Herne. Vier Jahre hat die dunkelhäutige Anna Lappenküper in Amerika gelebt. Dort erfuhr sie weniger Rassismus als in ihrer Heimat. Wie sie damit umgeht.
Ihre Mama kommt aus Afrika, ihr Papa ist Deutscher. Schon als Kind erlebte Anna Lappenküper Rassismus in der Schule. Nun ist sie 22 Jahre alt, hat beim Herner TC in der 1. Bundesliga Basketball gespielt und vier Jahre in Amerika studiert. In vielen Lebensbereichen erfährt sie noch immer Rassismus in ihrem Alltag. Wie sie damit umgeht und wie sie zur Black-Lives-Matter-Bewegung steht, erzählt sie im WAZ-Interview.
Seit dem Tod von George Floyd ist eine weltweite Debatte über Rassismus entfacht. Haben auch Sie Rassismus in Deutschland und Amerika erlebt?
Anna Lappenküper: Leider ja. Ich glaube sogar in Deutschland mehr als in Amerika. Meine Mama kommt aus Afrika, mein Papa aus Deutschland. Wenn ich mit denen unterwegs bin, merke ich das schon deutlich. Die Leute behandeln meinen Papa ganz anders als meine Mama. In Deutschland ist es dann meistens nie so direkt - das passiert natürlich auch - aber meistens ist es eher ein unterschwelliger Rassismus.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Ich war mit meiner Mama shoppen und sie hat etwas anprobiert. Wegen Corona hatten wir natürlich Masken auf. Dann hat mich die Verkäuferin gefragt, ob ich ihre Schwester sei. Das passiert schon mal, das ist ja auch nichts Komisches. Ich habe ihr erklärt, dass ich die Tochter bin und dann meinte sie: ‘Ach das wusste ich nicht, manchmal ist das bei Ihnen so schwierig zu unterscheiden, weil Sie so dunkelhäutig sind.’ Das hätte sie sich sparen können. Aber solche Kleinigkeiten passieren häufig. Oder eine andere Situation: Wegen Corona durften wir nicht in den Hallen Basketball spielen, also spiele ich oft draußen. Da ist es auch schon häufig passiert, dass mich Leute auf Englisch ansprechen, weil sie denken, ich spreche kein Deutsch.
Und in Amerika haben Sie diesen Alltagsrassismus nicht so stark wahrgenommen?
Ich glaube, es kommt drauf an, in welchen Kreisen man sich bewegt. An meiner Uni beispielsweise waren viele Studenten aus anderen Ländern, viele aus Asien. Es kommt sehr darauf an, von wem man umgeben ist. Ich habe es selbst dort nicht so stark erfahren. Und das obwohl ich in einem republikanisch geprägten Staat gelebt habe.
Und wie ist die Situation im Sport? Erleben Sie dort Rassismus?
Aus meiner Perspektive ist es im Sport immer sehr fair. Vor allem weil wir ja nicht nur Deutsche im Team waren. Wir hatten in Herne beispielsweise Spielerinnen aus Amerika und Polen. Man wächst damit dann direkt auf, da ist es normal mit ausländischen Spielerinnen zusammenzuspielen. Es wird auch hauptsächlich Englisch gesprochen und so lernt man viel besser andere Kulturen kennen und weiß die dann viel mehr zu schätzen.
Verletzt es Sie, wenn Sie rassistische Sprüche hören?
Mittlerweile stört es mich nicht mehr so sehr wie früher. Ich werde nicht mehr so aufbrausend. Damals in der Schulzeit hat mich das echt fertig gemacht, denn zu der Zeit wurde ich an einer Schule stark gehänselt. Aber mit der Zeit lernt man damit umzugehen. Ich habe gelernt, dass es besser ist, wenn ich jemanden aufkläre, als dass ich mich darüber aufrege.
Wie klären Sie Leute in Ihrem Alltag auf?
Ich hatte vor Kurzem mit einer Freundin eine Diskussion, weil sie gesagt hat, dass ihr gar nicht so bewusst war, wie krass die Situation für schwarze Menschen wirklich ist. Sie meinte das überhaupt nicht böse. Aber sie selbst hat das eben noch nie erlebt und gerade deswegen ist es so wichtig, dass man viel darüber spricht, vor allem mit Menschen, die vielleicht gar nicht wissen, wie schlimm und belastend das ist.
Also unterstützen Sie die Black-Lives-Matter-Bewegung?
Ja, ich finde es cool, wie viele Menschen sich wirklich dafür einsetzen. Der Tod von George Floyd war jetzt einfach noch mal der Auslöser für die ganze Bewegung und ich finde es wirklich gut, dass sich auch vor allem junge Leute in Deutschland so stark dafür einsetzen.
Waren Sie auch auf einer Demo letzte Woche?
Ich war in Köln dabei. Da war es unglaublich voll. Die Veranstalter hatten mit 500 Menschen geplant und gekommen sind zwischen 7000 und 10.000. Das gibt ein sehr gutes Gefühl.
Was sagen Sie zu den radikalen Ausschreitungen in Amerika?
Ich kann einerseits schon verstehen, dass viele das Gefühl haben, sie werden einfach nicht gehört. Aber anderseits geht das in dieser Form natürlich nicht. Obwohl man dazu sagen muss, dass auch ganz viele Menschen nur friedlich demonstrieren. Es kommt ganz stark auf die Medien an, wie sie die Situation darstellen. In Deutschland kann man den Fernseher einschalten und weiß, dass man einigermaßen angemessene Nachrichten bekommt. In Amerika muss man wirklich schauen, welchen Nachrichtensender man guckt, weil die sehr einseitig sind. Es ist also immer eine Sache der Perspektive.
Wie erleben Ihre Freunde in Amerika die aktuelle Situation vor Ort?
Das ist unterschiedlich. Wegen Corona sind alle zuhause, in Fort Wayne, dem Ort in dem ich studiert habe, ist gerade keiner. Es gab auch dort eine kleine Demonstration. Aber da ist es etwas anderes, weil dort viele Republikaner wohnen, die sich nicht so einmischen und sich lieber raushalten.
Denken Sie, dass die Demonstrationen und die Bewegung lange anhalten wird oder dass in wenigen Wochen alles wieder abebbt?
Ich denke, dass seit dem Tod von Georg Floyd sich jetzt noch mal mehr Menschen mit dem Thema beschäftigen und dafür kämpfen. Gerade bei Instagram bekunden momentan sehr viele ihre Unterstützung, da ist es schwierig zu sagen, wer im Endeffekt wirklich dranbleibt und es nicht nur macht, weil es gerade alle machen. Aber für viele war es dennoch ein Weckruf, denke ich. Ich hoffe, dass es noch lange anhält und wir alle zusammen etwas bewegen und ändern können.