Herne. Die A 43 wird immer mehr zum Nadelöhr: Die Autobahn erhält sechs Spuren. Das Kreuz Herne ist bereits eine Großbaustelle – für zehn Jahre.
Das Autobahnkreuz Herne ist eine Riesenbaustelle – und das für die kommenden zehn Jahre. Gerade wird das neue Herzstück gebaut, ein 500 Meter langer Tunnel. Der ist nicht einfach nur ein Tunnel: Künftig führen die unterirdischen Fahrbahnen unter dem gesamten Kreuz hindurch. Da ist Millimeterarbeit Pflicht.
Die A 43 hat die Kapazitätsgrenze für vierspurige Autobahnen längst überschritten, sagt Carola Ziebs. Sie ist Leiterin der Projektgruppe für „Die neue A 43“, wie das Mammut-Projekt beim Bauherrn Straßen.NRW genannt wird. 90.000 Fahrzeuge nutzten täglich die einzige Nord-Süd-Verbindung quer durchs Ruhrgebiet. Viel zu viele: Bis 2030 soll die 28 Kilometer lange Strecke zwischen Marl-Sinsen und Witten-Heven in mehreren Abschnitten dreispurig ausgebaut werden. In Recklinghausen sind die ersten Kilometer fertig.
Herne: 21 Brücken müssen auf Herner Stadtgebiet umgebaut werden
Nun ist Herne dran. Und das wird hart – für Autofahrer und Bauarbeiter. Die 4,2 Kilometer zwischen Rhein-Herne-Kanal und Bochum-Riemke haben es in sich. 21 Brücken sind auf der Strecke, alle müssen angepackt, die Straße in Teilen um 60 Zentimeter tiefergelegt werden. Und vor allem: Herne ist dicht bebaut. „Wir sind im beengten Raum unterwegs“, heißt das in den technischen Worten von Bauingenieurin Carola Ziebs. Soll heißen: Rechts und links der Autobahn sind Häuser, liegt eine Bahnstrecke, gibt es einen Friedhof. Die Fahrbahnen da zu verbreitern, erfordert Gehirnschmalz und Geschick. Und dann ist da noch das Autobahnkreuz Herne.
In Betrieb genommen 1968, läuft dort nun eine Operation am offenen Herzen. Zu den 90.000 Fahrzeugen der A 43 kommen im Kreuz noch 75.000 der A 42, außerdem queren Bahnlinien den Knotenpunkt, nebenan stehen Hochspannungsmasten, und drüber verlaufen die Leitungen. Kein „typisches Kleeblatt“ sei das Kreuz Herne deshalb, sondern „ebenfalls ein Spaghettiknoten“, so Projektchefin Ziebs. Um da alle Fahrbahnen zu verbreitern, brauche man deshalb zehn Jahre: „Wir wollen ja keine Vollsperrungen.“
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Lindwurm entsteht im Autobahnkreuz Herne
Und man brauche den Tunnel Baukau. Er soll künftig den Verkehr, der von der A 43 aus Richtung Bochum kommt, zweispurig auf die A 42 in Richtung Oberhausen führen. Natürlich wäre es leichter (und billiger), dafür eine große Brücke zu bauen, sagt Olaf Wüllner, bei Straßen.NRW für den Herner Bereich zuständig. Allein: Dafür sei gar kein Platz. Für eine lange Zufahrtsrampe müsste eine weitere Spur gebaut werden, außerdem müssten die Hochspannungsmasten und -Leitungen verlegt werden – schier unmöglich.
Deshalb entsteht gerade ein Lindwurm im Kreuz, aus Trägerwänden, Verschalungen und Betonwänden. In offener Bauweise, zum Glück, könne so der Großteil des Tunnels gebaut werden, so Bauingenieur Wüllner. Dazu müssten zwar ständig auch im Kreuz die Fahrbahnen verlegt werden, aber dieser Bau sei allemal einfacher. Heißt: Es wird gerade viel gebaggert, die Straße kommt unter die Erde und oben ein Deckel drauf.
Lärmschutz wird verstärkt
Beim Ausbau der A 43 soll auch der Lärmschutz verstärkt werden. So würden nicht nur die Lärmschutzwände auf bis zu acht Metern erhöht, sondern auch der als „Flüsterasphalt“ bekannte offenporige Asphalt in der Nähe von Wohngebieten.
Auf der Herner Gebiet, sagt Projektleiterin Carola Ziebs, würden fast auf der gesamten Strecke die Lärmschutzwände verbessert
Über diese Vereinfachung kann der Mann von Straßen.NRW nur müde lächeln. Auch über die gelegentlichen Anrufer, die schimpften, warum das denn alles so lange dauere: Die Chinesen machten das doch locker in einem Jahr? Von Umwelt-, Lärm oder Arbeitsschutz will Wüllner gar nicht erst reden, die in Deutschland groß geschrieben würden, auch nicht davon, das Hausbesitzer hierzulande nicht mal eben für ein Autobahnkreuz enteignet würden. Er liefert lieber Zahlen: 90.000 Kubikmeter Erde müssten im Kreuz erst beseitigt, dann 25.000 Kubikmeter Beton gegossen, später 54 Kilometer Kabel verlegt werden, und nebenbei müsse noch ein Fußgänger-Fluchttunnel gebaut werden.
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Und dann seien da noch die 40 Brunnen, die nach und nach errichtet werden müssten, um all das viele Grundwasser abzupumpen (und später wieder, gereinigt, in den Boden zurück zu pumpen). Das mache man nicht mal eben nebenbei. Und es koste: 270 Millionen Euro würden allein in Herne verbaut, knapp ein Viertel davon fließe in den Tunnel Baukau.
Tunnel-Teilstück wird mit einem „Rohrschirm“ gebaut
Gerade wird das einzige Stück des Tunnels gebaut, wo unterirdisch gearbeitet werden muss. Weil drüber eine Bahnlinie verläuft, die nicht mal eben versetzt werden kann, kommt drunter ein „Rohrschirm“. Bei dieser noch relativ neuen Methode werden 65 Meter lange Rohre ins Erdreich geschoben, mit Hilfe einer Schaufel vorn im Rohr, die mit einem Joystick gelenkt wird. Die Rohre werden später mit Beton verfüllt und bilden Tunneldecke und Tunnelwände. Unter diesem „Rohrschirm“ wird dann die Erde weggebaggert.
Auf den Gleisen drüber, wo nun die Bahn im Schritttempo fahren muss, sind Sensoren angebracht worden. Die schlagen Alarm, sollten die Gleise absacken. Die Nachricht geht direkt per E-Mail aufs Handy von Bauingenieur Wüllner. Ein paar Millimeter Spielraum seien okay, sagt der Bauingenieur, bei einem Zentimeter würde es kritisch. Er atmet durch: Bislang klappe der Einbau des Schirms tadellos.
In drei Jahren, sagt Projektchefin Ziebs, soll der Tunnel fertig sein. Dann sei schon mal das größte Nadelöhr, die Verbindung von A 43 auf A 42, behoben. Staus wird es aber noch viele Jahre geben, so wie schon jetzt. Das Kreuz insgesamt werde erst sieben Jahre später fertig, mit der Verbreiterung der A 43 insgesamt. Und: Der Ausbau der eigentlichen A 43 auf Herner Gebiet, der hat ja noch gar nicht begonnen.
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