Herne. Das Thema Parkplätze treibt Autofahrer um - auch in Herne. In welcher Siedlung es seit Monaten brennt und was in Sachen Parkraum zu erwarten ist.
Eine Verkehrswende hat der Rat der Stadt im Jahr 2018 mit der Verabschiedung eines Konzepts für klimafreundliche Mobilität eingeleitet. Weil das Ziel - die Stärkung von Radfahrern, Fußgängern und ÖPNV zu Lasten des Autoverkehrs - aber allenfalls mittel- bis langfristig erreicht werden kann, wird sich an diesem Problem vorerst nichts ändern: In einigen Wohnstraßen herrscht Parkplatznot, gleichzeitig nimmt die Zahl der Autos weiter zu. Wenn dann noch Stellplätze reduziert werden, ist Ärger vorprogrammiert.
Die Zahlen
Die Zahlen für (private) Kfz-Zulassungen sprechen nicht für eine Verkehrswende, sondern für die Verstetigung der Dominanz des Autos: 94.441 Kraftfahrzeuge seien im Juni 2020 in Herne zugelassen gewesen, berichtet Stadtsprecher Patrick Mammen. Zum Vergleich: Im Dezember 2015 waren es „nur“ 88.789. Das entspricht einer Zunahme von 6,4 Prozentpunkten in knapp fünf Jahren. Eine Trendwende ist auch wegen der Pandemie nicht in Sicht: Wer steigt schon freiwillig in Corona-Zeiten vom Auto auf Bus und Bahn um?
Die aktuellen Kontroversen
Parkraum ist im dicht besiedelten Herne und insbesondere im Bereich der Herner City und von Krankenhäusern knapp, doch irgendwie geht es dann doch - es sei denn, der Parkraum wird beschnitten. So wie jüngst in Baukau, wo der Toom-Markt eine Parkscheibenregelung eingeführt hat. Das traf Anwohner des Supermarktes hart, weil sie bis dato aus Mangel an Stellplätzen auch den Parkplatz an der Bahnhofstraße genutzt hatten.
Noch größer ist seit Juni die Aufregung in der Hühnerleiter-Siedlung in Wanne. Mehr als drei Jahrzehnte war in den Einbahnstraßen Schalke- und Mathildenstraße das „Parken in zweiter Reihe" gestattet, nun gibt es dafür Knöllchen. Nachdem zwischenzeitlich sowohl Straßenrand als auch Schotterstreifen beparkt werden durften, sind nun nur noch die Schotterstreifen zwischen den Bäumen dafür vorgesehen, was zu einer deutlichen Reduzierung der Stellplätze geführt hat.
Das Recht auf einen Parkplatz?
Mehr als 30 Betroffene aus den beiden Straßen kamen in dieser Woche in die Bezirksvertretung Wanne, um ihrem Ärger Luft zu machen. Den Hinweis einer Bürgerin, dass es doch für jeden Anwohner zumindest einen Stellplatz in der Straße geben müsste, wies die Verwaltung zurück. Es handele sich nicht um privaten, sondern um öffentlichen Straßenverkehrsraum, sagte Thomas Nübel vom Fachbereich Öffentliche Ordnung. Und: Änderungen der aktuellen Regelungen seien aus rechtlichen Gründen nicht möglich.
Kritik auch am OB
In der Diskussion über den Parkraum in der Wanner Hühnerleitung-Siedlung ist auch Oberbürgermeister Frank Dudda bei Bürgern in die Kritik geraten.
Bei der Übergabe einer Unterschriftenliste im Juni sagte er eine Prüfung mit dem Ziel zu, möglichst viel Parkraum unter Berücksichtigung aller Interessen zu erzielen. Das sei auch umgesetzt worden, so die Stadt.
Bürger sehen das anders: Bei ihnen waren die Signale des OB so angekommen, dass eine für sie akzeptable Lösung gefunden wird. Nach der Wahl gelte dies nun nicht mehr, so ein Vorwurf.
Die Rolle der Verwaltung
Den Vorwurf, dass der Stadt die Zahl der Stellplätze in dieser Siedlung „wurscht“ sei, wies Nübel zurück. Der Stein sei nicht von der Verwaltung, sondern von Anwohnern ins Rollen gebracht worden, die über Auswüchse wie u.a. Gefährdung von Fußgängern auf den Gehwegen geklagt hatten. Den Beschwerdeführern sei deutlich gemacht worden, dass ein Eingreifen der Stadt zur Reduzierung von Stellplätzen führen könne, so Nübel. Weil die Beschwerden trotzdem nicht zurückgezogen worden seien, habe die Stadt keine andere Wahl gehabt, als geltendes Recht umzusetzen: „Dazu sind wir verpflichtet.“
Das Verteilen von Knöllchen ohne Vorwarnung (sogar am Samstagabend) und die Informationspolitik der Stadt stößt nicht nur Bürgern sauer auf. Wannes Bezirksbürgermeister Ulrich Koch warf der Verwaltung ein „wenig einfühlsames Vorgehen“ vor. „Das war nicht bürgerfreundlich“, so seine Kritik. Bürger müssten rechtzeitig informiert werden.
Die Rolle der Politik
In der Causa Toom erhielten die Betroffenen Unterstützung durch den Grünen-Politiker (und Anwohner) Wilfried Kohs sowie die CDU. Im Bezirk Wanne bemühten sich vor allem SPD und CDU darum, den Anwohnern zur Seite zu stehen. So regte Uwe Purwin (SPD) einen Ortstermin an, um vielleicht doch noch Alternativen zu finden.
Jenseits der Verknappung des Parkraums durch besondere Umstände müssen sich Herner Autofahrer wohl vorerst nicht davor fürchten, dass ihnen Parkplätze aus politischen Gründen „weggenommen“ werden. Bei mehreren Umbauprojekten - Dorneburger Straße, Edmund-Weber-Straße - reagierten SPD und CDU auf Proteste gegen den geplanten Abbau von Stellplätzen. Aus der Opposition und insbesondere von den Grünen gab und gibt es den Vorwurf an die Adresse von Stadt und Rot-Schwarz, dass die Verkehrswende in Herne nur auf dem Papier stehe.
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Am Kurs der bei der Kommunalwahl als mit Abstand stärkste Fraktion bestätigten SPD wird sich wohl nichts ändern. Die Partei und insbesondere Ratsherr und Fahrradlobbyist Ulrich Syberghaben mehrfach deutlich gemacht, dass Bürger mitgenommen werden müssten. Eine Verkehrswende müsse in kleinen Schritten und vor allem durch Attraktivierung von Radverkehr und ÖPNV erfolgen, so die Botschaft.