Herne. Vor einem ließ die Nachricht aufhorchen, dass die Familien- und Krankenpflege in finanzieller Schieflage ist. Nun hat sich die Lage stabilisiert.

Diese Nachricht ließ vor ziemlich genau einem Jahr aufhorchen: Die Familien- und Krankenpflege (FuK) trudelte seinerzeit in finanzieller Schieflage. Nun steht das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung kurz vor dem positiven Abschluss.

Rückblende: Schon bevor die FuK am 26. November 2018 einen Antrag auf Sanierung in Eigenverantwortung gestellt hatte, waren dunkle Wolken über dem Unternehmen aufgezogen, das mehrere hundert Patienten in Herne pflegerisch betreut und einen Menüservice betreibt. Schon seit Anfang 2018 hatte die FuK nach einem Rücktritt keinen satzungsgemäßen Vorstand mehr.

Notvorstand: Dramatische Entwicklung zeichnete sich schon seit etwa sechs Jahren ab

Grund könnte gewesen sein, dass sich der damalige Geschäftsführer Kontrollmechanismen widersetzt haben soll, wie aus dem Umfeld des Vereins zu hören war. Dieser Geschäftsführer landete später - nach Hausdurchsuchungen - für einige Wochen in Untersuchungshaft.

Dirk Brieskorn, Mitglied des eingesetzten Notvorstands, blickte am Montag im Gespräch mit der WAZ-Redaktion noch weiter zurück. Bereits vor sechs Jahren sei absehbar gewesen, dass bei der Herner Familien- und Krankenpflege etwas aus dem Ruder laufe. Einerseits habe es den Anschein gegeben, dass mit Satzungsänderungen Kontrollmechanismen ausgehöhlt worden seien, um eine Alleinherrschaft zu gewährleisten. Diese Satzungsänderungen seien inzwischen rückgängig gemacht worden. Zur dramatischen finanziellen Entwicklung habe vor allem die Ausgabenseite beigetragen. So hätten Privatentnahmen stattgefunden, wie sie in gemeinnützigen Einrichtungen nicht vorgesehen sind.

Der Standort an der Freisenstraße in Wanne wird ab 1. Januar wieder als Pflegeeinrichtung genutzt.
Der Standort an der Freisenstraße in Wanne wird ab 1. Januar wieder als Pflegeeinrichtung genutzt. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Schaden im sechsstelligen Bereich

Hinzu seien „strategische Probleme“ gekommen. Im Klartext: Zwei große angemietete Flächen - an der Stöckstraße und der Bochumer Straße - standen leer, verursachten aber hohe Mietkosten. Auch ein Standort in Dorsten - der Wohnort des ehemaligen Geschäftsführers - habe dicke rote Zahlen verursacht. Eine Wirtschaftsprüfung habe einen „satten sechsstelligen“ Schaden ermittelt. Bei einem Jahresumsatz von rund drei Millionen Euro.

Alle drei Standorte hat der Notvorstand inzwischen abgestoßen, die Standorte Vödestraße, Jahnstraße, Gneisenaustraße und Freisenstraße bleiben erhalten.

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Alle Mitarbeiter sind an Bord geblieben

„Durch die lange faktische Führungslosigkeit war es eine anspruchsvolle Aufgabe, hier auch wirtschaftlich den Überblick zu gewinnen“, so Rechtsanwalt Philipp Künne, der auf die Sanierung angeschlagener Unternehmen spezialisiert ist. Doch der Notvorstand habe sich voll und ganz auf die Verwaltungsmitarbeiter verlassen können, um Licht ins Dunkel zu bringen. Das erfreuliche Resultat: Die Gläubiger des Vereins haben dem vom Verein vorgelegten Insolvenzplan einstimmig zugestimmt. Das heißt: Mit Beginn des neuen Jahres könnte die Familien- und Krankenpflege wieder uneingeschränkt handlungsfähig sein. Operativ schreibe das Unternehmen wieder schwarze Zahlen, so Philipp Künne.

Mike Imminger ist neuer Geschäftsführer

Inzwischen hat die Herner Familien- und Krankenpflege einen neuen Geschäftsführer: Der 29-jährige Mike Imminger ist bereits seit seiner Ausbildung vor acht Jahren für den Verein tätig und habe in den turbulenten Zeiten Ausdauer und Loyalität zum Verein bewiesen, so Dirk Brieskorn. Zudem habe er großen Zuspruch aus den Reihen der Belegschaft.

Imminger selbst begreift die neue Aufgabe als große Chance, aber auch als Verpflichtung. Es sei etwas Besonderes, wenn ihm als jungen Menschen in einem so traditionsreichen Verein die Leitung anvertraut werde. Da er sich aber der Unterstützung der Kollegen der anderen FuKs aus den umliegenden Ruhrgebietsstädten sicher sei, fühle er sich gerüstet für die Aufgabe.

Ebenso erfreulich für den Notvorstand: Alle 170 Arbeitsplätze hätten gerettet werden können, Abgänge habe es nur durch die natürliche Fluktuation gegeben.