Ruhrgebiet. Hunderte Traktoren blockierten Montag Straßen zwischen Wesel und Hamm. Bauern kamen in die Städte, um gegen immer neue Auflagen zu protestieren.
Zum Glück ist das Wintergetreide schon eingebracht, sonst könnten sie ja gar nicht hier sein, und auch die Trecker würden auf dem Feld gebraucht. So aber sind sie an diesem Montag auf der Straße: Hunderte Bauern aus dem ganzen Land mit schwerem landwirtschaftlichen Gerät, mit Reifen, bis zu zwei Meter hoch, in Wesel, Duisburg, Gladbeck und Kirchhellen, in Essen, Bochum, Dortmund und Hamm. Ein Traktor mal zehn Meter inklusive Sicherheitsabstand, rechnet die Polizei vor, die bis zum Abend ganze Straßenzüge sperren muss: Macht um die Mittagszeit mehr als zehn Kilometer Protestzug allein im Ruhrgebiet.
Die ganze Wut der Bauern passt dabei in eine Kiste: Die bringen sie auf ihrer Sternfahrt von Bonn nach Bielefeld und heute nach Berlin. „Da sind alle unsere Forderungen drin“, sagt die Landwirtin Christin Plett aus Geseke, sie hat am Morgen bis Dortmund viereinhalb Stunden gebraucht. 20 km/h im Schnitt, und auf dem Bock zieht’s. Von Osten, Westen, Süden her haben sie den Verkehr lahmgelegt und doch meist erhobene Daumen gesehen am Straßenrand. „Wir sollen...“, zählt sie auf, was in der Agrarreform der Bundesregierung steht, „wir müssen...“, „weniger Düngung, weniger Spritzmittel...“, aber: „Wir haben doch das Wissen, nicht irgendwelche Abgeordneten!“
Kleine Betriebe werden es nicht schaffen, fürchten die Bauern
Plett sagt, wenn alles so kommt, wie geplant, dann machen die Bauern künftig auf jedem Hektar bis zu 500 Euro Verlust. Und „kleine Betriebe, mit nur 50 Kühen, die schaffen das nicht, die machen in zwei, drei Jahren zu“. Und mit ihnen die Landmaschinen-Betriebe und die für Futtermittel und… Und dann sagt Christin Plett diesen Satz, den sie ganz oft sagen an diesem Tag, überall, wo sie kleine Kundgebungen halten: „Das ist schleichende Enteignung, was die Regierung mit uns macht.“
Rot und blau und grün sind die sechs Tonnen schweren Traktoren, in Essen am Beitz-Boulevard, in Düsseldorf an der Messe und in Dortmund am Stadion - bis 14 Uhr registrierte die Polizei in ganz NRW 1200 teilnehmende Traktoren. Zwischen den Reifen riecht es nach Mist. Hier stehen die Landwirte und debattieren, frische Wurst vom Bauern in der Hand, in Dortmund gibt es auch Suppe und Kuchen von zwei Höfen in der Stadt. „Es ist nicht so, dass wir komplett gegen alles sind“, hat Christin Plett gesagt, sie tun doch schon so viel! Aber nun schon wieder neue Auflagen, noch weniger Pestizide, aber was ist dann mit den Kartoffeln von Rudolf Krümmer aus Unna, er muss doch handeln gegen Läuse und Kartoffelkäfer, „die fressen alles auf“. Wir wirtschaften ja nachhaltig, sagt einer, die neue Düngeverordnung zum Beispiel, „die wirkt gerade erst, aber jetzt passt es schon wieder nicht“.
Landwirt aus Essen: „Ein Wahnsinn, was man mit uns macht“
Der Essener Landwirt Einhard Im Busch hat 1200 Mastschweine im Stall, auf den Feldern baut er Zuckerrüben, Weizen, Gerste und Mais an, außerdem betreibt er eine Abfallbiogasanlage. Er sagt: „Es ist ein Wahnsinn, was man mit uns macht, deshalb springen die Landwirte und die ländliche Bevölkerung ja aus dem Hemd.“ Viele Bauern und auffallend viele Bäuerinnen haben ihre Erntehelfer mitgebracht, Auszubildende, junge Menschen, die Landwirtschaft erst noch lernen wollen. Aber hat das Zukunft?
Die Politik, findet eine Gruppe Landwirte aus dem östlichen Revier, sei „nicht verlässlich“, man könne nicht mehr planen. „Das Langfristige ist weg.“ Für einen Mähdrescher, rechnet einer vor, oder einen dieser riesigen Traktoren, die sie heute mitgebracht haben, müsse man bis zu 250.000 Euro rechnen, Investitionen seien das auf 20, 30 Jahre, „da können wir mit ständig neuen Entscheidungen schlecht umgehen“. Umbaumaßnahmen, die durch die neuen Pläne nötig würden, rechneten sich nicht mehr, sagt Rudolf Krümmer, dabei ist der erst 35.
„Wir wissen gar nicht mehr, was wir unseren Kindern sagen sollen“
Und sie denken ja auch schon an ihre Kinder, „wir wollen unsere Betriebe doch einmal weitergeben wie unsere Großväter auch“: Der Hof von Krümmer ist Familienbetrieb seit 1748. „Aber wir wissen gar nicht mehr, was wir unseren Kindern sagen sollen.“ Zumal, die Politik entscheide aus politischen Gründen, ohne überprüft zu haben, ob das was bringt. „Das hat nichts mit Sachverstand zu tun. In Deutschland wird die Landwirtschaft weggedrängt.“ Die Bauern fühlen sich „an den Pranger gestellt“, verantwortlich gemacht für alles: Tierwohl, Klima, Verbraucherschutz. Dabei sei es ja so: „Die verbieten uns was, und damit meinen sie, das Klima ist gerettet.“
Trotzdem versuchen die Demonstranten es mit Humor. „Held vom Feld“ steht auf einem Rücken, „Schweine sind cool“ auf einem T-Shirt. Und vorn, wo der Trecker sonst das Heu trägt, hängen nun Sprüche: „Butter, Brot und Bier, ohne uns läuft gar nichts hier.“ Oder: „Auf die Dauer nur mit Bauer.“ Denn es ist ja so: „Der Bedarf an Lebensmitteln bleibt“, sagt Rudolf Krümmer.
„Besser kann’s nicht sein!“
Gerade im Ruhrgebiet können sie die Absurdität eines drohenden Höfesterbens wunderbar zeigen: „Wir machen hier regionale Lebensmittel direkt für die starke Region“, sagt Maik Middelschulte aus Holzwickede. „Besser kann’s nicht sein!“ Soll das Essen etwa demnächst aus dem Ausland kommen, unkontrolliert und über weite, klimaschädliche Wege?
Darüber wollen die Landwirte sprechen, dafür demonstrieren sie seit Wochen. „Wir wollen mitreden, uns einbringen“, so Georg Biedemann aus Kevelaer, Sprecher des Netzwerks „Land schafft Verbindung“, das derzeit den Protest organisiert. Das sagt auch Sven Hagenfeld, Nebenerwerbslandwirt aus Bochum: „Wir wollen, dass die Politik mit uns spricht und nicht über unseren Kopf hinweg Verbote erlässt und Auflagen macht.“ Und sie haben ja Ideen, sie stecken auch in der Kiste, die heute in Berlin ankommen soll. „Wir haben schon das Gefühl, dass man uns hört“, sagt Georg Biedemann. „Aber eben noch nicht so, wie es sein sollte.“
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