Herne. „Der große Benzinbetrug“: Unter diesem Thema stand ein Abend rund um den Herner Goldin-Skandal. Mit dabei waren auch diese Zeitzeugen.
Das Interesse scheint ungebrochen am „Goldin-Skandal“, der bis heute als größter Steuerbetrugsfall Deutschlands gilt. Vornehmlich ältere Gäste, darunter einige Zeitzeugen, füllten am Donnerstag die Sitzreihen der Volkshochschule in Herne-Mitte, wo die WDR-Dokumentation „Es geschah in NRW - Der große Benzinbetrug“ präsentiert wurde.
Nachdem noch einige Stühle nachgestellt werden mussten, begrüßte der Historiker Ralf Piorr im Namen von VHS, Emschertal-Museum und Stadtarchiv die Zuschauer. Es habe sich wohl herumgesprochen, dass jeder, der heute zu Gast sei, einen Anteil der Goldbach-Millionen bekomme, scherzte der gut aufgelegte Moderator, der schließlich auch Regisseur Christoph Weber auf die Bühne bat. Dessen Vater sei selbst in der Ölindustrie tätig gewesen, was ihm zu einer gewissen Nähe zum Stoff rund um den Goldin-Skandal verhalf, der ihn fasziniert habe und in seiner 45-minütigen Dokumentation behandelt wird.
Vom Kohlehändler zum Ölbaron
Doch was genau geschah anno 1979? Zunächst als Kohlehändler beschäftigt, gründete Erhard Goldbach Mitte der 1970er Jahre die Tankstellen-Kette Goldin – und verdiente sich damit schließlich eine goldene Nase. Als „Robin Hood der Zapfsäulen“ feierte das Ruhrgebiet bald den Wanne-Eickler Unternehmer, der seinen Sprit stets zwei Pfennig unter der Konkurrenz anbot.
„So billig können wir in Wuppertal nicht tanken“, freute sich in der WDR-Dokumentation ein Herr mit Sonnenbrille und heruntergelassenem Fenster, der seinerzeit interviewt wurde, freilich ohne zu ahnen, dass der vermeidliche Saubermann Goldbach nicht ganz nach den Regeln spielte – um es vorsichtig zu sagen.
Benzin aus Tank verschwand
Archivmaterial wie dieses schilderte den 40 Jahre alten Skandal rund um den Aufstieg und Fall des Erhard Goldbach anschaulich und gab Einblicke in dessen Handeln. So ließ Goldbach demnach immer größere Mengen an Benzin aus seinen Tanks verschwinden, um es unversteuert verkaufen zu können. So wurden mal aus 20.000 Litern 15.000, die sich am Ende zu 360 Millionen Mark anhäuften und am Finanzamt vorbeigeschleust wurden.
Zu eben jener Zeit hatte Westfalia Herne mit dem Abstieg in die Drittklassigkeit, leeren Zuschauerrängen und Finanznöten zu kämpfen. Der fußballbegeisterte Ölbaron kaufte daraufhin den Club, investierte und wurde in den folgenden Jahren mit stürmischen Fangesängen im Stadion des zu SC Westfalia Goldin 04 Herne umbenannten Vereins begrüßt.
Job in den Semesterferien bei Goldbach
Kontakt mit Goldbach
Im Jahre 2011 wurde der Film erstmals im WDR gezeigt. Eine Klage des Sohnes führte dazu, dass eine Szene aus dem Film entfernt werden musste.
2004 nahm Ralf Piorr mit Erhard Goldbach Kontakt auf, der ihm „alles erzählen wollte, wie es wirklich war“. Zu einem Treffen kam es nicht mehr: Erhard Goldbach starb wenige Wochen nach dem Telefonat an den Folgen eines Unfalls.
Norbert Schildgen war zu jener Zeit als Student in den Semesterferien bei Goldin angestellt und erzählte in der anschließenden Diskussion von seinen Erlebnissen. So sei eine Anstellung bei Goldbach ein Eldorado mit vielen Vergütungen und guter Arbeitsatmosphäre gewesen, berichtete er.
Auch Karla Ristenberg erinnerte an ihre Zeit als Sekretärin, als der Konzern wenige Monate nach ihrer Einstellung zusammengebrochen sei: „Kurioserweise war ich vorher bei der Staatsanwaltschaft Bochum angestellt und nach dem Skandal im Arbeitsgericht Herne.“ Hier habe sie bis zu ihrer Rente im Jahr 2008 noch immer Akten zu dem Fall auf ihrem Tisch liegen gehabt, erzählte sie – und sorgte so nicht für den ersten und letzten Lacher unter den aufmerksamen Zuhörern.
Bis heute ranken sich Mythen um den Fall Goldbach und seine verschwunden Millionen, die er auf seiner Flucht zur Seite geschafft hatte.