Herne. Am 11. März meldete die WAZ, dass es Hinweise auf die ersten beiden Coronafälle in Herne gibt. Die Redaktion hat die Betroffenen getroffen.

Es war der 11. März, als die Herner WAZ morgens um 8.06 Uhr eine Meldung mit folgendem Inhalt veröffentlichte: „Die Stadt Herne hat belastbare Hinweise, dass sich zwei Herner mit dem Coronavirus infiziert haben. Bestätigt sich der Fall, wären das die ersten beiden Herner, die sich angesteckt haben. Das Gymnasium Eickel wurde deshalb geschlossen - eine reine Vorsichtsmaßnahme, heißt es von dort.“ Der Fall bestätigte sich. Die Herner WAZ hat die beiden und ihre Tochter getroffen.

Die beiden ersten Infizierten - das waren Annette und Thomas Zoltberger. Sie konnten damals die Ansteckungskette genau nachverfolgen. Ein Arbeitskollege von Thomas Zoltberger hatte sich samstags bei einer Geburtstagsfeier bei einem Gast aus Berlin infiziert. Dienstags saßen die beiden gemeinsam in einer Konferenz. Am Mittwoch erkrankte der Kollege, am Freitag wachte Thomas Zoltberger mit Fieber auf, am Dienstag war der positive Befund „amtlich“.

Tochter hat Probleme beim Luftholen

Auch Tochter Nathalie war später infiziert, doch es ist unklar geblieben, ob sie sich bei ihre Eltern angesteckt hat. Ein erster Test war negativ, doch der zweite zeigte ein positives Ergebnis. Insgesamt habe sie vier Wochen in Quarantäne gesessen, erzählt sie.

Für Nathalie gilt Monate nach der Erkrankung die Formel: Genesen, aber nicht gesund. Ab einem Zeitpunkt habe sie im Liegen Probleme beim Luft holen bekommen, ebenso beim Fahrradfahren, Einkaufen und anderen Alltagstätigkeiten. Was aufhorchen lässt: Im Laufe der Monate wuchs dieses Problem eher, als dass es schrumpfte. Eine Untersuchung im November bei einem Lungenfacharzt ergab, dass ihr Lungenvolumen nur noch bei 65 Prozent liegt. Ob dieses Defizit wieder verschwindet? Da steht Nathalie vor einer großen Ungewissheit. Im Alter von 23 Jahren.

Annette Zoltberger wird wohl nicht mehr Menschen zur Begrüßung umarmen

Unsicherheit ist das Gefühl, das die gesamte Familie ergriffen hat. Kurz nach dem Ende der Quarantäne seien sie sich nicht sicher gewesen, dass sie nicht mehr ansteckend waren, erzählt Thomas Zoltberger. Auch Vater und Mutter stellen Symptome wie Kurzatmigkeit an sich fest, bei denen sie schlecht einschätzen könnten, ob dies normale Alters-Erscheinungen sind oder doch Corona-Nachwirkungen. Dazu muss man wissen: Thomas Zoltberger hatte zehn Tage lang fast 40 Grad Fieber. Annette Zoltbergers Verlauf war deutlich milder.

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Eigentlich könnten sie jetzt einigermaßen befreit sein, weil sie die Erkrankung überstanden haben und andere Menschen nicht mehr anstecken können. Doch Zoltbergers tragen Masken und halten Abstand. Erstens, „weil es erwartet wird. Ich halte mich an alles. Auch wenn ich es nicht für notwendig halte“, sagt Thomas Zoltberger. Zweitens, weil es noch keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, dass Erkrankte niemanden mehr anstecken können. Tochter Nathalie trifft ihre Freunde auch weiter digital.

Ihre Eltern meiden große Gruppen, auch wenn sie relativ sicher sein könnten, dass sie selbst nicht mehr erkranken. Wenn sie andere Gruppen sehen, die sich treffen, fehlt ihnen das Verständnis. Neben der Verunsicherung hat Annette Zoltberger eine Veränderung an sich festgestellt: Früher sei sie bei Begrüßungen eine Umarmerin gewesen. „Doch das mache ich überhaupt nicht mehr, ich glaube auch nicht, dass ich damit noch einmal anfange. Vielleicht bei der Familie und ganzen engen Freunden.“ Dabei spiele auch eine Rolle, dass sie in diesem Jahr zum ersten Mal seit Jahren keine Erkältung gehabt habe. Als sie an Corona erkrankt war, sei es ihre größte Sorge gewesen, dass sie vielleicht jemanden infiziert hat. Das seien die schlimmsten Ängste gewesen.

Familie hat sich in der Unnormalität eingerichtet und feiert Weihnachten im engsten Kreis

Keinerlei Probleme hatte die Familie mit den jeweiligen Arbeitgebern. Vorwürfe und Vorbehalte habe es nicht gegeben. Eine Reaktion, so Annette Zoltberger, sei gewesen: „Erzähl doch mal. Für viele Menschen waren wie die einzigen, die sie kannten, die es hatten.“ Bekannte seien allerdings einen Schritt zurückgewichen, wenn Zoltbergers erzählten, dass sie Corona hatten. „Das war unangenehm, man hat sich ein wenig aussätzig gefühlt“, so Nathalie. Doch das habe sich gelegt. Völlig abgewendet habe sich niemand.

Auch Zoltbergers haben sich in der allgemeinen Unnormalität eingerichtet. Der Sommer habe sich relativ normal angefühlt, abgesehen davon, dass der Urlaub ausgefallen sei. Unnormal wird es in der kommenden Woche wieder: Weihnachten feiert die Familie diesmal im engsten Kreis. Das heißt: Die Eltern, die beiden Kinder (Sohn Marcel lebt seit einigen Wochen in selbst gewählter Isolierung) und Großeltern. „Den Rest machen wir digital“, so Nathalie.

>> AUCH HINTER DEM HOBBY DER FAMILIE STEHT EIN FRAGEZEICHEN

■ Auch hinter dem Hobby der Familie steht ein Fragezeichen: Im Sommer taucht die Familie gerne. Die große Frage sei, ob sie angesichts der Atemprobleme überhaupt noch tauglich dafür sind.

■ Mutter und Tochter sind noch auf eine andere Weise mit dem Thema Corona verbunden: Sie gehen seit geraumer Zeit zur Plasmaspende. Ein Unternehmen, das Tests weiterentwickelt, habe Plasma von Genesenen gesucht.

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