Herne. Wie kann der Radverkehr in Herne gestärkt werden? Eine Online-Befragung sollte dazu beitragen, dies zu ermitteln. Warum es daran Kritik gibt.

Beim Ziel gibt es (fast) Konsens in Politik und Verwaltung: Die Verkehrswende muss her. Und: Der Radverkehr soll in Herne gefördert und ausgebaut werden - auch zu Lasten von Autofahrern. Nun liegt das Ergebnis einer „Psychologischen Motivationsanalyse Radverkehr“ vor. Ganz frei übersetzt: Menschen äußerten sich zum Thema „Radfahren in Herne“. Die Analyse stieß in der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses auch auf Kritik.

Das Verfahren

Dezernent Karlheinz Friedrichs - hier bei einem früheren Pressegespräch - stellte mit Stadtmitarbeiter Jürgen Klein Altstedde Ergebnisse der Online-Befragung vor.
Dezernent Karlheinz Friedrichs - hier bei einem früheren Pressegespräch - stellte mit Stadtmitarbeiter Jürgen Klein Altstedde Ergebnisse der Online-Befragung vor. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die von der Professur für Verkehrspsychologie der Technischen Universität Dresden (TU) erstellte Analyse soll als Grundlage dienen für ein Radverkehrskonzept, das die Stadt bis etwa Anfang 2023 für ganz Herne entwickeln will. Anschließend soll auch noch ein Fußverkehrskonzept erarbeitet werden. „Richtig spannend“ werde es, so Verkehrsdezernent Karlheinz Friedrichs, wenn diese Frage beantwortet werden müsse: „Welche Verkehrsteilnehmer sollen welchen Raum erhalten?“

Die Befragung

Eine Onlinebefragung hat die TU Dresden durchgeführt, an der sich alle Herner Einwohner und in Herne Beschäftigte beteiligen konnten. Potenziale und Barrieren für die Radverkehrsnutzung galt es in der Analyse zu ermitteln. 1067 Menschen nahmen teil, davon sind 380 Nicht-Radfahrer. Ist die Rücklaufquote nicht zu gering? Die Stadt sagt: Nein. Angesichts dieser Zahl könne man von einer „repräsentativen Stichprobe“ sprechen, so Stadtsprecher Christoph Hüsken zur WAZ.

Die Ergebnisse

Neben zahlreichen anderen Faktoren ging es in der Befragung um eine Bewertung der insgesamt sechs verschiedenen Radverkehrsanlagen. Sowohl bei Radfahrern als auch bei Nicht-Radfahrern schnitt der Radfahrstreifen mit Parkstreifen links am besten ab (siehe Foto oben links), gefolgt vom Radweg (unten links) sowie dem Radfahrstreifen mit Parkstreifen rechts (oben rechts). Nur auf Platz 4: der Schutzstreifen (unten rechts), gemeinsam mit dem benutzungspflichtigen Geh-/Radweg und dem Gehweg/Radfahrer frei. Eine weitere Kategorie: die allgemeine Einstellung zur Radnutzung. Gesundheitsvorteile, Umweltschutz und Spaß am Fahren wurden besonders positiv gewertet. Negativbewertungen gab es dagegen bei den Kategorien „Sicherheit vor Raub und Diebstahl“ und „Sicherheit im Verkehr“.

Die Auffälligkeit

Teilt man Radfahrer in vier verschiedene Typen ein, so gibt es deutliche Unterschiede zwischen Herne und dem gesamten Bundesgebiet, so ein Ergebnis der TU-Analyse. Die Gruppe der sogenannten funktionellen Radfahrtypen - sie sind u.a. wetterabhängig, eher unsicher, seltener und auf kurzen Distanzen unterwegs - macht in Herne mit 50 Prozent die mit Abstand größte Gruppe, bundesweit aber nur 23 Prozent aus, heißt es. Eine Hauptaufgabe der Stadt müsse es sein, die Bedingungen so zu verbessern, dass insbesondere diese Gruppe verstärkt aufs Rad umsteige, so der städtische Verkehrsplaner Jürgen Klein Altstedde im Planungsausschuss.

Die Reaktionen

Rolf Ahrens (Grüne) kritisierte die „Motivationsanalyse Radverkehr“.
Rolf Ahrens (Grüne) kritisierte die „Motivationsanalyse Radverkehr“. © Grüne

Rolf Ahrens (Grüne) bezeichnete die Analyse im Ausschuss als wenig aussagekräftig: „Da steht nichts drin, was wir Radfahrer uns nicht auch hätten zusammenreimen können.“ Auch ein Besuch in fahrradfreundlichen Nachbarländern wie den Niederlanden hätte die gleichen Erkenntnisse geliefert. Herne müsse endlich eine einheitliche und nutzerfreundliche Radfahrstruktur schaffen, forderte er. Die derzeitigen Bedingungen seien „wenig motivierend“ - zum Beispiel wenn Radwege ständig durch Laternen oder Bushaltestellen unterbrochen würden oder Radwege tagelang nicht von Glasscherben befreit würden. Dezernent Karlheinz Friedrichs bezeichnete die (50.000 Euro teure) Analyse dagegen als gute Datenbasis für die Erarbeitung eines Radverkehrskonzepts: „Nun kann keiner sagen, wir hätten uns was ausgedacht.“

Drei Absagen aus Dresden

Die Analyse der Technischen Universität Dresden liegt der Stadt bereits seit acht Monaten vor. Die Präsentation durch die Verfasser ist bereits dreimal gescheitert, weshalb die Verwaltung der Politik die Ergebnisse nun selbst vorgestellt hat.

Zweimal hätten die Verfasser coronabedingt abgesagt, einmal „arbeitsbedingt“, berichtete Dezernent Karlheinz Friedrichs mit leicht kritischem Unterton im Planungsausschuss. Zum Vorwurf, dass die Stadt der Politik die umfangreiche Analyse längst hätte zur Verfügung stellen können, äußerte er sich nicht.