Herne. Nach dem Selbstmord einer Wanne-Eickelerin steht ein Mann vor Gericht: Der vorbestrafte Stalker soll die Frau in den Selbstmord getrieben haben.

Ein Fleischer (50) muss sich seit Montag vor dem Bochumer Schwurgericht verantworten. Die Anklage lautet auf Nachstellung mit Todesfolge. Der dreifache Vater soll seine ehemalige Lebensgefährtin (49) aus Wanne-Eickel nach der Trennung durch ständigen Psychoterror in den Freitod getrieben haben.

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Zum Auftakt sagte der Angeklagte kein Wort. Die Anklageschrift skizziert den gebürtigen Wanne-Eickeler als völlig unbelehrbaren, hartnäckigen und rachsüchtigen Tyrannen. Nachdem sich die Frau im Juli 2017 nach eineinhalb Jahren von ihm getrennt hatte, soll er ihr das Leben zur Hölle gemacht haben. Er soll bis zu zehn Mal täglich mit unterdrückter Telefonnummer bei ihr angerufen und immer wieder an ihrer Wohnungstür an der Edmund-Weber-Straße Sturm geklingelt haben.

Auf den Balkon geklettert

Auch von Sprüngen aus dem Gebüsch, sexistischen Beschimpfungen auf offener Straße und Auflauern am Rande von Hundespaziergängen der Frau ist in der Anklage die Rede. Außerdem soll der Arbeitslose mehrfach auf ihren Balkon geklettert sein und sie erschreckt, attackiert und beleidigt haben. Im Mai 2018 soll der 50-Jährige seine Ex-Partnerin sogar mit dem Rad in einen Beinahe-Verkehrsunfall abgedrängt haben.

Ein bis zehn Jahre Haft

Der Angeklagte sitzt seit dem 22. November 2018 in U-Haft. Festgenommen wurde er von Polizisten, als er zu Fuß von der Haupt- in die Martinistraße abgebogen war. Der Haftgrund lautet „Fluchtgefahr“.

Bei einer Verurteilung nach Anklage drohen dem vorbestraften Stalker ein bis zehn Jahre Haft. Für den Prozess sind vorläufig neun Verhandlungstage bis zum 31. Juli anberaumt.

Zahlreiche dieser mutmaßlichen Nachstellungen sollen sich trotz Annäherungs- und Kontaktverboten ereignet haben. Die seit 2010 an Depressionen erkrankte Frau soll angesichts der Vorfälle unter starken Angstgefühlen gelitten haben. Laut Anklage sah sie am 27. Juni 2018 aus ihrer Situation keinen anderen Ausweg mehr – und nahm sich mit einer Überdosis von Antidepressiva-Tabletten das Leben. In einem Abschiedsbrief soll die Frau ihre Verzweiflung niedergeschrieben haben: „Es tut mir leid, aber ich kann nicht anders. Der T. (Vorname des Angeklagten) hat mir noch den Rest gegeben.“

Angeklagter schweigt

Die Verlesung der Anklageschrift verfolgte der 50-Jährige beinahe reglos. Häufig blickte er sekundenlang mit gesenktem Kopf vor sich auf den Boden. Äußern will er sich nicht. Sein Verteidiger Egbert Schenkel erklärte: „Der Angeklagte wird von seinem Schweigerecht Gebrauch machen.“ Aus den zum Prozessauftakt verlesenen Vorstrafen wurde bekannt, dass der Wanne-Eickeler einschlägig wegen Nachstellung (Stalking) vorbestraft ist.

In vielen Details frappierend deckungsgleich zur jetzigen Anklage hatte der 50-Jährige bereits 2012 seine geschiedene Ehefrau trotz Kontaktverbotes belästigt. Im November 2016 hatte ihn das Amtsgericht Bochum nach einer Racheaktion verurteilt: Der 50-Jährige hatte einer Ex-Freundin unter anderem Hundekot unter die Auto-Türgriffe geschmiert.