herne. . Gerhard Kalus kämpft mit der Bürgerinitiative Dicke Luft gegen die Suez-Erweiterung. Das Rüstzeug holte sich der 62-Jährige einst im Bergbau.
1986 ist der Elektrosteiger Gerhard Kalus mit seiner Frau und den beiden Söhnen (2 und 4) vom Wanner Markt zur Dorstener Straße gezogen. Dass in den 90er-Jahren in knapp 300 Metern Entfernung an der Südstraße eine „Bodenaufbereitungsanlage“ errichtet wurde, hat er durchaus wahrgenommen – konnte er das Firmengelände doch damals von seinem Wohnzimmerfenster aus sehen. „Ich habe mir aber nichts dabei gedacht.“
Der Standort lag später sogar auf seiner Route der regelmäßigen Spaziergänge mit dem Enkelkind. „2017 hat es dann ,klick’ gemacht, als Suez die Erweiterung der Anlage beantragte“, berichtet der 62-Jährige. Er habe sich in die Materie eingearbeitet und schnell erkannt, dass die Anlage vor seiner Haustür mit der Behandlung giftiger Böden und Abfälle alles andere als harmlos sei. „Das hat mir den Schlaf geraubt.“ Eine neuerliche Erweiterung - die 22. - sei aufgrund der hohen Belastungen in Herne nicht hinnehmbar, so seine Entscheidung.
Freude über Ratsresolution gegen Suez-Erweiterung
Getreu seinem Motto „entweder ich mache etwas richtig oder gar nicht“ ging er in die Offensive. Die Hartnäckigkeit habe er im Bergbau und unter Tage gelernt: „Das war ein knallhartes Geschäft. Wenn man dort nicht die Ärmel hochkrempelte und die Ellbogen einsetzte, ging man unter“, sagt der Rentner.
Als Sprecher ist Kalus heute so etwas wie ein, wenn nicht gar das Gesicht der 2017 gegründeten Bürgerinitiative Dicke Luft. Mehrere Stunden täglich verbringt er mit dem Studium komplexer Dokumente über giftige Abfälle wie beispielsweise der „Verordnung Nr. 1013/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Verbringung von Abfällen“. Von den Behörden und insbesondere der für Suez zuständigen Bezirksregierung Arnsberg erfahre die BI keine Unterstützung. „Man gewinnt den Eindruck, dass die Bezirksregierung nicht für den Bürger da ist, sondern für Unternehmen.“ Auch die Stadt sei bisher zu passiv gewesen und habe bei den Genehmigungsverfahren immer alles nur durchgewinkt.
Bei allem Ärger und Widerständen gebe es aber auch Erfolgserlebnisse, berichtet der gebürtige Wanne-Eickeler. Zum Beispiel, als sich der Rat der Stadt im Februar einstimmig in einer Resolution gegen die Suez-Erweiterung ausgesprochen habe. „Das war ein schöner Tag.“ Mit diesem Beschluss allein sei es aber nicht getan. Von der SPD und der CDU würde er sich mehr aktive Unterstützung wünschen, sagt der parteilose Herner, der früher SPD-Granden wie Brandt und Wehner schätzte.
Unterstützung aus der Bevölkerung
Auch das Votum des BUND-Landesverbandes für rechtliche Schritte gegen die Erweiterung der Verbrennungsanlage - die BI ist nicht klageberechtigt - sei ein besonderes Ereignis gewesen. Und nicht zuletzt freue er sich über Unterstützung aus der Bevölkerung und Einzelspenden zur Unterstützung der BUND-Klage.
Im Gegenzug beklagt Kalus, dass zu viele Menschen mit Gleichgültigkeit auf ihren Einsatz reagierten. Das ärgere ihn, ändere aber nichts an seiner Motivation: „Wir werden einen langen Atem haben“, kündigt der Hobby-Läufer an.
>> INFO: Zur Person
Als Elektrosteiger war der gebürtige Wanne-Eickeler Gerhard Kalus bei der Firma Thyssen Schachtbau beschäftigt. So arbeitete er unter anderem für jeweils zehn Jahre auf den Zechen Lohberg (Dinslaken) und Niederberg (Neukirchen-Vluyn).
2006 trat er den Vorruhestand an. Bis 2016 war Gerhard Kalus noch in Teilzeit als Haustechniker beim Seniorenzentrum Curanum in Eickel angestellt. Er ist verheiratet und hat zwei Söhne und zwei Enkelkinder.