Herne. Bei einer Kontrolle sind in der Herner Suez-Anlage zum Teil erhebliche Mängel festgestellt worden. Die Bürgerinitiative fordert Aufklärung.

Die Bezirksregierung Arnsberg hat bei einer angekündigten Kontrolle in der Suez-Anlage an der Südstraße insgesamt sieben Mängel festgestellt - darunter "wiederkehrende Überschreitungen" des Grenzwertes für Stickoxid (NOx). Das Unternehmen hat die Mängel inzwischen behoben. Die Bürgerinitiative Dicke Luft spricht von einem Skandal und fordert weitere Aufklärung. Suez sieht dagegen keinen Anlass zur Aufregung.

Initiative spricht von Skandal

Die gesetzlich vorgeschriebene Umweltinspektion in der Boden- und Abfallbehandlungsanlage fand bereits im August statt, die Ergebnisse sind aber erst jetzt bekannt geworden. Neben vier "geringfügigen Mängeln" führten die Kontrolleure auch drei "erhebliche Mängel" auf. Neben der Überschreitungen des NOx-Grenzwertes waren dies fehlende Funktionsprüfungen von Messeinrichtungen. "Schwerwiegende Mängel" - die höchste Stufe in Umweltinspektionen - wurden bei Suez nicht ermittelt.

Die Grenzwertüberschreitungen sind für BI-Sprecher Gerhard Kalus "ein Skandal". Er verweist darauf, dass die Bezirksregierung Suez bei den Stickoxidwerten ja bereits eine "großzügige Ausnahme" gewähre. Statt der erlaubten 200 Mikrogramm pro Kubikmeter darf die Herner Anlage - zumindest noch bis 2022 (siehe unten) - 400 Mikrogramm pro Kubikmeter ausstoßen. "Man mag es kaum glauben, dass dieser um 100 Prozent höhere Grenzwert sogar noch überschritten wird", so Kalus.

Fragenkatalog an die Bezirksregierung

Nicht glauben kann die Bürgerinitiative zudem, dass es diesen und auch weitere Missstände nicht schon in früheren Jahren gegeben habe. Bei bisherigen Umweltinspektionen seien von Arnsberg keine Mängel aufgelistet worden, so Kalus. Er führt das aktuelle Untersuchungsergebnis vor allem darauf zurück, dass die Bezirksregierung aufgrund des Widerstands aus der Bevölkerung und des Drucks der Öffentlichkeit bei Suez inzwischen etwas genauer hinschaut.

Bei dieser Theorie will es die Initiative aber nicht bewenden lassen: Auf Grundlage des Umweltinformationsgesetzes hat Kalus der Arnsberger Aufsichtsbehörde aktuell einen Katalog mit 13 konkreten Fragen zur Umweltinspektion übermittelt. So will die BI unter anderem wissen, wie hoch der maximal gemessene NOx-Wert war und warum Suez so großzügige Fristen bei der Behebung einiger Mängel eingeräumt worden seien.

Suez verweist auf "Interpretationsspielraum"

Was sagt Suez? "Das Wesentliche an diesem Bericht ist aus unserer Sicht, dass die von der Bezirksregierung festgestellten Mängel von uns abgestellt worden sind", erklärt Theodor Bonkhofer, seit Juni 2019 Geschäftsführer der Herner Anlage, auf Anfrage der WAZ. Und: Einige aufgeführten Mängel seien darauf zurückzuführen, dass es einen Interpretationsspielraum gebe. Bonkhofer verweist zudem darauf, dass der NOx-Ausstoß von Suez an der Südstraße aufgrund der geringen Mengen "kaum relevant ist".

Unbestritten ist: Die Bezirksregierung hat bei der Genehmigung der Suez-Erweiterung im Jahr 2018 - der Umweltverband BUND hat dagegen geklagt - angewiesen, dass die Anlage ab 2022 den Stickoxid-Grenzwert nicht mehr überschreiten darf. Das Unternehmen hatte zuvor immer (erfolgreich) in Arnsberg geltend gemacht, dass die Errichtung einer Entstickungsanlage aus finanziellen Gründen nicht zumutbar sei. Umso überraschter war die Bürgerinitiative, dass Suez bereits Ende 2019 den Antrag auf Installation einer Rauchgasentstickungsanlage an der Südstraße gestellt hat, um dadurch die Stickoxidemissionen "schnellstmöglich" deutlich senken zu können.

Dass die NOx-Emissionen nicht das größte Problem der Herner Anlage ist, weiß auch Gerd Kalus. In der jüngst vorgelegten Zwei-Jahres-Bilanz der Bürgerinitiative begrüßte er grundsätzlich die vorzeitige Errichtung einer Rauchgasentstickungsanlage. Aber: "Die viel gefährlicheren Schadstoffe aus den Sonderabfällen" würden dadurch an der Südstraße nicht verhindert, so der BI-Sprecher.

Info: Stickoxide

>>> Stickoxide (Stickstoffdioxide) können nach Aussage des Umweltbundesamtes zu "einer Vielzahl von negativen Umweltwirkungen führen".

>>> Sie entstünden als Produkte unerwünschter Nebenreaktionen bei Verbrennungsprozessen. Hauptquellen seien der Straßenverkehr und Feuerungsanlagen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle.

>>> In der Umwelt vorkommende Stickstoffdioxid-Konzentrationen seien vor allem für Asthmatiker ein Problem, so die Bundesbehörde. Und: Stickoxide könnten Pflanzen schädigen.

>>> Zum Schutz der menschlichen Gesundheit sei europaweit für Stickstoffdioxid der 1-Stunden-Grenzwert von 200 Mikrogramm pro Kubikmeter festgelegt worden, erklärt das Umweltbundesamt. Dieser dürfe nicht öfter als 18-mal im Kalenderjahr überschritten werden.

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