Herne. Läuft bei der Bekämpfung der Corona-Krise im Krisenmanagement der Stadt Herne einiges falsch? Was OB Dudda im Rat zu den Vorwürfen sagte.
Die letzte Sitzung des „alten“ Rates hat am Dienstag im Zeichen der Corona-Krise gestanden. Oberbürgermeister Frank Dudda verwahrte sich gegen Kritik am Krisenmanagement der Verwaltung und warf der Opposition und insbesondere den Grünen Unfairness vor. Seine zentrale Botschaft: Die Stadt habe trotz der immens hohen Belastung die Kontrolle nicht verloren.
Nach einer ausführlichen Darstellung der Situation und der von der Stadt eingeleiteten Maßnahmen durch Rechtsdezernent und Krisenstabs-Chef Frank Burbulla ergriff der OB das Wort. Die rasant steigenden Infektionszahlen hätten die Verwaltung „in dieser Dimension“ überrascht, räumte er ein. „Das ist ein Mühlstein auf unseren Schultern.“
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Unterstützung durch 16 weitere Soldaten
Die Stadt habe jederzeit angemessen auf die Entwicklung reagiert. So seien die Testkapazitäten deutlich erhöht worden. Und das Gesundheitsamt könne die Kontakte von positiv Getesteten auch weiterhin nachverfolgen. Zur Erledigung dieser Aufgabe würden schon am Mittwoch 16 weitere Bundeswehrsoldaten erwartet. Auch für Kontrollmaßnahmen werde noch zusätzliches Personal rekrutiert. Er glaube nicht, dass das Infektionsgeschehen dadurch zum Stillstand gebracht werde: „Wir können es nur verlangsamen.“
Die Belastungen seien für alle Mitarbeiter sehr groß, was auch mal an der einen oder anderen Stelle zu Fehlern führe. „Das ist ein Ritt auf der Rasierklinge.“ Er sei aber „superstolz“ auf den Einsatz seiner Mitarbeiter.
Dudda: Einige kreisfreie Städte sind stärker betroffen
Herne sei nicht stärker von steigenden Infektionszahlen betroffen als andere Kommunen, betonte der OB. Die Entwicklung komme nur zwei bis vier Tage eher hier an. In der Öffentlichkeit dringe zudem kaum durch, dass es kreisangehörige Städte in Deutschland gebe, die deutlich höhere Inzidenzwerte habe. Aber auch in Herne würden die Zahlen künftig noch steigen. Es gebe jedoch „mehrere Hoffnungsschimmer“. Zum Beispiel die Aussicht, vielleicht schon zum Jahresende über einen Impfstoff zu verfügen. Und die Tatsache, dass andere europäische Staaten wesentlich schlechter durch die Krise kämen als Deutschland.
Duddas (auch an die Politik gerichteter) Appell, dass nun alle an einem Strang ziehen müssten, hielt die Ratsopposition nicht von kritischen Beiträgen ab. „In so außergewöhnlichen Zeiten können natürlich Fehler passieren, aber es gibt Verbesserungsbedarf“, sagte Tina Jelveh (Grüne). So laufe im Gesundheitsamt einiges falsch. Ihnen seien mehrere Fälle berichtet worden, bei denen die Stadt Infektionsketten nicht schnell genug nachverfolgt hätten.
Grüne beklagen unnötige Verzögerungen und schlechte Informationspolitik
„Es ist klasse, was geleistet wird. Die Stadt hat aber nicht alles im Griff“, sagte auch Grünen-Fraktions-Chef Thomas Reinke. Er beklagte, dass es „unnötige Verzögerungen“ zum Beispiel bei der Einführung der Maskenpflicht oder der Unterstützung durch Bundeswehrsoldaten gegeben habe. Andere Städte hätten da schneller reagiert. Zudem gebe es große Defizite bei der Informationspolitik.
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Kritikpunkte, die beim OB nicht verfingen. Es würden Dinge behauptet, die nicht richtig seien. „Sie müssen sich die Frage stellen, ob das fair ist“, erklärte Dudda in Richtung Reinke. Breite Unterstützung erhielt er von Rot-Schwarz. Die Fraktionsvorsitzenden Bettina Szelag (CDU) und Udo Sobieski (SPD) stellten sich einmütig hinter die Verwaltung.
SPD-Fraktions-Chef: Maßnahmen laufen zu 95 Prozent hervorragend
Die Stadt habe offen angesprochen, welche Schwachstellen es gebe und wo es noch Verbesserungsbedarf gebe, erklärte Sobieski. Aber: „Die Maßnahmen laufen zu 90 bis 95 Prozent hervorragend.“ Mit ihrer „politischen Abrechnung“ würden die Grünen der Ernsthaftigkeit des Themas nicht gerecht. Es sei aufgrund der aktuellen Belastung nicht in Ordnung, punktuell einzelne Dinge aufzugreifen.
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Zum Schluss der 100-minütigen Generaldebatte wurde es dann aber doch noch ein Stück weit versöhnlich. Der OB griff die Kritik der Grünen und von Linke-Fraktions-Chefin Veronika Buszewski auf, dass die Politik nicht eingebunden und ausreichend informiert werde. Das werde sich künftig ändern, so Duddas Signal. Und auch über den Vorschlag von Sabine von der Beck (Grüne), dass die Stadt die Öffentlichkeit präziser und detaillierter informieren sollte, werde man nachdenken, sagte er.
Telefonkonferenzen mit Bund, Land und Ärztekammer
Bereits kurz vor der Ratssitzung hatte der Oberbürgermeister auf Anfrage der WAZ die laut gewordene Kritik zurückgewiesen, dass er nach seiner starken Präsenz im Wahlkampf nun „unsichtbar“ sei. Seit Beginn der Pandemie Mitte März habe er an fast allen Sitzungen des Krisenstabs - so auch in den vergangenen Tagen und Wochen - teilgenommen, heißt es in der Stellungnahme. Er habe die Stadt Herne in den zurückliegenden zwei Wochen in Video- und Telefonkonferenzen mit der Bundes- und Landesregierung, in Sitzungen mit der Bundesärztekammer und verschiedenen Landesministerien vertreten und sich regelmäßig mit NRW-Gesundheitsminister Laumann zur Lage im Land und in Herne ausgetauscht.
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Diese und zahlreiche weitere Termine würden nicht in der Öffentlichkeit wahrgenommen, seien aber zeitintensiv und herausfordernd. Denn: Krisenmanagement bestehe darin, fortlaufend die aktuelle Lage mit der Verwaltungsspitze zu bewerten, Meinungen von Experten einzuholen und Entscheidungen im Krisenstab zu treffen. Das mache die Stadtverwaltung seit Monaten praktisch ununterbrochen.
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