Herne. Studierende aus Utrecht befassen sich mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet. In Wanne stießen sie auf ungewöhnliche Projekte.

Am Wanner Bahnhof eingetroffen, die protestantische Kirche besucht und sich im KreativQuartier Hallenbad umgeschaut: Da stand für Matthiys van der Burgh fest, dass Wanne ein Ort ist, „an dem es sich zu leben lohnt“. Der 22-Jährige hatte sich mit einer Gruppe von Studenten aus dem niederländischen Utrecht auf den Weg nach Wanne gemacht, um sich mit dem Strukturwandel im Ruhrgebiet zu befassen. Die angehenden Stadtplaner setzen sich daheim wissenschaftlich mit den Veränderungen im Revier auseinander, doch da man nicht alles per Buch oder im Internet erfährt, waren Lokaltermine angesetzt. Die Kommilitonen wollten sich selbst einen Eindruck von den Quartieren und Stadtvierteln verschaffen.

Starthilfe im Hallenbad

Wanne biete sich an, weil hier einige „interessante Projekte zu sehen sind“, erläuterte Dozentin Kirsten Visser. Zu denen gehört die Kreativwirtschaft, von der sich Jacob Herrie (26) sehr angetan zeigte. Gemeinsam mit der Utrechter Gruppe schaute er sich im Haus des „KreativQuartiers Hallenbad“ um und ließen sich von Organisatorin des Kreativ.Quartiers Wanne, Stefanie Thomczyk, sowie von der Expertin Stefanie Rogg das Projekt erläutern. „Hier wird beispielsweise jungen Firmen ein Ladenlokal geboten, um die eigenen Chancen am Markt zu testen“, meinte Studentin Anna Louise Bradley, die den Erläuterungen aufmerksam zugehört hatte. Direkt im Nebengebäude in der Heinestraße hatten die Studierenden Gelegenheit, sich ein Bild davon zu machen, wie die Räume des „Hallenbads“ eine Starthilfe sein können. Nebenan hat zu Jahresbeginn Pott-Pourri eröffnet. Das Nählädchen, zu dessen Sortiment auch Geschenkartikel und T-Shirt-Druck gehören, betreiben Silke Czawlina-Dobsza (52) und Stefan Schewe (52), die im vergangenen Sommer einen Probelauf unternahmen. „In den Räumen des Hallenbads konnten wir einmal testen, ob unsere Ideen auch funktionieren“, erläuterte Schewe. Der Erfolg ermutigte, den neuen Laden aus der Taufe zu heben.

Konzept der offenen Kirche

Während des Rundgangs informierten sich die Studierenden über die Einkaufszone von Wanne.
Während des Rundgangs informierten sich die Studierenden über die Einkaufszone von Wanne. © Unbekannt | Barbara Zabka


Eine weitere Station bei der Tour durch Wanne war die evangelische Christuskirche. Sie ist schon seit längerer Zeit ein Ort für Kunstausstellungen und weitere Kulturveranstaltungen. Angebote einer solchen offenen Kirche finden sehr viel Zuspruch, erfuhren die Gäste aus Utrecht, zugleich sei es aber auch eine Stätte, an dem der Glaube seinen Platz habe. Jacob Herrie zeigte sich von dem gesamten Konzept sehr angetan und sieht darin ein zukunftsträchtiges Modell. Mit großem Interesse erfuhren die Studierenden, dass das Programm noch erweitert werden solle. Die Akteure möchten noch mehr Möglichkeiten der Begegnung schaffen. Der Kirchraum selbst, aber auch der Vorplatz an der Hauptstraße sollen dazu dienen, Treffen oder auch Feierlichkeiten zu ermöglichen.

Erste Shopping Mall im Ruhrgebiet

Beim Besuch bei Cara Lila Bauer trafen, wie Stefanie Thomczyk erklärt, die Studierenden eine vielseitige Künstlerin, die als Malerin und Designerin von sich reden mache. Das Ladenlokal sei eines der Beispiele, wie ein Atelier im Quartier Bedeutung erlangen könne. Auf eine Zeitreise in die 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts begaben sich die Utrechter Gäste beim Gang durch die Mozartstraße. Sie erfuhren, dass hier die erste Shopping Mall im Ruhrgebiet entstanden sei: zahlreiche Wohn- und Geschäftshäuser mit Jugendstilfassaden. Das prägende Glasdach der Einkaufsmeile habe sich aber schon bald als Problem erwiesen: Taubenruß und Kohlenstaub verdreckten die Konstruktion. Da eine Reinigung zu damaliger Zeit zu teuer gewesen wäre, entschloss man sich zum Abriss.

Mangel an Jugendlichen

Bevor sich die Studierenden nach Bochum aufmachten, eine weitere Stadt auf der Tour de Ruhr, legten sie noch einen Stopp in der Künstlerzeche Unser Fritz ⅔ ein und hatten Gelegenheit, sich die Ausstellung „Himmelfahrt“ von Lutz Brandt anzuschauen.

Man könne sich durchaus vorstellen, hier dauerhaft zu leben, meinten einige Studenten. Bei ihrem Rundgang war ihnen allerdings etwas aufgefallen: „Man trifft zwar auf viele Familien mit Kindern, aber die Zahl der Jugendliche scheint sehr gering zu sein“, meinte Matthiys van der Burgh.