Herne. Die Lage in Brasilien wird angesichts der Corona-Pandemie immer brisanter. Der Herner Matthias Makowski, der dort lebt, hat deshalb gehandelt.
Die Nachrichten wurden in den vergangenen Tagen von den Demonstrationen in den USA beherrscht. Damit gerät aus dem Blickfeld, dass auch in Brasilien die Lage immer brisanter wird. Die Zahl der Infizierten steigt weiter, landesweit gibt es Demonstrationen, die Angst vor einer Militärdiktatur wächst. Matthias Makowski, gebürtiger Herner und Leiter des Goethe-Instituts in Sao Paulo, hat auf Entwicklung reagiert: Seine Familie wird nach Deutschland fliegen.
„Das ist gut so“, kommentiert Makowski im Telefonat mit der Herner WAZ-Redaktion diese Entscheidung. Dass seine Frau und seine Kinder recht reibungslos das Land verlassen können, ist der Tatsache zu verdanken, dass Sao Paulo die einzige Stadt in Brasilien ist, die noch von der Lufthansa angeflogen wird. Der Flug für die Familie sei gebucht.
Eine Ausreise ist aber für andere Mitarbeiter der Goethe-Institute gar nicht so leicht. Nicht alle haben ein Basislager in der Heimat, wo sie in dieser Lage unterkommen können. Trotz der sich verschärfenden Lage traue sich Makowski noch auf die Straße, jeden Morgen drehe er seine Runde, um nach einem langen Spaziergang in einem kleinen Supermarkt Besorgungen zu machen. Den Rest der Zeit verbringe er in seiner Wohnung im Home Office in einer geschützten Siedlung. Überhaupt sei jetzt die Arbeit mit den lokalen Partnern besonders wichtig, weil im Windschatten der Corona-Pandemie die lokale Zivilgesellschaft unter besonderen Druck gerät, die jetzt auf die Solidarität aus dem Ausland angewiesen ist.
Makowski verbringt die meiste Zeit in seiner Wohnung in einer geschützten Siedlung
Mit Blick auf die Entwicklung der Corona-Infektionen sieht Makowski zwei große Probleme: In Brasilien komme jetzt der Winter. Der sei zwar nicht mit dem europäischen zu vergleichen, bringe aber auch Nachttemperaturen um zehn Grad. Außerdem sei es in Sao Paulo in vielen Stadtteilen kaum möglich, einen Sicherheitsabstand von zwei Metern einzuhalten. Im Großraum beispielsweise lebten rund 20 Millionen Menschen. Im Ruhrgebiet ist es die Hälfte auf einer Fläche, die dreimal so groß ist wie die brasilianische Metropole.
Hinzu kommt die mangelnde hygienische Infrastruktur in den Favelas, wo nicht selten vier Generationen in zwei Zimmern leben. Außerdem müssten die Menschen irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen. Es gebe Umfragen, die offenbarten, dass sich in Sao Paulo die Hälfte der Menschen nicht an die Abstandsregeln halten, in Rio de Janeiro sogar rund 70 Prozent nicht.
Fatal an der Situation in Brasilien sei, dass die Pandemie das Land in einer Phase erwischt habe, in der es nach einer schweren Wirtschaftskrise 2019 erste Zeichen der Erholung gegeben habe. Nun seien die Aussichten für das Land düster. Wie sich das auf die Macht des Präsidenten Jair Bolsonaro auswirke, bleibe abzuwarten.
Doch Matthias Makowski schaut nicht nur auf die Entwicklung in Brasilien. Da er für alle Goethe-Institute in Südamerika verantwortlich ist, hat er auch die anderen Staaten im Blick. Teilweise sei die Lage noch deutlich dramatischer. So würden in Venezuela Menschen verhungern.
Außenministerium hat das Goethe-Institut mit rund 70 Millionen Euro gerettet
Die Goethe-Institute, aber auch die Auslandsschulen, die Alexander von Humboldt-Stiftung und der Deutsche Akademische Auslandsdienst fallen in den Verantwortungsbereich von Michelle Müntefering, die im Auswärtigen Amt Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik ist. Gerade die Goethe-Institute habe die Krise hart getroffen, weil sie verschiedene Tests und Prüfungen nicht mehr anbieten können und so Einnahmen verlören. Etwa 70 Millionen Euro habe das Auswärtige Amt mobilisiert, um die Goethe-Institute zu retten, mit einer vergleichbaren Summe habe man die Auslandsschulen gestützt. Das internationale Netzwerk dieser Organisationen sei ausgesprochen wichtig, so Müntefering im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.
Aber die Krise habe auch positive Dinge bewirkt. So seien Dinge entstanden wie die digitale Kinder-Uni oder Kulturama.digital, der globale Kulturkalender des Goethe-Instituts. Auch würden Mitarbeiter intensiv geschult, um Onlinekurse geben zu können.
Für Müntefering hat die Krise die soziale Ungleichheit noch verstärkt. Deutschland und Europa würden die Pandemie vergleichsweise gut bewältigen, doch auch viele Menschen in Deutschland und in Herne machten sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz, um die Betreuung ihrer Kinder oder die Pflege ihrer Eltern. In vielen Ländern sei die Situation allerdings oft noch einmal schlimmer. Dort stünden Menschen gar vor der Situation, ob sie verhungern oder sich der Gefahr aussetzen, an Covid-19 zu erkranken.