Herne. Die Schülervertretung der Erich-Fried-Gesamtschule schickt einen Hilferuf an die Opposition im Landtag. Inhalt: harte Kritik am Schulministerium.
Vor einigen Tagen haben mehr als 100 Lehrer von sieben Herner Schulen einen
offenen Brief an NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer
geschickt. Nun ist wieder ein Brief aus Herne nach Düsseldorf gegangen. Die Schülervertretung der
Erich-Fried-Gesamtschule
hat einen dreiseitigen „Hilferuf von Schülerinnen und Schülern“ verfasst. Doch die Ministerin wird als Adressat außen vor gelassen, der Brief ging an die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen im Landtag...
„Normalerweise würden wir mit unserem Anliegen, eine Schule ohne erhöhtes Risiko zu fordern, einen Brief an Schulministerin Yvonne Gebauer und das Schulministerium richten“, heißt es zu Beginn des Briefs. „Wir haben aber die Hoffnung verloren, dort eine Stimme zu bekommen.“ Es folgt eine Vielzahl von Punkten, mit denen die Schüler scharfe Kritik an der Schulpolitik der Landesregierung in der Pandemiezeit üben.
Schüler haben Sorge, dass sie ihre Schulabschlüsse nicht erreichen
Unter anderem formulieren die Schüler eine Reihe von Dingen, die ihnen „große Sorgen“ bereiten: etwa, dass sie durch die aktuellen Vorgaben, mit allen gemeinsam zu lernen, ein höheres Risiko haben, krank zu werden und andere anzustecken; dass die Schüler immer wieder in eine
zweiwöchige Quarantäne
müssen, wenn sie mit bis zu 30 anderen Schülerinnen und Schülern in einem Raum lernen; dass die Schüler ihre Schulabschlüsse nicht erreichen, weil Teile der Kurse und Klassen oder Lehrerinnen und Lehrer in Quarantäne müssen und das Lernen von zu Hause über einen Zeitraum von zwei Wochen sehr schwierig ist; dass hochrangigen Politikern nichts anderes einfällt, als das
Lüften, das Tragen von Masken und die Händehygiene;
dass man in 75 Prozent der Fälle gar nicht weiß, wer sich wo und unter welchen Umständen ansteckt und im Schulbetrieb nichts geändert wird.
Die Schüler schreiben außerdem, dass sie glauben, dass Wechselunterricht oder andere Modelle die Quarantäne- und Infektionsfälle deutlich reduzieren würden, die Schüler regelmäßiger in der Schule wären und sich keine Sorgen mehr um ihre Abschlüsse machen müssten; dass die Politik, den Lehrerinnen und Lehrern vor Ort vertrauen muss, die jeden Tag dafür sorgen wollen (aber nicht dürfen), dass es den Schülern auch während der Pandemie gut geht und sie vernünftig lernen können; dass die Schüler durch eine andere Organisation des Schulalltags mindestens genauso viel lernen und gleichzeitig vor einer Infektion mit dem Corona-Virus geschützt sind.
Vertrauen der Schüler in die Politik ist deutlich gesunken
Und dann formulieren sie eine Vielzahl von Fragen. Die Liste ist lang, hier einige Beispiele: Wie sinnvoll ist es, wegen Quarantäneanordnungen in einem Kurs mit drei Schülerinnen und Schülern zu lernen? Wie sinnvoll ist es, durch Quarantäneausfälle von Lehrerinnen und Lehrern bei unbekannten, wechselnden Lehrkräften, die uns sonst gar nicht unterrichten, zu lernen? An manchen Tagen fehlten so viele Lehrerinnen und Lehrer, dass Kurse zusammengelegt werden müssten, um den Unterricht aufrecht zu erhalten. Das sei ein großer Widerspruch gegenüber allen Schutzmaßnahmen außerhalb von Schulen.
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Ein weiteres Problem sei es, Abstand zu halten. „Es ist sehr albern, dass wir in den Klassen so nah nebeneinander sitzen (so dass man die Situation eher als Kuschelstunden bezeichnen kann) und dass wir draußen so viel Abstand wie möglich halten und uns nicht mit Freunden treffen sollen.“ Lüften sei schlimm für die Schülerinnen und Schüler. „Es ist nicht verwunderlich, dass wir krank werden. Es ist fast unmöglich, in einem Klassenraum zu sitzen, ohne zu frieren. Die Zähne klappern, und man zittert am ganzen Körper. Wie soll das im Januar und Februar werden, wenn es noch kälter ist? Warum fragt uns niemand, wie es uns in dieser Situation geht?“
Zum Abschluss drücken die Schüler ihre
Enttäuschung über das Schulministerium
aus: „Eigentlich müssten wir jetzt noch irgendetwas fordern oder um eine Stellungnahme oder Antwort bitten. Uns erscheint es aber mittlerweile zwecklos. Obwohl wir fassungslos und ratlos über die Politik des Schulministeriums sind, geht dieser Brief zur Kenntnisnahme auch an das Ministerium.“ Und weiter heißt es: „Unsere Enttäuschung ist kaum in Worte zu fassen, das Vertrauen in die Politik und vor allem die Demokratie ist deutlich gesunken.“
>> AUCH ANDERE SCHÜLER KÖNNEN SORGEN ÄUSSERN
Die SV der Erich-Fried-Gesamtschule fordert auch Schülerinnen und Schüler anderer Schulen auf, ihre Sorgen mitzuteilen. Dazu haben sie eine Mailadresse eingerichtet:
wirwerdenlaut_schuelersprecherinnen@web.de.
Im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion schildert Matthias Beckmann, wie der Brief entstanden ist:
Die Schülervertretung habe eine Sitzung einberufen
, um herauszufinden, wie es den Mitschülern unter den aktuellen Bedingungen geht. Dazu hätten die Klassenvertreter in den Klassen Meinungen und Stimmen gesammelt. Diese seien dann in den Brief eingeflossen.
Beckmann berichtet, dass die SPD-Fraktion bereits den Eingang des Briefs bestätigt habe und signalisiert habe, dass
Fraktions-Chef Thomas Kutschaty
ihn bereits gelesen habe.