Ruhrgebiet. Seit dem 1. Januar gilt die Belegausgabepflicht. Jeder Händler muss jedem Kunden beim Einkauf einen Bon geben. So lief der erste Werktag.

Es ist die Frage des Tages im Revier. „Brauchen sie den Zettel“, sagen sie seit Donnerstag beim Bäcker und beim Metzger und oft sogar auf dem Wochenmarkt. „Belegausgabepflicht“ heißt das im Bürokratendeutsch. Will sagen: Jeder Händler mit elektronischem Kassensystem muss jedem Kunden beim Einkauf einen Bon geben. Das soll

Steuerbetrug im Einzelhandel einzudämmen.

Übergangsregelungen noch bis zum September

Im Vorfeld war der Aufschrei groß. Viele Händler sahen sich in ihrer Existenz bedroht, Umweltschützer sprachen von Verschwendung. Am ersten Werktag, an dem die neue Regelung gilt, ist die Aufregung allerdings gering. Und das liegt nicht nur daran, dass bis zum September noch

gelten.

IBon zum Brötchen? In der Dortmunder Bäckerei Fischer am Rathaus“ schon lange eine Selbstverständlichkeit.
IBon zum Brötchen? In der Dortmunder Bäckerei Fischer am Rathaus“ schon lange eine Selbstverständlichkeit. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Es ist die wohl bekannteste Bäckerei in Dortmund. Auch am Donnerstag ist der Andrang bei „Fischer am Rathaus“ wieder groß. Mit flinken Händen packen die Verkäuferinnen die Backwaren in die Tüten oder die mitgebrachten Stoffbeutel, legen die Ware auf den Tresen und den Bon gleich daneben. „Für uns“ sagt Chefin Christa Fischer, „hat sich eigentlich nichts geändert am 1. Januar.“

Kunden haben wenig Verständnis für neue Regelung

Denn das Familienunternehmen ist technisch auf dem aktuellsten Stand. „Wir haben bereits vor längerer Zeit neue Kassen angeschafft“, sagt Fischer. Kein Problem also, dem Kunden den Bon über die Theke zu schieben. „Manche nehmen ihn, manche lassen ihn liegen“, weiß die Chefin. Und: Viele von denen, die ihn mitnehmen, entsorgen ihn draußen diskret im Papierkorb. Wo er, weil er aus Thermopapier besteht, allerdings eigentlich gar nicht hingehört.

Kaum einer, der hier einkauft, kann die neue Regelung verstehen. „Quatsch“, nennt sie Monika Wragge, und ihr Ehemann Michael hält sie für „völlig überflüssig“. Andere Einschätzungen aus den Reihen der Kundschaft lauten. „Unsinn“, „Idiotie“, „Verschwendung von Ressourcen“ und „es wird immer schlimmer“. Christa Fischer sagt nur: „Wir halten uns ans Gesetz.“

Eine Mitnahmepflicht für Kassenbons gibt es nicht

Das tut Obsthändler Marco Ullrich auch. Gegen Mittag baut er seinen Stand auf dem Wochenmarkt in Aplerbeck ab und zieht Bilanz. Moderne Kassen hat er, wie die meisten professionellen Markthändler schon seit Jahren, „aber kaum einer fragt nach einem Bon“. Auch am ersten Markttag des neuen Jahres nicht. Muss ja auch niemand. „Eine Mitnahmepflicht für Kunden“, hat das Bundesfinanzministerium mehrfach klar gestellt, „gibt es nicht.“

Ullrich sammelt die Belege, die die Kunden nicht haben wollen und entsorgt sie fachgerecht. Ansonsten bleibt er gelassen. „Was soll ich mich aufregen? Ändern kann ich es ohnehin nicht mehr.“

Mancher Büdchenbetreiber ist verunsichert

Unsicherheit und Sorgen gibt es nur bei Büdchenbesitzern. „Eine neue Kasse kann ich mir nicht leisten“, sagt eine Betreiberin, während sie das Geld für zwei Flaschen Bier und ein Päckchen Tabak in eine Schublade stopft. Muss sie auch nicht. „Offene Ladenkassen, also Barkassen ohne jede technische Ausstattung“, bestätigt eine Sprecherin des Bundesfinanzministerium auf Anfrage, „sind weiterhin erlaubt.“

Nutzt man die, muss man zwar einen täglichen Kassenbericht führen, aber keine Belege ausstellen. Selbst wer eine elektronische Kasse besitzt, kann beim Finanzamt eine Befreiung von der Belegausgabepflicht beantragen, wenn „eine sachliche oder persönliche Härte besteht“. Viele Juristen sehen eine solche Härte, wenn man „eine Tüte Buntes für ‘nen Euro“ verkauft. Dem Finanzamt steht es allerdings frei, den Antrag abzulehnen.

Keine Bußgelder bei Verstößen

Tut es das, und der Händler gibt trotzdem keine Bons heraus, wird er deshalb nicht zur Kasse gebeten von den Behörden. „Der Verstoß gegen die Belegausgabepflicht ist nicht bußgeldbewehrt“, bestätigt das Bundesfinanzministerium. Allerdings dürften Verweigerer schnell ins Visier der Steuerfahnder geraten. Kein Bon, warnt das Ministerium, könne „als Indiz dafür gewertet werden, dass den Aufzeichnungspflichten nicht entsprochen wurde“