Herne. Das Deutsche Rote Kreuz bildet in Herne jährlich Tausende Ersthelfer aus. Warum sie so wichtig sind, hat die WAZ bei einem Kursbesuch erfahren.

Das Deutsche Roten Kreuz (DRK) Herne und Wanne Eickel bietet regelmäßig Kurse in erster Hilfe an. Die WAZ war an einem Tag dabei.

An diesem Morgen geht es direkt zur Sache: „Was mache ich, wenn einem Unfallopfer die Gedärme heraushängen“, fragt einer der zwanzig Teilnehmer. „Keinesfalls zurück in den Körper stopfen“, antwortet Ersthelfer-Ausbilderin Heike Meinecke. Die Wunde solle möglichst mit einem sterilen Tuch abgedeckt- und der Verletzte in die stabile Seitenlage gebracht werden.

Ersthelfer sind das Fundament jeder Rettung

Viele Teilnehmer sind zu Beginn des Tageskurses um neun Uhr morgens im DRK-Haus am Berliner Platz offensichtlich verunsichert, wie sie sich im Ernstfall verhalten sollten. „Das ist das größte Problem“, erzählt Meinecke: Aus Angst etwas falsch zu machen, leisteten viele Menschen gar keine Erste Hilfe.

Kemal Caprak baut ein Warndreieck auf.
Kemal Caprak baut ein Warndreieck auf. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Deshalb, und weil der Rettungswagen in Nordrhein-Westfalen in der Regel zumindest acht Minuten benötigt, bis er vor Ort ist, überleben von 100 Menschen mit Kreislauf-Stillstand nur etwa sieben Personen.“ Denn ohne Herzdruckmassage und Beatmung sinke die Überlebenschance pro Minute um zehn Prozent. „Eine Minute geht für die Sondierung der Lage, eine weitere für den Notruf drauf. Bis der Rettungswagen nach acht Minuten ankommt, ist es für den Verletzten viel zu spät!“ Ersthelfer seien daher das Fundament einer jeden Rettung: „Ihr seid Helden. Ohne euch bringt der beste Notarzt nichts“, sagt Meinecke den Teilnehmern.

Seitenlage und Wiederbelebung

Seit 1983 bilde sie in Erster Hilfe aus, lange sei sie auch als Rettungsassistentin tätig gewesen, erzählt Meinecke. Sie spicke ihren Unterricht daher mit Geschichten aus ihrem ehemaligen Berufsalltag, denn das erzeuge Bilder im Kopf, wodurch man sich das Erlernte besser merken kann. Betroffen hören die Teilnehmer die Geschichte des Vaters, der mit ansehen musste, wie sein kleiner Sohn im Auto verbrannte: Wegen einer Panne hielt er auf dem Seitenstreifen, als ein Lastwagen seinen Kombi touchierte und dadurch die Türen zu verzogen waren, um sie zu öffnen. Die Lektion, dass bei einer Panne auf der Autobahn alle Insassen das Fahrzeug verlassen- und sich hinter die Leitplanke stellen sollten, haben die Teilnehmer so wohl verinnerlicht.

Erste-Hilfe-Kurse werden monatlich angeboten

Monatlich veranstaltet das DRK etwa zwölf Erste Hilfe-Kurse: Grundkurse und Fortbildungen. Die Kurse finden im DRK-Haus am Berliner Platz statt, ab 12 Personen geben die Kursleiter auch Schulungen in Firmen.

Jährlich bildet das DRK in Herne zwischen 3500 bis 4000 Ersthelfer aus. Etwa dreiviertel der Teilnehmer sind durch ihren Betrieb verpflichtet, alle zwei Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs zu besuchen, dazu kommen Personen, die die Bescheinigung für den Führerschein benötigen und sehr wenige, die sich aus eigenem Antrieb teilnehmen.

Anmelden kann man sich telefonisch und online – man kann aber auch direkt zu einem Kurs kommen und teilnehmen. (Link Anmeldung online: https://www.drk-herne.de/angebote/erste-hilfe-ausbildungen/erste-hilfe-ausbildung.html)

Es folgen verschiedene Übungen: beispielsweise die Erstversorgung einer gestürzten Fahrradfahrerin und eines Motorradfahrers. Dabei sei zu beachten, dass man den Verletzten und auch sich selbst sichere, zählt die 57-Jährige auf. Nächster Schritt: „Einen Rettungswagen ordern und mit der Erstversorgung beginnen.“ Der Helm werde – entgegen der Vermutung vieler – abgenommen, denn nur dann sei eine Überstreckung des Kopfes möglich, um eine freie Atmung sicherzustellen. „Atmet der Verletzte nicht mehr oder läuft er blau an, muss man eine Herzdruckmassage inklusive Beatmung durchführen, in allen anderen Fällen: stabile Seitenlage.“ Nachdem alle die stabile Seitenlage geübt haben, folgen Rüdiger, Marvin und Brad: So heißen die Übungspuppen für die Herzdruck-Massage.

Heike Meinecke (links) leitet den Erste Hilfe Kurs und zeigt den Teilnehmern, wie man einer gestürzten Radfahrerin hilft.
Heike Meinecke (links) leitet den Erste Hilfe Kurs und zeigt den Teilnehmern, wie man einer gestürzten Radfahrerin hilft. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Bei Herz-Lungen-Wiederbelebungen brechen eigentlich immer zwei Rippen“

Viele Menschen hätten vor dieser Erste-Hilfe-Maßnahme am meisten Respekt, denn einen Brustkorb vier bis fünf Zentimeter einzudrücken, erfordere Mut: „Bei Herz-Lungen-Wiederbelebungen brechen eigentlich immer mindestens zwei Rippen“, berichtet die Erste-Hilfe-Beauftragte Gesche Krause. In der Regel sei so ein Bruch aber ungefährlich, relativiert Meinecke. „Selbst wenn mal eine Rippe die Lunge durchstoßen sollte: Mit einem Lungenflügel kann man leben, ohne Herzschlag und Atmung aber nicht!“ Die Teilnehmer üben an den Puppen den richtigen Rhythmus der Massage: „Drückt passend zur Melodie eines Pop-Songs, den ihr mögt“, weist die Kursleiterin an.

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Abgesehen von der moralischen Verpflichtung sei man auch gesetzlich zur Hilfe verpflichtet, appelliert Meinecke an die Teilnehmer. „Man muss dabei auch keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten, falls man Erste-Hilfe-Maßnahmen unwissentlich falsch ausführt.“ Die gesetzliche Unfallversicherung sichere Ersthelfer zudem gegen alle Schäden ab, beispielsweise durch Blut ruinierte Kleidung, Diebstahl oder auch eine zugezogene Verletzung. Man müsse sich immer vor Augen halten, dass man selbst oder auch eine geliebte Person verunfallen könnte. „Man kann nichts falsch machen, außer: gar nicht zu helfen“, so Meinecke abschließend.