Herne. Herne entwickelt sich zur Hochburg für Syrer. Nun leben schon über 5000 Menschen aus dem Bürgerkriegsland in der Stadt. Klappt die Integration?

Fünf Jahre ist es her, dass die Flüchtlingszahlen in Deutschland explodierten. Immer mehr Menschen kamen ins Land, Hunderte, bald Tausende auch nach Herne, ein großer Teil aus Syrien. „Wir schaffen das“, lautete im Sommer 2015 der berühmte Satz von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Hat Herne das geschafft? „Wir sind auf einem guten Weg“, bilanziert Claudia Heinrich, Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums.

Herne: OB Dudda sprach von einer „dramatischen Lage“

Im Juli 2015 wurden Flüchtlinge sogar in einem Notlager auf einem Ascheplatz im Sportpark Wanne-Süd untergebracht.
Im Juli 2015 wurden Flüchtlinge sogar in einem Notlager auf einem Ascheplatz im Sportpark Wanne-Süd untergebracht. © Ralph Bodemer / FUNKE Foto Services

Kurze Rückschau: Als Frank Dudda, frischgebackener Oberbürgermeister, im Herbst 2015 seinen Posten als Rathauschef antrat, hatte die „Flüchtlingswelle“ gerade ihren Höhepunkt erreicht. Immer mehr Notlager richtete die Stadtverwaltung ein, darunter in vielen Sporthallen, ja sogar eine Zeltstadt auf einem Ascheplatz im Sportpark Wanne-Süd war aus dem Boden gestampft worden. „Die Flüchtlingswelle überschwemmt uns alle, man kann das nicht anders sagen“, stellte Hernes Sozialdezernent Johannes Chudziak fest. Und Oberbürgermeister Dudda sprach von einer „dramatischen Lage“ in Herne – und richtete einen Appell an die Bürger mitzuhelfen, diese in den Griff zu bekommen.

Herne habe die Lage in den Griff bekommen, mehr noch: Herne sei es gelungen, die Menschen nicht nur aufzunehmen, sondern weitgehend zu integrieren, sagt Claudia Heinrich, die Chefin des Kommunalen Integrationsbüros. Dass es noch an vielen Ecken hakt, ja noch manche Probleme gibt, will sie nicht verhehlen. Sie stellt aber klar: „Herne hat sich gut aufgestellt.“ Flüchtlinge fänden längst eine breite Unterstützung in der Stadt und wichtig: Die überwiegende Mehrheit nehme die Unterstützung auch an. „Die Menschen sind bereit, sich einzubringen und zu integrieren“, sagt Heinrich.

Herne ist heute „Hochburg“ für Syrer

Sie leitet das Kommunale Integrationsbüro in Herne: Claudia Heinrich.
Sie leitet das Kommunale Integrationsbüro in Herne: Claudia Heinrich. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Zwei Drittel der Flüchtlinge kamen aus Syrien. Anfang 2017 lebten in Herne über 3700 Geflüchtete, viele in Notunterkünften, 2375 allein aus dem Bürgerkriegsland. Der große Zuzug aus Syrien blieb nicht ohne Konsequenzen: Herne hat sich heute als „Hochburg“ für Syrer entwickelt. Mittlerweile, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken, lebten über 5400 Syrer in der Stadt, fast 1000 mehr als noch vor einem Jahr. Nach den Türken (9544 Menschen) bildeten sie nun die zweitgrößte ausländische Gruppe, gefolgt von Rumänen (rund 2520) und Polen (rund 2100).

Mit dem Ende der „Wohnsitzauflage“ – sie legte fest, das Flüchtlinge, die Sozialleistungen beziehen, ihren Wohnsitz nicht frei wählen durften – habe es viele Syrer dorthin gezogen, wo es viele Landsleute gebe. Etwa nach Herne. Unter sich fühlten sie sich besser vernetzt, Informationen flössen schneller, erklärt Heinrich. So lebten nun viele Großfamilien in Herne.

Dass viele Syrer nach Herne kamen und noch immer kommen, bereite der Stadt keine nennenswerten Probleme. Es sei aber eine Herausforderung, sagt Natalia Weidenbach, Integrationsscout im Kommunalen Integrationsbüro. 853 Syrer von knapp 1200 Flüchtlingen hätten 2016 an Integrationskursen teilgenommen, 2019 im ersten Halbjahr nur noch 64. Hinzugekommen seien unzählige Beratungen, etwa rund ums Thema Wohnen in Deutschland, Job und Arbeit, die Verwaltung habe sich dazu gut vernetzt.

Viele Kraftakte zur Integration hat es gegeben

Aktuell 570 Asylbewerber in der Stadt

Die Flüchtlingszahlen sind längst stark gesunken. Rund 570 Asylbewerber leben in der Stadt. Mit der Aufnahme zusätzlicher Asylbewerber rechnet die Stadt aktuell nicht.

Nicht nur wegen der geschlossenen Grenzen: Herne habe das nach einem Schlüssel errechnete Aufnahmesoll derzeit übererfüllt, sagte Brigitte Bartels, Leiterin des Fachbereichs Soziales, Ende März der WAZ.

Wenn die Stadt sagt, dass die Integration der Menschen auf einem guten Weg sei, dann verweist sie auf die vielen Kraftakte, die etwa an Schulen geleistet worden seien, in der Wohnungswirtschaft oder bei Qualifizierungsmaßnahmen. Abgeschlossen sei die Integration aber noch lange nicht. Schulen bräuchten mehr Unterstützung, etwa durch Sozialarbeiter.

Und ein großes Problem sei nach wie vor der Spracherwerb. „Wenn die Syrer unter sich sind, lernen sie weniger Deutsch“, sagt Integrationsscout Natalia Weidenbach. Außerdem blieben viele Frauen auf der Strecke, weil sie auf Kinder aufpassen müssten, statt zu einem Deutschkurs gehen zu können. Mehr Kitaplätze täten Not. „Die Sprache ist das A und O“, stellt Claudia Heinrich klar. Ohne sie fänden die Menschen keine Arbeit, die Integration leide.

Womit wir wieder am Anfang sind, auch bei den Worten der Kanzlerin. „Wir müssen das schaffen“, sagt Claudia Heinrich, die Leiterin des Kommunalen Integrationszentrums. Trotz aller Bemühungen und auch Erfolge müsse noch viel Arbeit in die Integration gesteckt werden: „Integration hört nie auf.“

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