Herne. . Pflegeheime sollen bald nicht mehr mit Noten bewertet werden. Das sagen Träger der Herner Seniorenheime über das geplante neue Qualitätssystem.
Keine Schulnoten mehr für Pflegeheime – das hat der Qualitätsausschuss Pflege in Berlin beschlossen. Beim „Pflege-TÜV“ wurden Heime seit 2009 mit Noten bewertet. Schon in den vergangenen Jahren wurde dieses Verfahren vielfach kritisiert. Ab November soll deshalb ein neues Qualitätssystem die Leistungen in den Pflegeheimen prüfen. Besser als das alte? Ja, sagen Träger und Leiter der Seniorenheime in Herne. Aber Kritik hagelt es trotzdem.
Bewertung soll aussagekräftiger werden
Anstatt von Schulnoten soll es nun eine aussagekräftige Reihenfolge der geprüften Heime geben. Es wird ein Durchschnittswert der verschiedenen Kategorien ermittelt. So soll zu sehen sein, ob ein Heim über oder unter diesem Durchschnitt liegt.
Bis Ende 2020 solle jedes Heim nach den neuen Regeln geprüft worden sein.
„Es ist zunächst einmal gut, dass die Leistung in den Heimen differenzierter beurteilt wird“, sagt Tobias Ahrens vom Arbeiter Samariter Bund (ASB). Bisher seien die meisten Heime mit ähnlichen Noten bewertet worden, und man habe keinen richtigen Überblick gehabt. Auch Roland Becker, Leiter des Grete-Fährmann-Seniorenzentrums, hält das alte System für nicht aussagekräftig: „Die Bewertungen wurden nur auf der Dokumentationen der Mitarbeiter gestützt, das war nicht in Ordnung“, meint Becker.
Es wird mehr Zeit für Bürokratie draufgehen
Jetzt soll es mehr Indikatoren für die Beurteilung geben, und die Bewohner sollen im Mittelpunkt stehen. Es wird zum Beispiel der Erhalt von Mobilität und Selbstständigkeit im Alltag geprüft, und es gibt auch vor Ort eine externe Qualitätsprüfung. „Ich erhoffe mir davon, dass die Ergebnisse mehr über die tatsächliche praktische Arbeit aussagen“, sagt Roland Becker. Doch Tobias Ahrens sieht auch einen klaren Nachteil der Reform: mehr Arbeit. „Es wird noch mehr Zeit für Bürokratie draufgehen und das, obwohl die Personalsituation in der Pflege auch so schon schwierig ist“, sagt Ahrens.
Zudem bleibe laut Ahrens und Becker auch zu beachten, dass viele bei der Suche nach einem Pflegeheim nicht erst einmal im Internet Bewertungen vergleichen: „Das sind ja meist akute Situationen. Da kommt es eher darauf an, welches Heim nicht zu weit weg ist und ob vielleicht auch schon Bekannte dort untergebracht waren“, so Tobias Ahrens. Er bleibt demnach skeptisch, ob sich der Mehraufwand durch das neue System wirklich lohnt. „Grundsätzlich finde ich es aber positiv, dass sich an der Situation etwas ändert.“
In Bayern gibt es mehr Pflegepersonal
Auch Bodo de Vries vom Evangelischen Johanneswerk, das zwei Altenheime in Herne betreibt, begrüßt das neue Qualitätssystem grundsätzlich: „Es ist ein riesiger Fortschritt im Vergleich zur bisherigen Vorgehensweise“, so de Vries. Allerdings ist auch er noch unsicher, wie sich die neuen Vorgaben in der Praxis umsetzen lassen: „Wir wissen zum Beispiel noch nicht, wie wir die Daten übermitteln und was für ein Mehraufwand damit auf uns zukommt. Es ist noch eine Art Blackbox für uns“, so der Geschäftsführer.
Er sieht allerdings einen viel größeren Kritikpunkt an Qualitätsprüfungen, egal welcher Art: „Es ist falsch zu glauben, die Qualität hänge nur von den Einrichtungen und dem Personal dort ab.“ Viel mehr spielen laut de Vries strukturelle Vorgaben eine Rolle. „In NRW haben wir zum Beispiel 29 Pfleger für 80 Bewohner, in Bayern sind es 34. Auch das spielt bei der Qualität der Pflege eine Rolle.“