist nicht drin in Coronazeiten. Nach einer Party klingt das nicht gerade ...

Stratmann: Das wird natürlich ein sehr kleiner Kreis, aber es ist in Ordnung. Ich werde dieses Fest nachholen, weil ich eigentlich immer alle zehn Jahre ein großes Fest geben möchte.

Große Sause zum 60. Geburtstag vor zehn Jahren: Mit einer Sänfte wird Christian Stratmann auf die Bühne des Mondpalastes getragen.
Große Sause zum 60. Geburtstag vor zehn Jahren: Mit einer Sänfte wird Christian Stratmann auf die Bühne des Mondpalastes getragen. © WAZ FotoPool | Thomas Goedde

Wann könnte das sein, was meinen Sie?

Das könnte der 71. Geburtstag sein - ich hoffe, ich werde ihn erleben! Das ist für mich auch ein Anlass, alle Leute mal wieder zu sehen und das schön zu inszenieren, mit den Künstlern. Das macht schon Spaß.

Wie wichtig sind Ihnen die Menschen um Sie herum?

Ganz wichtig. Sowohl der kleinere Kreis als auch das, was ich jetzt vermisse, das Publikum und meine Mitarbeiter. Ich bin ja ein relativ kommunikationsfreudiger Mensch. Aber das geht allen so. Da kann man nur hoffen, dass wir bald wieder zusammen kommen. Das ganze Leben ist ja ein anderes. Aber das müssen wir durchstehen, und der Mondpalast wird es durchstehen. Es werden auch wieder andere Zeiten kommen.

Hat Sie denn in diesem Jahr auch mal der Mut verlassen?

Es ist mir mal zwischenzeitlich schlecht gegangen, aber nicht so, dass ich richtig ernsthaft darüber nachgedacht hätte, alles aufzugeben. Es hat Tage gegeben, die waren schwer, da war ich emotional relativ schwierig drauf, aber das waren ganz kurze Strecken. Im Grunde ist es immer dabei geblieben: Wir werden durchhalten. Ich habe ganz am Anfang mal durchgerechnet, was es mich kosten würde, wenn ich Schluss machen würde. Das wäre nicht so schön gewesen, weil ein Teil meiner Altersversorgung drauf gegangen wäre, aber es wäre möglich gewesen. Aber ich bin immer mehr überzeugt, gerade in der Krise, dass ein Theater, auch so wie wir es machen, ganz wichtig ist.

Sind denn die öffentlichen Mittel zur Rettung der Kultur geflossen?

Was da verkündet wird, was alles gemacht werden soll, das lese ich schon nicht mehr. Ich habe im vergangenen Jahr die Soforthilfe bekommen, auch Kurzarbeitergeld. Die Novemberhilfe ist immer noch nicht da, und die Dezemberhilfe auch nicht. „Neustart Kultur“, groß angekündigt, war auch so bürokratisch und so schwierig. Da ist auch noch nichts geflossen. Die Bürokratie hat sich immer mehr verselbstständigt. Da ist so viel durcheinander, dass ich es nicht mehr verstehe und auch mein Steuerberater nicht.

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Wie geht es denn ihren Schauspielern?

Die sind in Kurzarbeit. Ich habe versucht, das aufzustocken, soweit das möglich war am Anfang. Sie sind in den Grundbedürfnissen abgesichert, aber das ist kein langfristiger Zustand. Immerhin geht es ihnen ein bisschen besser als den Freien. Aber Thomas Rech und ich müssen gucken, dass sie psychisch bei der Stange bleiben. Die brauchen das Publikum. Wir können ja nicht mal mehr proben.

Kann man denn nicht coronakonforme Stücke entwickeln?

