Herne. Die städtischen Finanzen sind durch die Corona-Krise in eine gewaltige Schieflage geraten. Am Dienstag sprach der Rat über die Millionenlöcher.

Die Corona-Krise schlägt ein riesiges Loch in den Herner Haushalt. Die Millionenverluste durch die Pandemie standen im Mittelpunkt der Ratssitzung am Dienstag. Es war die erste seit dem Lockdown, und durchgeführt wurde sie im Kulturzentrum, damit die Stadtverordneten die Abstandsregelungen einhalten konnten.

50 bis 80 Millionen Euro – so tief dürfte Herne nach einer Schätzung von Kämmerer Hans Werner Klee allein in diesem Jahr in die Miesen rutschen. Im vergangenen Jahr hatte sich der städtische Finanzchef noch über schwarze Zahlen gefreut, die durch Sparrunden und Finanzhilfen des Landes – Stichwort „Stärkungspakt“ – erreicht wurden. „Mit einem Federstrich“ seien die großen Kraftanstrengen der Stadtgesellschaft konterkariert worden, sagte Christian Dudda, Leiter des städtischen Fachbereichs Finanzsteuerung. Er berichtete dem Rat in Vertretung des Kämmerers über die desolate Finanzlage durch die Corona-Krise. „Uns droht ein Inferno“, sagte er am Rande der Sitzung zur WAZ. Herne, betonte Dudda, müsse deshalb dringend unter einen Rettungsschirm von Bund und Land.

Stadt rechnet mit 50 Prozent weniger Gewerbesteuern

Er berichtete über die finanzielle Lage der Stadt: Christian Dudda, Leiter des städtischen Fachbereichs Finanzsteuerung.
Er berichtete über die finanzielle Lage der Stadt: Christian Dudda, Leiter des städtischen Fachbereichs Finanzsteuerung. © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Beispiele für den Einbruch: die Gewerbesteuer etwa, die zu den wichtigsten Steuerquellen gehört. Durch Corona nehmen viele Unternehmen nun deutlich weniger Geld ein, Menschen sind in Kurzarbeit. Das Rathaus rechnet deshalb mit rund 50 Prozent weniger Gewerbesteuer-Einnahmen allein in diesem Jahr – ein Minus für die Stadt von allein 23 Millionen Euro. Und im nächsten Jahr, so Dudda, drohten weitere Löcher, nicht zuletzt durch die so genannten Schlüsselzuweisungen des Landes, die durch die Steuereinbrüche etwa in der Körperschafts- oder Umsatzsteuer „dramatisch zusammenbrechen“ könnten. Nicht zuletzt drohten auch den städtischen Töchtern, darunter HCR oder der Bädern, massive Einbußen. Kurz: „An allen Stellen lodert es.“

Stellt sich die Frage: „Wer zahlt die Zeche?“, fragt der Leiter der städtischen Finanzsteuerung im WAZ-Gespräch – und gibt die Antwort gleich mit: Bund und Land seien gefordert, sie müssten die Kommunen – „Orte von besonderer Systemrelevanz“ – stützen. Sonst, sagt Dudda, sei das Gemeinwohl in Gefahr.

Für Diskussionen in der Herner Politik hat der Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) vom Wochenende gesorgt, der einen Rettungsschirm für die Kommunen spannen will. Im Kern will Scholz den Kommunen die Altschulden abnehmen und die Gewerbesteuerverluste ausgleichen, Bund und Land sollen das Geld dafür gemeinsam aufbringen.

Keine Kita-Beiträge im April und Mai

Auf dem Programm des Rates standen am Dienstag allein im öffentlichen Teil 29 Tagesordnungspunkte. Das Gremium beschloss unter anderem außerdem, dass die Elternbeiträge und Verpflegungsentgelte für Kitas und die Tagespflege für die Monate April und Mai ausgesetzt werden – unabhängig davon, ob in diesem Zeitraum eine Notbetreuung in Anspruch genommen wurde. Dadurch gehen der Stadt nach eigenen Angaben rund 520.000 Euro pro Monat verloren. Das Land will die Hälfte der Kosten übernehmen.

Auch die Beiträge für die Musikschule wurden für den April nachträglich ausgesetzt. Minus für die Stadt: 60.000 Euro.

Grünes Licht gab der Rat auch für den Neubau einer Grundschule am Lackmanns Hof in Baukau. Dafür soll die Grundschule an der Forellstraße geschlossen werden. Nach Möglichkeit soll auch eine Turnhalle am neuen Standort errichtet werden. Bezogen werden soll die neue „Städtische Grundschule Lackmanns Hof“ bereits im Schuljahr 2021/22.

Nicht zuletzt: Die marode Grundschule an der Claudiusstraße in Wanne soll von Grund auf saniert und erweitert werden. Während der geplanten zweijährigen Bauphase soll sie ab dem kommenden Schuljahr 2020/2021 im Gebäude der ehemaligen Förderschule Astrid-Lindgren-Schule untergebracht werden; diese wurde zum Ende des Schuljahrs 2017/18 aufgelöst.

Den Weg freigemacht hat der Rat auch für 6 Millionen Euro für den Krisenstab der Stadt Herne. Bislang seien vor allem Schutzmasken mit dem Geld angeschafft worden. „Wir wissen nicht, was in der Corona-Pandemie noch alles auf uns zukommt“, sagte OB Frank Dudda. Wir den Mitteln könnten durch die Entscheidung weitere Investitionen getätigt werden.

Christian Dudda nennt den Vorschlag aus Berlin „einen richtigen Schritt in die richtige Richtung“. Herne habe über 540 Millionen Euro Schulden an Kassenkrediten aufgehäuft, diese mit einem Schlag loszuwerden, wäre ein „riesiger Schluck aus der Pulle“, sagte er im Rat. Aber: Die Finanzhilfe mit der Auflage zu verbinden, keine neuen Schulden zu machen, wäre in dieser Lage nicht umsetzbar, sagte er zur WAZ.

Fraktionen erarbeiten gemeinsame Resolution

Einige Stadtverordnete erschienen mit Maske. Im Bild: Sven Rickert (CDU).
Einige Stadtverordnete erschienen mit Maske. Im Bild: Sven Rickert (CDU). © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN

Bis zur nächsten Ratssitzung wollen die Gruppen und Fraktionen nun eine gemeinsame Resolution erarbeiten. Das Ziel: Der Rat der Stadt Herne appelliert an die Bundesregierung und die Landesregierung, einen „Corona-Schutzschirm“ für die Städte auf den Weg zu bringen. Der Vorstoß kam von den Linken, die zunächst eine eigene Resolution zur Abstimmung gebracht hatten. Andere Fraktionen kritisierten aber einzelne Punkte der Linken-Resolution und warben für eine gemeinsame. Tenor: Die Resolution hat mehr Gewicht, wenn sie von einer breiten Mehrheit getragen wird. Die Linken zogen daraufhin ihren Vorschlag zurück, nun soll besagtes gemeinsames Papier auf den Weg gebracht werden.

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