Herne. Die Kinderarmut in Herne ist im Jahr 2017 erneut angestiegen. Laut Landesregierung ruft Herne aber nicht alle Fördermittel ab, die es gebe.
Die Kinderarmut ist in Herne erneut angestiegen. Seit 2007 hat sich die Anzahl der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren, die Mindestsicherungsleistungen beziehen, um fast 1000 erhöht. Das geht aus Zahlen der Landesregierung hervor, die nun veröffentlicht wurden. Schlechte Zahlen, die auch die Stadtverwaltung in Erklärungsnot bringen.
Insgesamt 7793 Kinder waren demnach im Jahr 2017 in Herne arm – eine Quote von 30,9 Prozent. Als „arm“ gilt dabei, wer in einem Haushalt lebt, der staatliche Grundsicherungsleistungen empfängt. Damit ist fast jedes dritte Kind betroffen. „Die Landesregierung muss viel mehr tun im Kampf gegen Kinderarmut“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Serdar Yüksel, der die Anfrage an die Landesregierung stellte.
Stadt Herne hat EU-Fördermittel nicht abgerufen
„Für uns als SPD-Fraktion sind die Maßnahmen von CDU und FDP überhaupt nicht ausreichend, um die immer drastischer werdende Kinderarmut – gerade im Ruhrgebiet – zu bekämpfen“, schreibt der für den Herner Stadtbezirk Eickel sowie einen Teil von Bochum-Mitte zuständige Landtagsabgeordnete in einer Pressemitteilung. „Die Landesregierung hat keine neuen Ideen. Es reicht nicht, mit der Gießkanne kleinere Geldsummen an die Kommunen auszuschütten“, so Yüksel weiter.
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Die Stadt Herne konnte unter anderem als eine von insgesamt 40 Modellkommunen des Programms Kommunale Präventionsketten“ (ehemals „Kein Kind zurücklassen“) Fördermittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) beziehen. Das Land habe zudem für 2018 weitere Mittel bereitgestellt, um konkrete Maßnahmen zum Schließen von Lücken in kommunalen Präventionsketten zu bezuschussen, schreibt die Landesregierung. Aber: „Die Städte Bochum und Herne haben die Möglichkeit einer Antragstellung nicht wahrgenommen“, heißt es da weiter.
Überschuldungsquote gestiegen
Ganz überraschend sind die Zahlen zur Kinderarmut nicht. Denn auch die Überschuldungsquote von Privatpersonen ist in Herne in den vergangenen Jahren weiter gestiegen.
Im Jahr 2018 waren laut Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform 23.791 Menschen in Herne überschuldet, eine Quote von 18,06 Prozentpunkten.
Kommune muss Eigenanteil bei Förderanträgen leisten
Auch im Hinblick auf Fördermöglichkeiten durch den Aufruf „Starke Quartiere – starke Menschen“ seinen Mittel des ESF zum Thema Kinderarmut von der Stadt Herne nicht beantragt worden, so die Landesregierung.
Warum aber lässt sich Herne solche Fördergelder entgehen? Die Stadt betont auf WAZ-Anfrage, dass sie großen Wert darauf lege, Präventionsangebote vorzuhalten und Familien lebensbegleitend Angebote zu unterbreiten. „Gleichwohl müssen wir prüfen, ob jedes Förderprogramm geeignet ist, so dass wir in 2018 aufgrund der Unwägbarkeiten in Hinblick auf die Leistungen des Eigenanteils, die gefordert werden, sowie aufgrund der Kurzfristigkeit und der Antragsmodalitäten entschieden haben, keinen Antrag zu stellen“, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken.
Denn die Fördermittel sind häufig an eine Kofinanzierung der Kommune gebunden. Die Stadt Herne habe dem Land den Wunsch vermittelt, Förderanträge praxistauglicher zu gestalten – damit künftig vielleicht mehr EU-Finanzspritzen nach Herne fließen und die Kinderarmut besser bekämpft werden kann.