Wenn wir mit Abstand und Maske proben, verliert es das, was wir eigentlich wollen. Da wird die Komödie verfälscht. Mich haben auch einige gefragt, warum macht ihr kein Streaming? Erstens hab ich das Equipment nicht, und wenn wir das mit kleinem Equipment machen, bringt es das nicht rüber, was wir tun. Das kann nur unprofessionell sein. Sechs Kameras wie die hochsubventionierten Theater kann ich mir nicht erlauben. Und zweitens fehlt das Publikum. Und wenn wir weniger Leute auf der Bühne hätten, müssten wir neue Stücke schreiben. Das ist finanziell gar nicht drin. Denn sobald geprobt wird, gibt es kein Kurzarbeitergeld mehr.

Apropos neue Stücke. Sie hatten für April die neue Komödie von Sigi Domke angekündigt.

Das ist verschoben. Dafür müssen wir mindestens drei Monate proben, und die muss ich dann wieder voll bezahlen. Liquidität ist zwar noch da, aber nicht unendlich, denn ich habe seit einem Jahr keine Einnahmen.

Aber zwischendurch haben Sie doch mal wieder gespielt?

Das war teurer, als wenn wir nicht gespielt hätten. Da durften ja nur 120 Zuschauer rein und ich musste die Künstler aus der Kurzarbeit holen.

Und so ein halb leerer Saal ist ja auch nicht so doll.

Wir haben ja Sachen gemacht wie „Für uns solls rote Rosen regnen“. Die Stimmung war trotzdem toll, obwohl die Zuschauer so weit auseinander saßen. Das Publikum war so aufgeschlossen. Die Gäste sind froh, dass sie wieder kommen können. Dass sie Masken im Saal tragen mussten, hat sie nicht gestört. „Egal, Hauptsache, wir sind wieder im Theater“, haben sie gesagt. Das Publikum macht da mit. Die hatten Spaß, und die Schauspieler auch. Also stimmungsmäßig gut, aber wirtschaftlich ein Zuschussgeschäft.

Melden sich die Zuschauer auch mal während der Schließung?

Das machen sie. Die schreiben dann „Mensch, haltet durch“ oder so. Wir haben ja ein Stammpublikum. Im letzten April hatte ich mal Sorge, dass die Leute nicht wieder kommen, wenn wir wieder spielen dürfen. Aber das hat sich nicht bewahrheitet. Natürlich gibt es welche, die vorsichtig sind. Aber bei uns konnte man sich gar nicht infizieren. Es war alles weitläufig und gut organisiert. Aber Sie können das nicht lange machen mit einer Auslastung von 25 Prozent.

Zur Person

Christian Stratmann wurde am 18. Februar 1951 als jüngstes von neun Geschwistern in Verl geboren. Sein Vater verstarb früh, die Mutter zog mit den Kindern nach Essen.

Stratmann studierte Sozialwissenschaften, machte zunächst Karriere im Zeitschriftenvertrieb.

Mit seinem Bruder, dem Arzt und Kabarettisten Ludger Stratmann, machte er das Essener Europahaus zum Theater. 2004 gründete er den Mondpalast von Wanne-Eickel.

Wie soll es nun weitergehen?

Ich wäre froh, wenn der Lockdown noch durchgehalten würde. Eine dritte Welle wäre für alle unerträglich. Realistisch gehe ich davon aus, dass wir im Herbst wieder spielen. Einen Normalbetrieb sehe ich vor dem Herbst nicht. Wenn es heißt, ihr könnt nach Ostern wieder spielen, im kleinen Kreis, ziehe ich auch mit. Wir haben unseren Spielplan, und der wird einfach abgespielt.

Zurück zum Geburtstag: Was wünschen Sie sich denn?

Wenn ich gefeiert hätte, hätte ich mir aus vollem Herzen eine Spende gewünscht für den Solidarfonds Nordrhein-Westfalen. Für mich persönlich wünsche ich mir gar nichts, außer Gesundheit. Ich brauche keine Insel in der Südsee oder ein Apartment in Manhattan. Nur dass es mir und meiner Familie und meinem Lebensgefährten gut geht, und dass die Schauspieler bald wieder spielen können. Ansonsten habe ich alles.

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