Herne. Was Gesundheitsminister Spahn plant, funktioniert in Herne und Bochum schon seit 2011. Auch für Kinder gibt es einen besonderen Notdienst.
Gesundheitsminister Jens Spahn plant eine Reform der Notfallversorgung. Dazu sollen an Kliniken Notfallzentren entstehen sowie Notfallleitstellen. Die Idee ist für Herne nichts Neues – schließlich gibt es seit 2011 eine Notfallpraxis am Ev. Krankenhaus.
So sagt Heinz-Werner Bitter, Geschäftsführer der Ev. Krankenhausgemeinschaft Herne/Castrop-Rauxel: „Wir haben die Vorstellungen von Gesundheitsminister Spahn durch die Einrichtung der Notfallpraxis bereits umgesetzt.“ Im Kammerbezirk Westfalen-Lippe gehöre Herne zu den Städten, die dank der frühzeitigen Initiative beträchtliche Erfahrungen vorweisen könnten. Dies bestätigt Dr. Eckhard Kampe, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. „In Westfalen-Lippe sind wir mit dem System der Notfallpraxen schon seit 2011 am Start.“
Herne und Bochum haben jeweils eine Notfallpraxis
Der Ballungsraum Bochum/Herne sei gut aufgestellt. „Wir haben zwei große allgemeine Notfallpraxen, die am EvK in Herne und die am St. Josef-Hospital in Bochum.“ Für Kinder bis 18 Jahren gebe es ebenfalls in Bochum eine zentrale Notdienstpraxis an der Kinderklinik. Hier werden pro Quartal 5000 Kinder – auch aus den Nachbarstädten – außerhalb der regulären Sprechstundenzeiten versorgt. Seit Ende letzten Jahres gibt es zudem eine zentrale Praxis für Hals-Nasen-Ohren-Beschwerden am St. Elisabeth-Hospital in Bochum.
„Eine große Nachfrage gab es im Bereich Augenheilkunde“, erklärt Dr. Kampe. Dies sei bislang dezentral reguliert gewesen. Seit vier Monaten gebe es eine zentrale Praxis am Knappschaftskrankenhaus in Bochum-Langendreer. „Wir sind also in Herne und Bochum extrem gut aufgestellt. Wir sind die einzigen im Bereich Westfalen-Lippe, die alle vier Disziplinen anbieten.“
Ausweitung der Öffnungszeiten nicht sinnvoll
Eine Ausweitung der Öffnungszeiten an Notfallpraxen halten weder Dr. Kampe noch Dr. Heinz Johann Struckhoff, Sprecher der Herner Ärzte, für sinnvoll. „Wochentags stehen tagsüber die Hausarztpraxen zur Verfügung, bis 22 Uhr die Notfallpraxis und dann das Krankenhaus. Das reicht“, betont Dr. Struckhoff. So viele „echte Notfälle“ gebe es nicht. „Echte Notfälle, die sofortige Versorgung erfordern, schätze ich auf 20 bis 25 Prozent, eher weniger.“ Die meisten Notfälle hätten eine Krankenvorgeschichte – nur habe der Patient sich nicht rechtzeitig in Behandlung begeben. Die Praxis am EvK versorge pro Jahr 16.000 Patienten. Das Problem: „Der Bürger nimmt es oft als bequeme Versorgungsmöglichkeit wahr.“
Trotzdem habe die Einrichtung der Notfallpraxis den Kliniken Entlastung gebracht, das Verhalten der Patienten ändere sich langsam. Heinz-Werner Bitter ist allerdings der Meinung, dass eine Ausweitung der Öffnungszeiten der Notfallpraxis „auch gerne rund um die Uhr“ eine tatsächliche Entlastung für die Notaufnahme des Krankenhauses bedeute. Mit der Einführung einer ärztlichen Leitung für Notfallmedizin hätten sich Abläufe verbessert: „Dr. Mike Thompson hat die Abläufe in der Notaufnahme so strukturiert, dass schnellstmöglich erfasst wird, welcher Patient am dringlichsten welche Hilfe benötigt.“
Hotspots statt Leitstelle
Was die Einrichtung der Leitstellen betrifft, da sind alle drei Experten skeptisch: „Wir meinen, dass es lange dauern wird, bis die Menschen die Differenzierung zwischen den Nummern verinnerlicht haben“, sagt Heinz-Werner Bitter. Eine große Leitstelle einzurichten, sei nicht sinnvoll. Zudem fehlten Erfahrungswerte. Im Lipper Raum habe es ein Modellprojekt gegeben: „Der Vorteil an einer Zusammenführung der 112 und der 116117 ist, dass die Fachkräfte Patienten gut und verlässlich einteilen können“, sagt Dr. Kampe. Ist es wirklich ein Notfall? Reicht der Besuch beim Hausarzt? Aber es sei ein riesiger logistischer Aufwand. „Im Lipper Raum hat sich das bewährt, aber für große Ballungszentren wären Hotspots sinnvoller.“
Insgesamt seien bei dem geplanten Gesetzentwurf noch zu viele Fragen offen. Eine der einfachsten: Soll die Notfallversorgung bundesweit so organisiert werden? Komplizierter werden die Fragen nach der Umsetzung: „Der vorgelegte Gesetzentwurf wirft grundsätzliche Fragen in der rechtlichen Stellung freiberuflicher Ärzte auf“, sagt Dr. Struckhoff. Aus einem halbstaatlichen System (KV) solle ein voll staatlich gesteuertes System werden. Letztlich bleibe die Frage, wie die neuen Stellen in den Notfallpraxen bei bestehendem Ärztemangel besetzt werden sollen. „Ich persönlich bin gespannt“, sagt der Herner Ärztesprecher. „Herrn Spahn werden möglicherweise seine unausgegorenen Gesetzesentwürfe auf die Füße fallen.“