Herne. Am Montag rollten hunderte Traktoren durch das Ruhrgebiet. Die Bauern machten ihrem Ärger Luft. Heinz Böckmann erzählt, warum er mitfuhr.

Als am Montag Hunderte Bauern mit ihrem Protestkonvoi gegen die Landwirtschaftspolitik durch das Ruhrgebiet rollten, saßen auch zwei Landwirte aus Herne hinter dem Steuer ihres Traktors. Guido Backs und Heinz Böckmann. Letzterer schildert im Gespräch mit der WAZ-Redaktion die Wut der Bauern.

„Der deutschlandweite Protest richtet sich nicht alleine auf einzelne Maßnahmen wie zum Beispiel beim Pflanzenschutz oder der Düngung. Es ist die Summe der Maßnahmen, die in den letzten Jahren auf uns zugekommen sind“, sagt Böckmann - und wird dann deutlich: „Die Bauern haben die Schnauze voll, für alles alleine verantwortlich zu sein, was Umwelt und Tierschutz angeht. Wir fragen uns mittlerweile, für was sind wir eigentlich nicht verantwortlich?“

Gänsehaut, als die Menschen am Straßenrand applaudierten

Die Etappe von Essen nach Dortmund, die er mitgefahren sei, habe bei ihm Gänsehaut erzeugt, weil viele Menschen am Straßenrand gestanden und applaudiert hätten. Er habe nie geglaubt, dass sich die Bauern zu so einem breiten Protest zusammenraufen würden. Man spürt im Gespräch seine Begeisterung - aber auch seinen Ärger über immer neue Gesetzgebungen und Vorschriften, mit denen Bauern zu kämpfen hätten.

Heinz Böckmann in seinem Betrieb.
Heinz Böckmann in seinem Betrieb. © Archivfoto: Ralph Bodemer / WAZ FotoPool

Er selbst sei nicht so stark betroffen wie viele seiner Berufskollegen. Böckmann führt in Holthausen einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Direktvermarktung mit Mutterkuhhaltung und Mastschweinen. 2002 hatte er den Hof von seinem Vater übernommen. Die Tiere werden in Recklinghausen und Waltrop geschlachtet, in den betriebseigenen Räumen weiterverarbeitet und anschließend im Hofladen verkauft. Mit der Direktvermarktung hat er eine Nische besetzt, in der er gut existieren könne. Die Haltung seiner Tiere sei Bio-Standards sehr ähnlich, trotzdem sei er überzeugter konventioneller Bauer, er nutze auch Kunstdünger und Spritzmittel.

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Vorwurf: Politiker haben keine Ahnung von der Materie

Doch andere Bauern würden mit großen Problemen kämpfen. Wenn ihnen etwa in Zukunft untersagt würde, in bestimmten Bereichen fachgerecht zu düngen und ihre Pflanzen mit Pflanzenschutzmitteln zu behandeln - weil ein Gewässer an das betreffende Feld grenze -, komme dies faktisch einer Enteignung gleich, weil mit diesem Teil des Feldes kein Ertrag mehr erzielt werden könne. Und das, obwohl 2017 eine neue Düngeverordnung verabschiedet wurde, die aber jetzt erst ihre Wirkung entfalten könne. Böckmann: „Wir haben das Gefühl, dass Gesetze aus dem Bauch heraus entschieden werden und nicht nach wissenschaftlichen Erkenntnissen.“ Das ärgere ihn.

Außerdem gebe es eine verzerrte Wahrnehmung von vielen Dingen. So werde immer stärker biologisches Wirtschaften gefordert, bei dem auf den Einsatz von Spritzmitteln auf dem Feld verzichtet wird. Böckmann: „Ich zieh vor jedem Biobauern den Hut, der mit viel Aufwand seine Produkte erzeugt. Über den Erfolg der Bio-Produkte entscheiden aber nicht gewollte politische Vorgaben, sondern der Verbraucher.“ Außerdem: Bio-Bewirtschaftung erfordere deutlich mehr Maschineneinsatz, wie das Eggen gegen Unkräuter. Ob das gut für die Bodenlebewesen sei, bleibe dahingestellt.

Protest richtet sich gegen Agrarpaket

Der Protest richtet sich besonders gegen ein vom Kabinett beschlossenes Agrarpaket. Es sieht schärfere Vorgaben zum Insekten- und Umweltschutz und weitere Düngebeschränkungen zum Schutz des Grundwassers vor.

Die Bauern warnen vor einer Existenzgefährdung von Betrieben. Sie fordern von der Politik eine stärkere Einbeziehung bei neuen Umweltauflagen und wehren sich gegen „negative Stimmungsmache“ gegen ihre Branche.

Von den Protesten erhoffe er sich, dass man fair mit den Bauern umgeht. Doch wenn alle Pläne der Politik umgesetzt würden, werde es gerade Familienbetriebe noch schneller treffen und die Landwirtschaft noch industrieller.