Herne. . Der Niedergang der Volksparteien, Hochburgen der Parteien, ein Blick in Partnerstädte und mehr - die Anlayse zur Europawahl in Herne.

Der Tag nach der Wahl ist der Tag der Analyse: Was uns bei der Europawahl in Herne aufgefallen ist.

Der Niedergang

Die Erosion der beiden Volksparteien setzt sich fort. Sowohl SPD als auch CDU erreichten mit ihrem jeweiligen Europawahlergebnis nach Angaben der Stadt einen historischen Tiefstand bei Wahlen in Herne und Wanne-Eickel. Auf die beiden Parteien entfielen mit insgesamt 46,8 Prozent nicht einmal die Hälfte aller abgegebenen Stimmen. Die riesigen Verluste der SPD schlagen hier natürlich besonders stark zu Buche.

Blick in die Stadtteile

Nur in einem einzigen Wahlbezirk - Horsthausen (mit Pantringshof) - überschritt die SPD die 30-Prozent-Marke. In Eickel-Mitte verzeichneten die Genossen mit 23,6 Prozent nicht nur ihren Tiefstand in Herne, sondern landeten hier am Ende sogar hinter der CDU, die 24,6 Prozent erhielt. Dieses Kunststück gelang der Union beinahe auch in Holthausen: Die SPD erhielt hier am Ende genau eine Stimme mehr als die Christdemokraten (631:630). Die Grünen wiederum konnten in immerhin fünf Stadtteilen die CDU hinter sich lassen: in Wanne-Mitte, Holsterhausen-Süd, Baukau-Ost, Sodingen-Süd und Herne-Alt. In letzterem Wahlbezirk kratzten sie sogar am ersten Platz der SPD.

Der besondere Wahlkreis

Wie schon bei früheren Urnengängen tickten die Uhren am Sonntag in Herne-Ost etwas anders – lagen hier doch drei Parteien fast gleichauf: die SPD mit 23,6 Prozent, die CDU mit 23,3 Prozent und die Grünen mit 21,7 Prozent. Im Gegenzug bekam die AfD in diesem Sprengel keine Schnitte und erzielte hier mit 9,8 Prozent ihr einziges einstelliges Wahlergebnis in Herne.

Blick ins Ruhrgebiet

Riesenverluste für die SPD, hohe Gewinne für die Grünen – das sind und bleiben die herausragenden Ergebnisse der Europawahl in Herne. Beim Blick auf die Zahlen anderer Ruhrgebietsstädte relativieren sich diese und andere Herner Ergebnisse aber zumindest ein wenig. So erzielten die Herner Genossen beispielsweise immerhin noch das viertbeste Ergebnis aller Ruhrgebietsstädte. In der Universitätsstadt Bochum musste sich die SPD sogar den Grünen geschlagen geben. Bei den prozentualen Zuwächsen liegen die Herner Grünen mit einem Plus von 10 Prozentpunkten im Ruhrgebiet sogar auf dem vorletzten Platz - nur Gelsenkirchen gewann weniger hinzu (plus 9,5). Spitze im Ruhrgebivet sind die Grünen in Sprockhövel mit Zugewinnen von 13,3 Prozentpunkten.

Die Wahlbeteiligung

Erfreulich: 59.386 Hernerinnen und Herner beteiligten sich an der Europawahl - die Beteiligung stieg damit im Vergleich zu 2014 von 44 auf 53,7 Prozent. In mehreren Stadtteilen bestätigte sich die Gleichung, dass eine niedrige Wahlbeteiligung den rechten Rand stärkt. Das ist der Fall In den AfD-Hochburgen Bickern (18,4 Prozent bei 44,1 Prozent Wahlbeteiligung), Unser Fritz/Crange und Röhlinghausen-Nord. Keine Regel ohne Ausnahme: In Röhlinghausen-Süd war die Wahlbeteiligung mit 58,9 Prozent sehr hoch, trotzdem lag die AfD hier mit 15,9 Prozent deutlich über ihrem Stadtergebnis von 13,2 Prozent.

