Herne. Im Stalking-Prozess sieht ein Psychologe im Verhalten des Herner Angeklagten eine Schlüsselfunktion für den Suizid einer Wanne-Eickelerin.

Im Stalking-Prozess um den tragischen Freitod einer Wanne-Eickelerin hat ein Psychologe dem Nachstellungs-Verhalten des Angeklagten eine Schlüsselfunktion für den Suizid zugeschrieben. Aufseiten des Gerichts wurden indes deutliche Zweifel an dieser Verknüpfung erkennbar. Stand jetzt soll am Mittwoch das Urteil verkündet worden.

Jens Hoffmann, promovierter Kriminalpsychologe und eine Art „Stalking-Experte“, stufte den Psychoterror des vorbestraften Stalkers in diesem Fall als ausschlaggebend ein. „Insgesamt bin ich überzeugt, dass das aggressive Stalking des Angeklagten den Suizid mindestens mitverursacht hat“, erklärte der Sachverständige am Montag vor dem Bochumer Schwurgericht. Der Angeklagte habe im Laufe der Zeit Belästigungs-Strategien entwickelt, die „darauf ausgerichtet waren, die Frau in das Gefühl der Ausweglosigkeit zu versetzen“.

Der Angeklagte zu Prozessbeginn mit seinem Verteidiger Egbert Schenkel.
Der Angeklagte zu Prozessbeginn mit seinem Verteidiger Egbert Schenkel. © Foto: WVB

Durch das Gefühl, der ständigen Präsenz des Ex-Partners nirgendwo entkommen zu können, hätten sich letztlich bei der 49-Jährigen drei klassische Stalking-Opfer-Symptome verfestigt - Hoffnungslosigkeit, Angst und Schlafstörungen. Am 27. Juni 2018 hatte sich die Wanne-Eickelerin mit einer Überdosis Anti-Depressiva-Tabletten das Leben genommen. In einem Abschiedsbrief hatte sie sinngemäß die ständigen Belästigungen (Auflauern, Erschrecken, Anrufen, Sturmklingeln) des Angeklagten als Grund für den Suizid angegeben und geschrieben: „Der T. (Vorname des Angeklagten) hat mir noch den Rest gegeben.“

Frau hatte 2008 bereits einen Suizidversuch unternommen

Aufseiten der Richterbank wurden jedoch Zweifel deutlich, ob der Suizid der Frau wirklich eine direkte, unmittelbare und alleinige Folge der Nachstellungen durch den Angeklagten gewesen ist. Dagegen spreche einerseits, dass der letzte Kontakt des Angeklagten wohl nachweislich drei ganze Tage vor dem Suizid stattgefunden hat. Andererseits ließen sich nach vorläufiger Bewertung maximal sieben Stalking-Taten feststellen. Und jede einzelne ist in den Augen der Richter wohl „eher an der unteren Grenze“ von Stalking einzustufen.

Um überhaupt zu einer juristisch einwandfreien Verurteilung wegen Nachstellung mit Todesfolge zu kommen, sei ein „Ja“ auf diese Kontrollfrage Voraussetzung: Wäre der Suizid der Frau ohne die Stalking-Handlungen des Angeklagten ausgeblieben? Und in diesem Punkt sei immerhin bemerkenswert, dass die Frau seit Jahren an Depressionen erkrankt gewesen ist, 2008 bereits einen Suizidversuch unternommen hat und außerdem den letzten Kontakt zu dem Angeklagten sogar selbst „provoziert“ hat, um den Angeklagten in einen Verstoß gegen ein Annäherungsverbot zu manövrieren.

Am Mittwoch sollen am Bochumer Landgericht erst die Schlussvorträge gehalten und dann wohl auch das Urteil verkündet werden.