Herne. Gerade Trauernde sind nun in einer schrecklichen Situation. Pfarrer Kornelius Heering im Interview über Kirche und Seelsorge in der Corona-Krise.
Die Corona-Krise trifft auch die Gläubigen sehr: Kirchen sind dicht, Seelsorge findet, wenn überhaupt, nur eingeschränkt statt. Darüber sprach die WAZ über Skype mit Kornelius Heering, Pfarrer in der Kreuzkirchengemeinde in Herne-Mitte.
Ein Pfarrer in Homeoffice. Wie kann man sich das vorstellen?
Manches ist nicht neu, weil meine Arbeit ja immer auch schon zu Hause am Schreibtisch stattgefunden hat. Ein Büro habe ich ja nicht, deshalb erledige ich etwa die Vorbereitung von Predigten oder die Verwaltungsaufgaben zu Hause. Aber natürlich sind die Treffen mit den Menschen fast komplett weggebrochen.
Wie erleben Sie das?
Der Kontakt zu den Menschen fehlt. Unser Glaubensleben basiert viel auf Zusammenkommen – darauf, dass wir zusammen reden, singen, essen, feiern oder trauern. Vieles, was Kirche ausmacht, ist Beziehungsarbeit. Und die fällt weg. In der Kirche, in den Gottesdiensten oder bei der Seelsorge in den Altenheimen. Dabei haben die Menschen jetzt ein großes Bedürfnis, sich in der Corona-Krise persönlich auszutauschen.
Sind Telefongespräche oder Video-Schalten kein Ersatz?
Nicht wirklich. Wir nutzen natürlich diese Möglichkeiten, sie sind aber kein richtiger Ersatz. So etwa nicht die telefonischen Trauergespräche: Es ist so wichtig, bei den Trauernden zu Hause zu sein und mit ihnen ein persönliches Gespräch zu führen. Da sind ja auch oft Familienangehörige mit dabei. Bei den Gesprächen kann man auch mal eine Stille aushalten. Am Telefon weiß man nicht, ob die Verbindung abgebrochen wurde.
Wie erleben Sie Beerdigungen in der Corona-Krise?
Für die Trauernden ist das jetzt eine schreckliche Situation. Die Menschen sind in Trauer und müssen nahen Angehörigen sagen, dass sie nicht kommen dürfen, weil Beerdigungen im sehr kleinen Kreis stattfinden müssen. Glücklicherweise hat die Stadt die Beschränkungen etwas gelockert, es dürfen nun einige wenige Menschen mehr kommen – natürlich unter Einhaltung der Abstandsregeln. Außerdem findet kein Gottesdienst in der Trauerhalle statt. Und was mich angeht: Ich kann niemandem die Hand reichen, mein Beileid aussprechen und Gottes Segen wünschen – diese körperliche Berührung ist mir sehr wichtig. Alles wirkt deshalb sehr merkwürdig distanziert. Es fehlt einfach was. Deshalb laden wir Angehörige auch dazu ein, dass wir nach der Corona-Krise noch einmal Gedenkgottesdienste veranstalten können. Dabei können die Angehörigen auch persönliche Worte über den Verstorbenen sagen, oder wir spielen Musik, die er gehört hat.
Weil keine Gottesdienste stattfinden dürfen, hat die Kreuzkirchengemeinde ab Mitte März als eine der ersten Gemeinden Video-Gottesdienste produziert, die wöchentlich auf Youtube laufen. Wie sind Ihre Erfahrungen?
In der ersten Andacht sind die Klickzahlen durch die Decke gegangen, 1600 Menschen haben zugeschaut. Im Durchschnitt sind wir nun bei 300. Damit sind wir sehr zufrieden: An einem normalen Sonntag haben wir in unseren Gottesdiensten nicht so viele Besucher. Wir erreichen damit also Menschen, die wir sonst nicht erreichen. Deshalb wollen wir dieses Format, das wir in der Corona-Krise entdeckt haben, später beibehalten – nicht als Ersatz, aber als Ergänzung von Gottesdiensten. Und auch nicht im wöchentlichen Rhythmus, das ist wegen des hohen technischen Niveaus, das wir haben, nicht zu schaffen.
Die Kreuzkirche ist in der Corona-Krise komplett dicht. Warum?
Das fragen mich viele Menschen. Mir tut es auch weh, dass die Kirche geschlossen ist. Aber das Presbyterium hat den Ratschlag zur Reduzierung der Sozialkontakte sehr ernst genommen, und das ist auch richtig so. Wir wollen den Menschen keine Kontaktflächen bieten und die Gefahr, dass sich Menschen anstecken können, klein halten. Unsere Botschaft ist: Bleibt besser zu Hause. Sobald wieder Gottesdienste stattfinden, öffnen wir auch die Kirche wieder regelmäßig.
Studium in Mainz und Jerusalem
Kornelius Heering (35) ist neben Melanie Jansen und Katja Lueg einer von drei Pfarrern in der evangelischen Kreuzkirchengemeinde am Europaplatz. Sie hat rund 5000 Gemeindeglieder.
Er wurde in Iserlohn geboren und wuchs dort auf. Er studierte evangelische Theologie unter anderem in Mainz und Jerusalem. Seit 2017 ist er Pfarrer in Herne-Mitte. Heering ist verheiratet.
Die ersten Gottesdienste finden nun an diesem Wochenende statt. Bei Ihnen noch nicht?
Wir werden von Kirchenkreis und Landeskirche angehalten, in Ruhe abzuwarten. Das finde ich sehr vernünftig. Die Landeskirche muss schauen, auch in Gesprächen mit Virologen, wie ein Gottesdienst überhaupt stattfinden kann. Es ist ja schon die Frage aufgekommen, ob zum Beispiel gesungen werden darf. So eine Öffnung muss man klug überlegen und dabei auch schauen, was wichtig, ja elementar ist für einen Gottesdienst. Und wir in der Gemeinde müssen am Ende schauen, wie wir das Ganze umsetzen, damit sich niemand ansteckt. Ich rechne aber damit, dass wir noch im Mai mit Gottesdiensten starten können.
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