Herne. Herner Seniorenheime sind an der Belastungsgrenze: Neben der Pflege müssen sie nun Hunderte Coronatests pro Woche stemmen. Heime rufen um Hilfe.

Die Beschäftigten in den Pflegeheimen in Herne ächzen unter ihrer Arbeitslast. Neben ihrer normalen Arbeit müssen die Pflegekräfte nun auch wöchentlich Hunderte Coronatests durchführen. Das stellt die Betreiber vor große Herausforderungen.

„Wir müssen die Menschen auch noch pflegen“, schimpft Roberto Gentilini, Einrichtungsleiter des Seniorenzentrums am Schloss in Baukau. Er kritisiert: „Wir sind doch kein Testzentrum.“ Laut neuer Corona-Schutzverordnung und Allgemeinverfügung Pflege und Besuch des Landes sollen alle Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen und von Pflegediensten mindestens jeden dritten Tag getestet werden. Zusätzlich soll allen Angehörigen, die zu Besuch kommen, ein Antigenschnelltest angeboten werden. Diese Regeln, sagt Gentilini, seien nachvollziehbar und richtig, um die Einrichtungen vor Corona zu schützen. Aber: Das Land müsse auch Menschen abstellen, die die Tests durchführen.

20 bis 30 Minuten sei ein Mitarbeiter damit beschäftigt, einen Test durchzuführen, sagt der Einrichtungsleiter. Rund 350 Tests würden pro Woche durchgeführt. Die Zeit, die das koste, fehle an allen Ecken und Enden, die Qualität der Betreuung leide: „In dieser Zeit können wir uns nicht richtig um die Menschen kümmern.“ Zwei bis drei neue Leute mit medizinischem Sachverstand bräuchte er allein für die Tests. Die aber seien gerade kaum aufzutreiben – alle suchten sie.

Herner DRK-Chef: Angehörige sollen nicht dringend erforderliche Besuche verschieben

„Personell eine große Herausforderung“: DRK-Chef Martin Krause.
„Personell eine große Herausforderung“: DRK-Chef Martin Krause. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Martin Krause, Chef des DRK in Herne, ist auch nicht amüsiert. Angesichts der aktuellen Infektionszahlen könne er die Pflicht zu den Testungen nachvollziehen, sagt er zur WAZ. Allein: Sie stelle für die Einrichtungen „personell eine große Herausforderung dar“, sagt auch er. Das DRK betreibt in Herne unter anderem die Häuser am Flottmann-Park und am Königsgruber Park. Man könne den Eindruck gewinnen, dass dem NRW-Gesundheitsministerium „die aktuelle Personalsituation in den Einrichtungen nicht bewusst ist“. Seit Beginn der Pandemie kämen immer mehr Anforderungen auf die Einrichtungen zu – „bei gleichbleibend angespannter Fachkraftsituation im gesamten Pflegebereich“. Hinzu komme eine in den Wintermonaten auf Grund von Erkältungskrankheiten eh schon angespannte Personalsituation. Der DRK-Chef bittet die Angehörigen „sehr eindringlich“, zumindest die Zeit des Lockdowns zu nutzen und „nicht dringend erforderliche Besuche zu verschieben“.

Awo: „Die Pflege fühlt sich damit sehr allein gelassen“

Impfen ja oder nein? Betreiber fragen nach

Ab 27. Dezember sollen die Corona-Impfungen in Herner Seniorenheimen starten. Einen Piks erhalten Bewohner und Mitarbeiter – wenn sie denn überhaupt wollen. „Wir haben nach wie vor keine belastbaren Daten zur Impfwilligkeit von Mitarbeitenden und Bewohnern“, sagt DRK-Chef Martin Krause. Die Aussagen seien sehr unterschiedlich.

Auch der ASB schreibe nun Bewohner, Angehörige und Betreuer an, um nachzufragen, wer geimpft werden soll, sagt Sprecher Martin von Berswordt-Wallrabe. Rückmeldungen lägen auch bei diesem Betreiber noch nicht vor.

Ähnliches Bild bei der Awo: „Wir sind mehr als am Limit“, sagt Sprecherin Katrin Mormann zur WAZ. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) betreibt in Herne das Willi-Pohlmann-, das Else-Drenseck- und das Grete-Fährmann-Seniorenzentrum. Durch das Infektionsgeschehen fielen immer mehr Pflegekräfte aus, die organisatorischen Herausforderungen aber stiegen – und nun auch noch verstärkte Tests. „Jeder einzelne Besuch stellt uns vor zeitliche und personelle Herausforderungen“, stellt Mormann klar. „Die Pflege fühlt sich damit sehr allein gelassen“, sagt sie. Auch die Awo versuche alles, um zusätzliche personelle Kapazitäten zu organisieren. Noch könnten die geforderten Tests durchgeführt werden: „Wir hoffen aber, dass es an den Feiertagen keinen Besucheransturm geben wird, weil wir die zusätzlichen Testungen kaum leisten können.“

Auch Martin von Berswordt-Wallrabe, Sprecher des ASB, spricht von einer „gewaltigen Herausforderung“. Auch in den drei ASB-Heimen müssten jeweils 350 Tests pro Woche durchgeführt werden. Das sei aber noch „gut leistbar“. Der ASB legt spezielle Zeiten für Besucher fest, um sie dann quasi in einem Rutsch testen zu können. Er ruft die Angehörigen auf, diese Zeiten zu nutzen; so entspanne sich der Druck. Allein: Auch der ASB suche Helfer mit medizinischer Ausbildung, damit sich die Situation entspanne.

[In unserem lokalen Newsletter berichten wir jeden Abend aus Herne. Den Herne-Newsletter können Sie hier kostenlos bestellen.]