Bochum. Immer mehr Krankenhäuser in Bochum leihen Pflegekräfte aus. Das zeigt eine WAZ-Umfrage. Die ersten Folgen des Personalnotstands sind sichtbar.

Der Pflegenotstand in den Bochumer Kliniken nimmt zu. Bis auf das Knappschaftskrankenhaus greifen inzwischen alle großen Häuser auf Personaldienstleister zurück, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Das ergab eine Umfrage der WAZ.

„Das Haus versucht alles. Aber wir kriegen nichts.“ Günter Klanke, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung (MAV) der Augusta-Klinik, zeigt das Dilemma auf – nicht nur im Augusta, sondern in allen Krankenhäusern. Der Arbeitsmarkt für examiniertes Pflegepersonal ist leergefegt. Die Stationen und OP-Teams ächzen unter der Personalknappheit.

Personalnotstand in Bochumer Kliniken: Intensivbetten bleiben leer

Im Augusta sind die Folgen trotz eigener Ausbildungsakademie laut MAV längst spürbar. „Stationen können nicht mehr voll belegt werden“, sagt Günter Klanke im WAZ-Gespräch. So könnten auf der Intensivstation aktuell nur zwölf der 16 Betten vorgehalten werden, um eine gleichbleibende Qualität der Pflege zu gewährleisten.

Die Augusta-Geschäftsführung bestätigt: „Generell gibt es auch bei uns unbesetzte Stellen. Der Fachkräftemangel stellt uns vor große Herausforderungen.“ Darunter dürften aber keinesfalls die Patienten leiden. Deshalb gebe es für die Mitarbeiter eine „Einspring-Pauschale“; beim „Job-Speeddating“ werde gezielt um Fachkräfte geworben.

Auch Augusta-Azubis waren dabei, als Verdi 2018 in Düsseldorf für mehr Personal in Krankenhäusern demonstrierte. Bei der Demo kam es zu einem Treffen mit Gesundheitsminister Jens Spahn.
Auch Augusta-Azubis waren dabei, als Verdi 2018 in Düsseldorf für mehr Personal in Krankenhäusern demonstrierte. Bei der Demo kam es zu einem Treffen mit Gesundheitsminister Jens Spahn. © Stiftung Augusta

Auch das Katholisches Klinikum beschäftigt Leih-Pfleger

Gleichwohl sei man gezwungen, bei Engpässen Personaldienstleister einzuschalten. Das sei längst durchgängiges Tagesgeschäfte, wobei die „Leiharbeiter“ von aktuell drei Agenturen in der Regel mehr verdienten als das eigene Personal, weiß Günter Klanke. Problem: Wer von außen einspringt und Lücken füllt, kenne oft das Haus nicht. „Deshalb braucht es eine längere Einarbeitung.“

„Zu einem sehr geringen Teil“ greife auch das Katholische Klinikum auf Leiharbeitnehmer zurück, berichtet Sprecher Jürgen Frech. Obwohl das Universitätsklinikum mit 375 Plätzen allein in der Pflege der größte Ausbilder in Bochum sei, sei „die Besetzung freiwerdender Stellen deutlich schwieriger geworden“.

„Einspringprämie“ und flexible Arbeitszeiten

Die Situation habe sich durch die politischen Rahmenbedingungen, zu denen die vorgeschriebenen Personaluntergrenzen zählen, nochmals verschärft, erklärt Frech. „Dies gilt vor allem für besonders pflegeintensive Bereiche wie die Unfallchirurgie oder Geriatrie.“

Bettenschließungen oder Einschränkungen im OP-Betrieb habe es im Katholischen Klinikum bisher dennoch nicht gegeben, heißt es. „Trotz der Arbeitsverdichtung bleibt es unser Anspruch, die Pflege des Patienten auf dem gewohnt hohen Niveau zu gewährleisten.“ Dazu werden – wie im Augusta – neuerdings „Einspringprämien“ bezahlt und die Arbeitszeiten flexibel gestaltet. Mit welchen Ergebnissen? Die Mitarbeitervertretung des Katholischen Klinikums gab auf WAZ-Anfrage dazu keine Auskunft.

Das Knappschaftskrankenhaus (hier die Absolventen 2019) hat die Zahl der Plätze an seiner Krankenpflegeschule aufgestockt.
Das Knappschaftskrankenhaus (hier die Absolventen 2019) hat die Zahl der Plätze an seiner Krankenpflegeschule aufgestockt. © Knappschaftskrankenhaus

Knappschaftsklinik kann Lücken mit eigenem Personal füllen

Im Knappschaftskrankenhaus Langendreer seien derzeit rund zehn Stellen innerhalb des Pflegedienstes nicht besetzt. „Das haben wir aber bisher kompensieren können. Einschränkungen in der Patientenversorgung gibt es nicht – weder auf den Stationen noch in der Notaufnahme, im OP oder auf der Intensivstation“, berichtet Kliniksprecherin Bianca Braunschweig.

Diakonie befürwortet Ausbildungsgarantie

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, befürwortet die Diakonie Ruhr eine Ausbildungsgarantie für die Pflege. „Allein in NRW werden in den kommenden Jahren mehrere tausend Pflegekräfte benötigt. Das Problem dabei ist: Der Arbeitsmarkt ist leergefegt“, sagt Geschäftsführer Jens Fritsch.

Ein „extrem interessanter Ansatz“ sei daher die Forderung von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CD), eine Ausbildungsgarantie für jeden jungen Menschen zu geben, der Pflegekraft werden wolle.

Jens Fritsch bekräftigt: „Wir lassen immer noch nicht alle in die Pflegeschulen, die dort lernen wollen.“ Ein Umdenken sei nötig.

Auf Leiharbeitsfirmen oder Personalvermittler werde deshalb verzichtet. „Als Gegenmittel setzen wir auf Ausbildung und Fachweiterbildung“, so die Knappschaftsklinik. Im letzten Jahr seien die Kapazitäten der Krankenpflegeschule von 175 Plätzen auf 275 in der Gesundheits- und Krankenpflege (dreijährig) erweitert worden. Ein zusätzlicher Kurs zur Gesundheits- und Krankenpflegeassistenz (einjährig) ist im Mai 2019 gestartet.

Forderung nach höheren Löhnen

Zwar habe auch das Bergmannsheil „das Ziel, den Bedarf mit eigenen Mitarbeitern zu decken“, so Sprecher Robin Jopp. Gerade in Spezialbereichen wie OP-, Anästhesie- und Intensivpflege gebe es großen Bedarf. Der Fachkräftemangel mache es erforderlich, auch Leiharbeitsfirmen (aktuell drei) zu beauftragen.

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Eine Entwicklung, die die Mitarbeitervertretungen mit Sorge betrachten – ebenso wie Versuche, Personal gegenseitig abzuwerben. Von Prämien bis zu 10.000 Euro ist bundesweit die Rede. Augusta-MAV-Chef Günter Klanke hat da eine Idee: „Vieles könnte besser sein und werden, wenn in der Pflege endlich höhere Löhne bezahlt würden. Schließlich sind die Belastungen in diesem Beruf immens“ – und werden durch den Personalnotstand immer größer.

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