Das Kopf-an-Kopf-Rennen

FDP und Linkspartei lieferten sich in Herne ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den fünften Platz in Herne: Beide kamen auf 5,1 Prozent, doch die Nase vorne hatten am Ende die Liberalen mit einem Vorsprung von genau 20 Simmen. Das dürfte am Wahlabend die eh schon schlechte Stimmung bei der Linkspartei zusätzlich getrübt haben, die in Herne angesichts der sozialen Probleme ein viel größeres Wählerpotenzial vermutet.

Die Kleinen

Martin Sonneborns Satirepartei „Die Partei“ landete in den Charts der „sonstigen Parteien“ in Herne auf Platz 1.
Martin Sonneborns Satirepartei „Die Partei“ landete in den Charts der „sonstigen Parteien“ in Herne auf Platz 1. © dpa | Gregor Fischer

Martin Sonneborns Satiretruppe „Die Partei“ ist mit 1422 Stimmen und 2,4 Prozent auch in Herne die größte kleine Partei. Auf den Plätzen der Sonstigen-Charts landeten die Tierschutzpartei mit 2 Prozent, das Migrantenbündnis BIG mit 1,1 Prozent und die Piraten mit 1,0 Prozent. Die MLPD - auf deren Bundeslistenplatz 2 der Herner Anwalt Peter Weispfenning kandidierte - kam auf gerade mal 80 Stimmen (0,1 Prozent), hielt damit aber nicht die Rote Laterne. Die hielt diesmal die Sozialistische Gleichheitspartei - SGP - mit genau sieben Stimmen. Und bevor nun einige wieder Schnappatmung bekommen: Juso-Chef Kevin Kühnert hat mit dieser Gruppierung nichts zu tun.

Die französische Partnerstadt

Hernes französische Partnerstadt wählte erneut rechts - und wie! In Hénin-Beumont entfielen bei der Europawahl auf den rechtsextremen Front National 55,9 Prozent. Überraschend ist das eher nicht, denn: Die Partei von Marine Le Pen – sie gab erneut persönlich in Hénin-Beaumont ihre Stimme ab – kam dort bei der Europawahl 2014 bereits auf 53,5 Prozent.

Die ostdeutsche Partnerstadt

In Hernes Partnerstadt Eisleben (Sachsen-Anhalt) ist am Sonntag auch der Gemeinderat gewählt worden. Die AfD wurde stärkste Partei (21,9 %), knapp vor der SPD (21,1), der Linken (18,8) und der CDU (18,6).

Die Bürgermeisterwahl findet erst im November 2020 statt. Amtsinhaberin Jutta Fischer (66; SPD) tritt dann aus Altersgründen nicht mehr an.

Aus für Nahles? Das ist in der Herner SPD die Frage

Am Tag danach … war die Stimmung beim großen Wahlverlierer auch nicht besser als am Sonntagabend. SPD-Chef Alexander Vogt schloss sich im Gespräch mit der WAZ der Forderung von Oberbürgermeister Frank Dudda nach personellen Veränderungen „in der Führungsspitze der SPD“ an. Die Nachfrage, ob damit eine Rücktrittsforderung an die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles gemeint sei, wollte Vogt aber nicht ausdrücklich mit Ja beantworten.

Klartext gab es von der Basis. So sagte bzw. schrieb der Wanner SPD-Bezirksverordnete Frank Salzmann am Montagmorgen auf Facebook: „Nach dem Eintritt in die Groko war meine Prognose 15 Prozent bei der Europawahl“. Die Nahles-Wahl sei ein großer Fehler gewesen.

Es habe nicht nur an Berlin, sprich: an der Parteispitze gelegen, warnte dagegen der Eickeler Genosse Adi Plickert ebenfalls auf Facebook und forderte „eine schonungslose Analyse“ ein. Diese kündigt auch Vogt für die Vorstandssitzung in der nächsten Woche an.

Die Zeiten der Selbstverständlichkeiten seien im gesamten Ruhrgebiet vorbei, erklärte SPD-Vize Hendrik Bollmann. Erste Ideen und Ansätze seien schon wieder im Kopf. Bollmanns Kampfansage auf Facebook: „Wir greifen an!“