Herne. Herne wählt einen OB, einen Rat, vier Bezirksvertretungen und einen Integrationsrat. Warum die Unsicherheit vor dem Urnengang größer denn je ist.
Eine Wahl, wie es sie noch nie gegeben hat - das lässt sich ohne Übertreibung über den unter Corona-Bedingungen stattfindenden Urnengang am Sonntag sagen. Warum die Unsicherheit bei Parteien groß ist, warum es zumindest die Hoffnung auf eine höhere Wahlbeteiligung als 2014 gibt und warum auch die Wahlpartys unter besonderen Vorzeichen stehen: eine Bestandsaufnahme einen Tag vor der Wahl.
Zahlen und Fakten
Genau 119.462 Menschen - Stand: Freitag, 16 Uhr - sind dazu aufgerufen, am Sonntag vier Stimmen abzugeben. Gewählt werden: ein Oberbürgermeister, der Rat, vier Bezirksvertretungen und das Ruhrparlament. Viel falsch machen kann der Wähler/die Wählerin eigentlich nicht - gehört doch auf jeden Stimmzettel nur ein Kreuz. Außerdem sind 35.532 Menschen mit Migrationshintergrund zur Wahl des Herner Integrationsrats aufgerufen.
Premiere- Die Direktwahl des Ruhrparlaments
Da war doch noch was? Ach, ja: Es gibt erstmals eine Direktwahl des Ruhrparlaments.
Selbst die nicht alltägliche Tatsache, dass mit Frank Dudda (SPD) und Hans-Peter Noll (CDU) beide Spitzenkandidaten aus dem kleinen Herne kommen, hat nicht dazu geführt, dass das Interesse an dieser Premiere vor Ort merklich gewachsen ist.
Auf den Listen der Parteien belegen weitere Herner aussichtsreiche Plätze, allen voran Sabine von der Beck, die von den Grünen auf die 3 gesetzt worden ist.
Die Unsicherheit
Zwei Faktoren lösen in Teilen der Politik und insbesondere bei der SPD als der bisher mit Abstand stärksten Kraft Unsicherheit aus: die Wahlbeteiligung und das Europawahlergebnis. Nur 42,2 Prozent nahmen 2014 an der Wahl des Rates und der Bezirke teil, bei der abgetrennten OB-Wahl 2015 waren es sogar nur 29,9 Prozent. Und diesmal? In Zeiten der Pandemie will niemand eine Prognose wagen. Selbst der recht rasante Anstieg bei den Briefwählern weckt allenfalls Hoffnungen auf eine höhere Beteiligung. In Zahlen: Bis Freitagnachmittag hat die Stadt 19.187 Briefwahlanträge bearbeitet. 2014 waren es insgesamt „nur“ 11.484. Was derzeit niemand weiß: Wie viele Menschen, die bisher stets ins Wahllokal gingen, sind diesmal wegen Corona auf Briefwahl umgestiegen? Als alles andere als unwahrscheinlich gilt dagegen im politischen Raum, dass OB Frank Dudda (SPD) am Sonntag gewinnt - und sich sogar schon im ersten Wahlgang durchsetzt und die absolute Mehrheit erreicht.
Rat und Bezirke
Wenn sich das Herner Europawahlergebnis 2019 bei der Ratswahl wiederholen würde, wäre das Wort „Debakel“ fast schon eine Untertreibung: Die SPD stürzte im vergangenen Jahr auf 26,8 Prozent ab, der Vorsprung auf die CDU schrumpfte auf 6,8 Prozent sowie auf die Grünen auf 9,3 Prozent zusammen. Zum Vergleich: Bei der Kommunalwahl 2014 lag die SPD bei der Wahl des Rates um fast 20 Prozent vor der CDU. Gemessen an der Europawahl könnte die SPD zudem Direktwahlkreise verlieren: Vor einem Jahr lag die CDU in Eickel-Mitte knapp vor der SPD und war in Herne-Ost wie auch die Grünen mit der SPD auf Augenhöhe. Auch in den vier Bezirksvertretungen Wanne, Eickel, Herne-Mitte und Sodingen rechnet die SPD mit Verlusten. 2014 war die SPD hier ebenfalls ganz klar die Nummer 1 und erreichte zwischen 44 Prozent (Wanne) und 45,2 Prozent (Eickel).
Die Wahlpartys
Nach dem Corona-Wahlkampf gilt auch für die Wahlpartys von Herner Parteien: Alles bleibt anders. So verschanzen sich die Grünen am Wahlabend diesmal nicht in ihrem Parteibüro auf der Bahnhofstraße, sondern haben einen Teil der Strandbar bzw. des Biergartens von „Steinmeister’s“ an der Künstlerzeche Unser Fritz gemietet. Das zeugt von Toleranz, denn: Wirt Oskar Steinmeister wirbt aktuell in einem Video für die Wiederwahl von SPD-Kandidat Frank Dudda. Nach Eickel zieht es diesmal die CDU und die Linkspartei. Die Union wird im Restaurant im Eickeler Park feiern oder trauern, die Linke ist zu Gast in der Kulturbrauerei am Eickeler Markt. Alt-Herne treu bleiben dagegen SPD und FDP. Die Sozialdemokraten sind in bzw. aufgrund der tollen Wettervorhersage vor den Flottmann-Hallen anzutreffen. Und die Liberalen haben den Raum „Strünkede“ in der Zille gebucht. Keine Party, sondern harte Arbeit erwartet das städtische Team Wahlen ab 18 Uhr. Und auch hier findet eine geografische Verschiebung statt: Die Fäden laufen nicht im Rathaus Herne zusammen, sondern im Technischen Rathaus Wanne-Süd. Bevor Alt-Herner Verschwörungstheorien entwickeln: Der Grund ist ein rein praktischer - hat doch das Team Wahlen in Wanne-Süd ihre Büros.
Die Herner Wahlergebnisse werden am Sonntag ab etwas 18.30 Uhr auf der Homepage der Stadt veröffentlicht und laufend aktualisiert.