Herne. Die Corona-Krise hat in vielen Bereichen die Digitalisierung beschleunigt. Das macht sich auch bei der Rekrutierung von Auszubildenden bemerkbar.
Die Corona-Krise hat in vielen Arbeitsbereichen als Beschleuniger für die Digitalisierung gewirkt. Dazu gehört auch die Ausbildung: Unternehmen haben Vorstellungsgespräche per Skype oder mit anderen digitalen „Werkzeugen“ geführt. Doch es gibt auch Organisationen, die sich vor der Pandemie in die virtuelle Welt aufgemacht haben. So erfuhr die WAZ bereits im November von den Plänen der Ruhrgebiets-IHKs, eine virtuelle Ausbildungsmesse zu organisieren.
Am 5. und 6. November wollen die sechs Industrie- und Handelskammern im Revier die Veranstaltung unter der dem Titel „AzuBeYou“ auf die Beine stellen. Der Impuls für die Überlegungen: „Wenn die jungen Menschen wie selbstverständlich mit digitalen Instrumenten umgehen, dann kann man ihnen auch ein Informationsangebot rund um das Thema Ausbildung machen, ohne dass sie in Schulbussen durch die halbe Stadt oder das halbe Ruhrgebiet fahren müssen“, so Carsten Venghaus von der IHK Mittleres Ruhrgebiet.
Jede IHK im Ruhrgebiet soll 20 Unternehmen für die virtuelle Messe gewinnen
Zurzeit ist ein Dienstleister damit beschäftigt, die virtuelle Messehalle technisch vorzubereiten Dort könnten sich die Firmen mit digitalen Angeboten den Jugendlichen vorstellen. Das können elektronische Flyer sein, aber auch virtuelle Rundgänge durch das Unternehmen. Mitarbeiter der Unternehmen empfangen und begleiten die Besucher am jeweiligen Messestand. Um sich austauschen zu können, soll es Chats geben. Schüler können Fragen stellen, aber auch erste Kennlerngespräche sind damit möglich.
Jede Ruhrgebietskammer soll 20 Unternehmen für die Messe gewinnen, so dass sich 120 Firmen präsentieren können. Die Unternehmen müssen ihre Inhalte, die sie an ihren Messeständen zeigen wollen, selbst mitbringen. Zudem wird ein Messebeitrag zwischen 600 und 800 Euro fällig. Dafür erhalten sie auch technische Hilfestellung.
Elisabeth-Gruppe und Heitkamp haben erste Erfahrungen mit einer virtuellen Messe
Selbstverständlich wollen die Kammern auch an den Schulen Werbung für die Veranstaltung machen, damit es im virtuellen Raum ähnlich viel Gedränge gibt, wie bei echten Ausbildungsmessen. Ziel sei es, möglichst früh Gespräche in Gang zu bringen für Ausbildungsplätze, die 2021 vergeben werden, aber selbstverständlich kann die Messe auch in jenen Fällen hilfreich sein, in denen sich Betriebe erst spät in diesem Jahr doch entscheiden, einen Auszubildenden einzustellen. Die Kammern sehen die „AzuBeYou“ nicht als Instrument, das die bisherigen Formate ablöst, sondern ergänzt.
Erster bei der Umsetzung einer virtuellen Ausbildungsmesse werden die Kammern freilich nicht sein. So fand am 23. Juni bereits eine ähnliche Veranstaltung statt. So fand die Berufswahlmesse Parentum des Instituts für Talententwicklung wegen der bekannten Einschränkungen online statt. Aus Herne nahmen die St. Elisabeth-Gruppe und die Heitkamp-Unternehmensgruppe teil.
„In der aktuellen Situation war die Online-Ausbildungsmesse eine gute Option, um mit Ausbildungsinteressierten ins Gespräch zu kommen. Wir konnten durch dieses Angebot neue Kommunikationswege ausprobieren“, so Daniela Lobin, Sprecherin der Elisabeth-Gruppe. Ähnliches gelte für die Schüler, die in der Regel auch zum ersten Mal per Video-Chat mit Unternehmen in Kontakt gekommen seien.
Die Mitarbeiter der Elisabeth-Gruppe hätten hauptsächlich mit Schülern der 8. und 9. Klassen gesprochen, die sich alle sehr gut vorbereitet hätten. Bei der Online-Messe seien die Schüler spontan auf das Unternehmen zugekommen. „Bei der nächsten Online-Messe würden wir uns wünschen, dass Termine für die Gespräche vergeben werden“, so Lobin. Ihr Fazit fällt positiv aus: „Diese neue Form des Online-Angebots bereichert das Personalmarketing um einen weiteren Kommunikationskanal.“
Nicht ganz so positiv sieht es Sabine Füßmann von der Heitkamp-Unternehmensgruppe - weil die Resonanz ausgesprochen gering gewesen sei. Wobei dies nicht unbedingt an der Angebotsform, sondern an den Umständen gelegen haben könnte. Das gute Wetter an diesem Tag - kurz vor dem Beginn der Sommerferien - wird viele Jugendliche davon abgehalten haben, eine Onlinemesse zu besuchen. Doch für Heitkamp steht fest, dass die Digitalisierung bei der Gewinnung von Auszubildenden voranschreitet. im Unternehmen gibt es Überlegungen, Bewerbungen zum Beispiel per WhatsApp möglich zu machen.
Mit VR-Brillen in Berufs hineinschnuppern
Auch die Agentur für Arbeit treibt die Digitalisierung bei der Ausbildung voran. Seit Ende 2019 können junge Menschen im Berufsinformationszentrum (BIZ) an der Universitätsstraße in Bochum rund 70 Berufsbilder mit Hilfe von Virtual-Reality-Bildern kennenlernen.
Das heißt, der Betrachter kann in ein 360-Grad-Erlebnis eintauchen. So öffnen sich Türen zu Arbeitswelten, die ansonsten verschlossen bleiben oder nicht erreichbar sind - der Besuch auf einem Containerschiff ist in aller Regel nicht möglich. Agentur-Geschäftsführer Frank Neukirchen-Füsers: „Das ist Berufsorientierung zum Anfassen. Es fällt leichter, sich für einen bestimmten Beruf zu begeistern, wenn man sich eine konkrete Vorstellung machen kann. Mit der Nutzung der VR-Brillen gibt es eine zusätzliche Option.“
Gerade mit Blick auf Jugendliche könnten die VR-Brillen ein Impuls sein, um sich früher als bislang mit dem Thema Ausbildung zu beschäftigen. Die Erfahrung offenbare, dass Schüler dieses Thema häufig aufschieben.
Zwar musste das BIZ schon wenige Wochen nach dem Start das VR-Brillen-Angebot wegen der Corona-Krise auf Eis legen, doch die ersten Erfahrungen offenbarten, dass die Agentur auf dem richtigen Weg sei, so Sprecherin Anja Greiter. In den ersten beiden Monaten seien die Brillen bei den Schülern wirklich gut angekommen. Die Brillen weckten ein spielerisches Interesse am Thema Berufsberatung und dienten als gelungener Einstieg in die Thematik. So könne im wahrsten Sinne des Wortes das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden.
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