Herne. Ein Blick auf den neuen Herner Rat zeigt, dass Frauen, jüngere Menschen und Migranten nach wie vor stark unterrepräsentiert sind. Eine Analyse.

Welche Koalition bis zum Jahr 2025 in Herne den Ton angeben wird, ist noch offen. Fest steht aber bereits jetzt: In dem sich am 3. November konstituierenden neuen Rat der Stadt gibt es nach wie vor einen Mangel an Frauen, jungen Menschen und Migranten - und das, obwohl 26 der bisher 60 Stadtverordneten (43,5 Prozent) ausscheiden werden.

Der Frauenanteil

Der Altersschnitt und der Frauenanteil im neuen Rat der Stadt.
Der Altersschnitt und der Frauenanteil im neuen Rat der Stadt. © funkegrafik nrw | Denise Ohms

Hier gibt es immerhin einen leichten Fortschritt zu verzeichnen: 35,5 Prozent der Mitglieder des neuen Rates sind weiblich. Der aktuelle Frauenanteil beträgt 30 Prozent. Die SPD, die mit dem Anspruch „die Fraktion soll weiblicher und jünger werden“ angetreten war, liegt mit 28,6 Prozent sogar unter dem Ratsschnitt, hat ihren Frauenanteil aber um 6,6 Prozentpunkte erhöhen können.

Wenn die Genossen dieses Tempo beibehalten würden, hätten sie bei der Kommunalwahl 2040 die Gleichberechtigung - genauso viele Frauen wie Männer in der Fraktion - erreicht. So lange die SPD wie am 13. September alle 27 Herner Direktwahlkreise für den Rat gewinnt, wird dies allerdings nur schwer umsetzbar sein, denn: Die jeweiligen Kandidaten werden von den einzelnen Ortsvereinen aufgestellt, wodurch der SPD-Vorstand nur bedingt Einfluss auf die Quotierung hat. Das nennt man dann wohl die Kehrseite des Erfolgs.

Beim Blick in die neu gewählten vier Bezirksvertretungen wird es für einen Bezirk geradezu peinlich: In Wanne ist unter den 15 Bezirksverordneten mit Uta Linnemann (SPD) nur eine Frau; in Eickel sind es allerdings auch nur zwei. In Herne-Mitte sind 4 von 17 Bezirksverordneten weiblich, in Sodingen immerhin fünf von 15.

Der Altersschnitt

Der oder die durchschnittliche Herner Stadtverordnete ist 52,6 Jahre alt (2014: 52,4 Jahre). Bei den Ratsfraktionen (ab drei Mitglieder) hat die Linke mit im Schnitt 62,7 Jahren die mit Abstand größte Lebenserfahrung, um es mal positiv auszudrücken. Dieser hohe Wert ist je nach Sichtweise auf das schlechte Wahlergebnis oder auf eine sehr einseitige Aufstellung der Reserveliste zurückzuführen: Die drei Linke-Mitglieder auf den Listenplätzen 4, 5 und 6, die nicht mehr zum Einzug in den Rat gereicht haben, sind nämlich im Schnitt nur 29,7 Jahre jung.

Der Grüne Justus Lichau (19) ist der jüngste Stadtverordnete im neuen Rat.
Der Grüne Justus Lichau (19) ist der jüngste Stadtverordnete im neuen Rat. © Hartmut Bühler

Wie auch beim Frauenanteil muss man den Grünen bescheinigen, dass sie bei der Kandidatenaufstellung auf eine ausgewogene Mischung von Jung und Alt geachtet habt. 43,0 Jahre beträgt der Schnitt in der zehnköpfigen Fraktion. Die Grünen stellen mit Justus Lichau (noch 19) auch das mit Abstand jüngste Mitglied des künftigen Rates.

Den Titel „jüngster Stadtverordneter aller Zeiten“ verpasste Lichau allerdings knapp: Maximilian Krupp (Alternative Liste) war 2009 zum Zeitpunkt seiner Wahl 18 Jahre jung; aktuell ist er übrigens Geschäftsführer der Grünen-Fraktion in Bonn. „Alterspräsident“ des neuen Rates wird kurioserweise ebenfalls ein Neuling sein: Heinrich Schmidt (71), in Holsterhausen direkt gewählt für die SPD, war bisher in der Bezirksvertretung Herne-Mitte aktiv.

Der Migrantenanteil

Hier ist das Missverhältnis besonders groß: Mehr als ein Drittel der Herner Bevölkerung hat aktuell einen -wie sagt man so unschön? - Migrationshintergrund; Tendenz: steigend. Dem künftigen Rat der Stadt gehören mit Nurten Özcelik (SPD) und Tina Jelveh (Grüne) gerade mal zwei Mitglieder mit Wurzeln in anderen Ländern (hier: Türkei und Iran) an. „Das ist natürlich viel zu wenig“, sagt Muzaffer Oruc, der in Kürze als Vorsitzender des Integrationsrates und SPD-Ratsherr abtreten wird. Die Schuld liege aber nicht nur bei den Parteien. „Junge Migranten sind dazu aufgefordert, sich stärker politisch zu engagieren“, sagt er.

Muzaffer Oruc - hier 2019 beim Jahresempfang des Herner Integrationsrates - fordert junge Migrantinnen und Migranten auf, sich stärker in Parteien zu engagieren.
Muzaffer Oruc - hier 2019 beim Jahresempfang des Herner Integrationsrates - fordert junge Migrantinnen und Migranten auf, sich stärker in Parteien zu engagieren. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Ur-Wanne-Eickeler

Zum Schluss eine gute Nachricht für Wanne-Eickeler Lokalpatrioten: Der Anteil der Ratsmitglieder, die vor 1975 in der damals noch eigenständigen Stadt Wanne-Eickel geboren sind, ist mit 14,5 Prozent - neun von 62 Stadtverordneten - nach wie vor recht hoch.

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