Herne. Die vor einem Monat eingeführte Bon-Pflicht stößt bei den Händlern in Herne auf massive Kritik. Bäckerei Brinker führt nun ein neues System ein.

Ein Brötchen für 20 Cent, eine Kugel Eis für einen Euro oder eine Schale Erdbeeren für drei Euro. Für solche kleinen Beträge haben bis vor einem Monat Verkäufer nur selten einen Bon herausgegeben. Seit dem 1. Januar ist das anders: Jeder Händler ist verpflichtet, den Kunden einen Bon zu geben.

Für die Gewerbetreibenden in Herne bedeutet das nicht nur mehr Arbeit, sondern auch mehr Müll. Denn nur die wenigstens Kunden nehmen den Bon mit. „Sie lassen ihn einfach auf der Theke liegen, und wir packen ihn dann in einen großen blauen Müllsack“, sagt Brinker-Mitarbeiterin Jennifer Wilk. Bereits um 9 Uhr morgens ist dieser gut gefüllt. Am Ende des Tages ist er voll.

Fünf Rollen Bon-Thermopapier verbraucht die Bäckerei-Filiale etwa in der Woche, so Wilk. „Von einer Rolle bekommen wir etwa 1000 Bons“, schätzt sie. „Das ist doch reine Papierverschwendung und Umweltverschmutzung“, sagt Kunde Andreas Karb. Auch er lässt den Bon normalerweise auf der Theke zurück.

Kunden können QR-Code scannen für ihren Bon

Steuerhinterziehung soll verhindert werden

Mit der Bon-Pflicht, die im Januar in Kraft getreten ist, soll Steuerhinterziehung verhindert werden. So sollen Händler und Gastronomen nicht mehr in der Lage sein, die vom Kunden kassierte Umsatzsteuer zu behalten und nicht an den Staat weiterzugeben.

Jedes Jahr würde den Finanzämtern dadurch geschätzt zehn Milliarden Euro entgehen. „Dafür werden Kassen manipuliert, Umsätze nicht richtig verbucht oder später wieder ausgebucht. Das kann sich unser Land nicht gefallen lassen“, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Ende letzten Jahres.

Doch das soll zumindest bei der Bäckerei Brinker nun vorerst ein Ende haben. Noch in dieser Woche soll in der Filiale am Robert-Brauner-Platz ein neues System eingeführt werden, das den Bon-Verbrauch reduzieren wird, erklärt Christian Goeckler, Marketing-Abteilungsleiter bei Brinker. Dann können sich Kunden ihren Bon über einen QR-Code elektronisch auf ihrem Handy anzeigen lassen. „Sobald die Kunden bezahlt haben, schließen die Verkäuferinnen den Bon ab und auf einem Monitor an der Kasse erscheint der Code, der dann vom Kunden mit dem Handy abgescannt werden kann“, so Goeckler. „Auf einer Online-Seite können sie sich dann ihren Bon anzeigen lassen.“

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Auf Wunsch könne jedoch trotzdem noch ein Bon ausgedruckt werden, erklärt Goeckler. Mit dem neuen System will die Bäckerei den Müll-Bergen die Stirn bieten. „Jede Bäckerei wollte ja diesem neuen System entgehen. Der QR-Code könnte die Lösung sein“, so Goeckler.

Mehr Plastik und mehr Kosten

Auch andere Bäcker in der Stadt sind über den zunehmenden Müll verärgert. „So gut wie kein Kunde nimmt den Bon mit, also verschwindet er in einem Müllbeutel, der direkt unter der Kasse angebracht ist“, sagt Bäckermeister Marc Sponheuer. Die Verkäufer und Kunde seien sich einig: „Die Bon-Pflicht muss wieder weg.“

"Die Bon-Pflicht ist unmöglich“, sagt Schuster Wilfried Schröder. © FFS | Alexa Kuszlik

„Das ist doch alles ein Witz“, sagt auch Schuhmachermeister Wilfried Schröder, der seit 45 Jahren seinen Betrieb auf der Mont-Cenis-Straße führt. Maximal zwei Prozent seiner Kunden fragten nach einem Bon. „Alle reden von Umweltschutz – und dann kommt sowas“, sagt der Herner verärgert. Zudem habe er zusätzliche Kosten. Denn nun brauche er doppelt so viele Rollen. Die Kosten für eine Rolle schätzt er auf etwa 2,50 Euro. Jede einzelne ist in Plastik eingepackt, in der Mitte befindet sich ein Plastikring. „Wir verschmutzen unsere Welt immer mehr.“

Händler müssen sich noch an die Pflicht gewöhnen

„Nichts neues“ ist die Bon-Pflicht hingegen für Eisdielen-Besitzer Niko. Seit Jahren liegt bei jedem Eis und jedem Kaffee ein Bon mit auf den kleinen silbernen Tabletts im „Dolce Vita“. „Nur bei den einzelnen Kugeln an der Theke geben wir den Bon nicht mit raus, das hat sich auch seit Januar nicht geändert“, sagt er. Gerade im Sommer würde das viel zu viel Zeit kosten, erklärt Niko. „Wenn hier 30 Leute anstehen, kann ich nicht jedem noch einen Bon geben.“

Manche Händler haben sich auch nach einem Monat noch nicht an die Bon-Pflicht gewöhnt. „Ganz oft vergesse ich, den Bon anzubieten oder mitzugeben“, gesteht Heike Prella. Seit 14 Jahren steht sie mit ihrem Obst- und Gemüsestand auf der Bahnhofstraße in Herne. „Nach all den Jahren muss ich mich da wirklich erstmal dran gewöhnen.“ Am Tag gebe sie maximal ein bis zwei Bons raus, sagt sie. Wenn ein Kunde ihn haben wolle, dann meistens nur, weil er dann im nächsten Geschäft weitereinkaufen gehe und dann den Bon als Beleg vorzeigen könne. Prellas Wunsch: „Es wäre doch schöner, wenn es so wie früher wäre.“

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