Herne. Eltern und Lehrer in Herne sind fassungslos über die Öffnung der Grundschulen ab dem 15. Juni. Sie sprechen von einem „Feldversuch“.
Mit Fassungslosigkeit und Entsetzen haben Eltern wie Lehrer die Entscheidung des NRW-Schulministeriums aufgenommen, das die Wiederaufnahme des Regelunterrichts ab dem 15. Juni verkündet hat. Zwei Wochen vor den Sommerferien sollen noch mal alle Schüler zurück in die Klassen – ohne Abstand.
Der Stadtverband der Lehrergewerkschaft GEW spricht von einem „rein taktischen, politischen Manöver, bei dem alle Grundschüler, ihre Angehörigen und die Lehrkräfte sowie deren Angehörige als ,Testballon’ in einen Feldversuch geschickt werden.“ Schließlich scheine der Abstand im Moment das Wichtigste zu sein im Kampf gegen das Virus, sagt Carsten Piechnik vom Vorstandsvorsitzenden-Team der GEW Herne gegenüber der WAZ. „Warum man den jetzt aufgibt, verstehe ich nicht.“
Regelbetrieb in Grundschulen zwei Wochen vor den Ferien
Die Öffnung der Grundschulen zwei Wochen vor Beginn der Sommerferien sieht der Vorstand der GEW als bewusst gewählt: „Man ordnet diese Maßnahme exakt für die letzten zehn Tage des Schuljahres an – bei allseits bekannter Inkubationszeit des Virus von 14 Tagen werden die sehr wahrscheinlich ansteigenden Fall- und auch Todeszahlen erst in den Ferien bekannt werden.“
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Zunächst habe bei der Corona-Pandemie niemand das Kindeswohl im Blick gehabt, als die Kinder wochenlang Zuhause waren. Dann sei es nur um die Prüfungen gegangen und nun sollten in der Schule nicht einmal die Vorsichtsmaßnahmen gelten wie im Supermarkt. „Die Fassungslosigkeit, die dahinter steckt, passt nicht in wenige Sätze“, so Piechnik.
Die GEW veröffentlicht in einem anonymisierten Brief eine Herner Grundschullehrerin, die „die ganze Nacht schlimme Träume“ habe, da sie bald mit 28 Schülern in einem Klassenraum sei und zwangsläufig „immer mittendrin sei anstatt Abstand zu halten“.
Schulpflegschaft richtet Brief an Ministerpräsident Laschet
Auch die Schulpflegschaft der Südschule wendet sich in einem offenen Brief mit einer klaren Forderung an Ministerpräsident Armin Laschet: „Heben Sie die Weisung der Schulministerin zur Wiederaufnahme des Grundschulunterrichtes unter Aufhebung des Abstandsgebotes am 15. Juni 2020 unverzüglich auf.“ Die Landesregierung warne selbst vor einer möglichen zweiten Infektionswelle mit dem Coronavirus und dringe auf die Einhaltung des Abstandsgebotes. Dieses für die Schulen aufzuheben sei ein Widerspruch.
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Der Herner Stadtelternrat würde eine Verschiebung der Grundschulöffnungen auf die Zeit nach den Sommerferien ebenfalls begrüßen. „Aber ich glaube kaum, dass wir da Chancen haben, den Landesvater umzustimmen“, sagt der Vorsitzende des Stadtelternrates, Andreas Gerdesmann. Die Landeselternschaft NRW hatte den Schritt des Schulministeriums begrüßt, um die Eltern zu entlasten. Auch Andreas Gerdesmann sieht diesen Vorteil für einige Familien. Aber: „Das Risiko wiegt die Vorteile nicht auf.“
Öffnung von Kitas und Grundschulen innerhalb einer Woche
Man müsse irgendwie den Weg aus der Krise finden und zurück zu einer Normalität, räumt Gerdesmann ein. Kritiker würde es zu jedem Zeitpunkt geben. Aber er hätte es begrüßt, wenn der Betrieb bis zu den Sommerferien so gelaufen wäre, wie sich nun Schulen und Eltern darauf eingestellt haben und man dann einen klaren Schnitt gemacht hätte.
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Gerade die doppelte Öffnung erst der Kitas und nun der Grundschulen mit nur einer Woche Abstand sieht er kritisch und fürchtet: „Wenn etwas schiefgeht, dann haben wir eine enorme Infektionswelle, die durch Geschwisterkinder in Schulen und Kitas für die Gesundheitsämter schwierig nachvollziehbar wird.“