Herne. Die Emschergenossenschaft musste sich im Zuge der Ostbachverlegung mehrfach Kritik stellen. Nun hat sie ausführlich Stellung genommen.

Erst die Kritik an der Zahl der zu fällenden Bäume, dann der Streit um den beabsichtigten Wegfall eines beliebten Spazierwegs: Die Verlegung des Ostbachs hat in den vergangenen Wochen für reichlich Diskussionen gesorgt. Grund für die Emschergenossenschaft, das Projekt und seine Hintergründe zu erläutern. Und eine Zahl zu berichtigen.

Die Verlegung des Ostbachs sei nicht nur Teil des Generationenprojekts, die Bäche des Emschersystems zu renaturieren. Zugleich setze die Emschergenossenschaft auch die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union um, so Unternehmenssprecher Ilias Abawi im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Diese Richtlinie schreibe vor, dass alle Gewässer - so weit es eben geht - an die Oberfläche geholt werden müssen.

Der Ostbach ist einer der wenigen Bäche, die komplett verlegt werden

Auf seinem aktuellen Verlauf ist dies allerdings nicht möglich. Der Ostbach verschwindet nämlich am Hölkeskampring in einem Rohr, das die Herner Innenstadt unterirdisch durchquert. In der Vergangenheit habe man überlegt, den Bach auf dieser Trasse an Tageslicht zu holen, doch dies habe sich als zu teuer und zu zeitaufwendig herausgestellt. Also habe man sich entschlossen, den Ostbach in ein komplett neues Bett zu legen, so Projektleiter Ulrich Hermanns. Damit habe der Ostbach im Generationenprojekt Emscherumbau eine Sonderstellung. Er gehört zu den wenigen Gewässern, die nicht nur renaturiert, sondern auch gleich ganz verlegt werden.

Deshalb biege der Ostbach am Hölkeskampring nach Norden ab, unterquere ihn am Uhlenbruch, fließe durch den Stadtgarten, unterquere den Hölkeskampring weiter nördlich wieder und werde dann nach Osten zum Sodinger Bach geführt. Dies sei möglich, obwohl das Gelände nach Norden eigentlich ansteige.

Den bereits renaturierten Ostbach sieht man an einigen Stellen vor lauter Bäumen kaum.
Den bereits renaturierten Ostbach sieht man an einigen Stellen vor lauter Bäumen kaum. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die ersten Arbeiten haben begonnen. So hat Thyssengas eine Leitung, die dem neuen Bachverlauf im Weg war, verlegt. Auch dafür mussten Bäume weichen. Die Frage der zu fällenden Bäume hatte schon bei einer Bürgerversammlung zu Beginn des Jahres für Aufregung gesorgt. Hermanns selbst hatte seinerzeit von 200 Bäumen gesprochen, die der Säge zum Opfer fallen werden. „Da habe ich selbst ein Eigentor geschossen“, erklärt er nun freimütig im Gespräch mit der WAZ. Diese Zahl habe er genannt, weil er sich an dem Abend nicht an die konkrete Zahl habe erinnern können. Tatsächlich liege die Zahl bei 160 - wovon Ela schon die ersten umgekippt habe (daran sieht man, wie lange dieser Umbau geplant ist). Im Vorfeld seien von jedem Baum Art und Stammumfang ermittelt worden.

Projektleiter: Überirdischer Bach sorgt für Kühlung und Verdunstung und steigert die Lebensqualität

Hermanns betont, dass die Bäume keinesfalls leichtfertig gefällt würden. Man werde im Stadtgarten über jeden einzelnen Baum diskutieren, um zu schauen, ob er nicht doch stehen bleiben könne. So sei es durchaus möglich, dass es weniger als 160 werden. Natürlich falle es schwer, die Bäume abzusägen, so Hermanns. Doch er weist darauf hin, dass - abgesehen von Ausgleichspflanzungen an anderer Stelle - unter dem Strich im Laufe der kommenden Jahre viel mehr Grün entlang des Ostbachs entstehen werde.

Blaues Klassenzimmer am Otto-Hahn-Gymnasium

Im Zuge der Verlegung des Ostbachs erhält das nahe gelegene Otto-Hahn-Gymnasium ein „blaues Klassenzimmer“.

In diesem Freiluftklassenzimmer haben Schüler und Lehrer die Möglichkeit, sich zu setzen und einen anschaulichen Unterricht im Freien durchzuführen: Das blaue Klassenzimmer erhält Sitzreihen aus großen Steinen und ein steinernes Pult. An einer Stelle, an der sich der Bach staut, entsteht die Aue-Klasse mit Trittsteinen im Wasser und Sitzgelegenheiten.

Bisher gibt es blaue Klassenzimmer in Dortmund, Duisburg, Gladbeck und Recklinghausen.

Hermanns und Abawi weisen noch auf etwas anderes hin: Dadurch, dass der Ostbach ans Tageslicht geholt werde, sorge er nicht nur für Verdunstung und Kühlung, er steigere auch die Lebensqualität. Die Emschergenossenschaft habe verschiedene Wissenschaftskooperationen, die diesen Zusammenhang festgestellt haben.

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Zu der Kritik an den Baumfällungen erzählt Abawi noch eine besondere Anekdote: Wenn die Emschergenossenschaft die Bäche aus ihrem Betonbett befreit habe, überlasse sie die Renaturierung weitgehend der Natur selbst. Das heißt: Pflanzen siedeln sich von allein an, in rund zehn Jahren sei der Endzustand erreicht. Der kann dann so aussehen, dass man den Bach vor lauter Pflanzen nicht mehr sehr kann. Was dazu führe, dass die Emschergenossenschaft immer wieder Anrufe erhielte, bei denen Bürger darauf hinwiesen, dass das Grün doch mal wieder zurückgeschnitten werden müsse...