Herne. . Herne hat in diesem Jahr deutlich weniger Flüchtlinge abgeschoben. Die Stadt hat aber immer mehr Probleme, Abschiebungen durchzusetzen.

Die Stadt Herne hat in diesem Jahr deutlich weniger Menschen aus Herne abgeschoben. So sank die Zahl der Abschiebungen gegenüber dem Vorjahr von 103 auf 58, teilt die Stadt auf Anfrage der WAZ mit.

Die Verwaltung hat aber immer mehr Probleme, die Abschiebungen durchzusetzen: Oft seien mehrere Anläufe nötig, außerdem träfen die Beamten bei den Betroffenen verstärkt auf Widerstände.

Deutlich zurückgegangen sind nach Angaben der Stadt die Abschiebungen nach Albanien, Armenien, in die Russische Föderation und Serbien. Nach Syrien hat die Verwaltung im Gegensatz zum Vorjahr niemanden mehr abgeschoben, dafür erstmals sechs Menschen in die Türkei.

Die Zahl der Abschiebungen ging in Herne zurück.
Die Zahl der Abschiebungen ging in Herne zurück. © Miriam Fischer

Auffällig ist die stark zurückgegangene Zahl der freiwilligen Ausreisen. Sie sei vor allem auf die geänderte Zuweisungspraxis für Asylantragsteller aus dem Westbalkan zurückzuführen, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken: „Diese werden nicht mehr kommunal zugewiesen, sondern den vom Land betriebenen Erstaufnahme-Einrichtungen.“

Bundespolizei lehnt Abschiebung ab

Obwohl die Zahl der Abschiebungen deutlich sank, musste die Stadt häufiger eingreifen, sprich: Maßnahmen zur Abschiebung durchführen. In einigen Fällen, so Hüsken, hätten bis zu drei Versuche unternommen worden müssen bis zur erfolgreichen oder eben gescheiterten Abschiebung.

In allen Fällen, in denen Abschiebungen gescheitert seien, sei das auf Widerstände der Flüchtlinge zurückzuführen. Meist hätten sie sich am Flughafen gegenüber der Bundespolizei so verhalten, dass die Beamten die Abschiebung abgelehnt hätten.

Menschenrechtslage verbessern

Pfarrer Martin Domke, Chef des Eine Welt Zentrums und Mitglied des Herner Flüchtlingsrats, kritisiert Vorgehen der Ausländerbehörden in NRW: „Sie werden unter Druck gesetzt, die Abschiebungen zu erhöhen.“ In Einzelfällen, sagt er aber, lasse die Stadt Herne mit sich reden.

Pfarrer Martin Domke
Pfarrer Martin Domke © OH

Trotz gesunkener Abschiebezahlen sieht Domke keine Entspannung. Noch immer würden viel zu viele Menschen abgeschoben, auch in europäische Länder. Die Politik müsse dringend daran arbeiten, die Menschenrechtslage gerade auch in Europa zu verbessern. So müssten die Gründe für Flucht und Migration endlich gesellschaftlich angepackt werden.

Pfarrer: Mehrheit will europäische Normen annehmen

Der Pfarrer plädiert dafür, Voraussetzungen zu schaffen, um Flüchtlinge schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein Land, das händeringend Fachkräfte suche, dürfe sie nicht abschieben. Auch dass etwa der syrische Arzt Taxi fahren müsse, sei nicht hinzunehmen.

Die Mehrheit der Flüchtlinge, so sein Eindruck, sei bereit, in Deutschland die europäischen Normen anzunehmen und für ihr Leben selbst zu sorgen.

OB Frank Dudda: Menschen sind skeptisch

OB Frank Dudda begrüßt den Vorstoß, dass Kommunen nur noch Flüchtlinge zugewiesen bekommen, die in Deutschland bleiben dürfen. „Menschen, die kein Bleiberecht haben, kriegen wir nicht in den Integrationsprozess“, sagte der Oberbürgermeister zur WAZ. Sie lebten in Einrichtungen und erlebten auch dort Hoffnungslosigkeit, die sie eigentlich überwinden wollten. „Das“, so der OB, „führt zu enormen Frustrationen“.

Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda.
Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda. © Rainer Raffalski

Deshalb, bekennt er, sei in den Flüchtlingsunterkünften „auch nicht alles Gold, was glänzt“. Die städtischen Mitarbeiter seien bei ihrer Arbeit großem Druck ausgesetzt.

Die Bürger seien den Menschen gegenüber skeptisch eingestellt. Aber: Die ersten merkten auch, dass der Integrationsprozess funktioniere. „Die Arbeitsagentur spricht da von 30 Prozent der Flüchtlinge, die wir in den Arbeitsprozess integriert haben“, so der OB.

Am Beispiel des Quaz’ in Bochum – dem Verein zur Qualifizierung und Ausbildung von Zugewanderten – sehe man, dass man Integration auch erfolgreich hinbekommen könne. „Wir haben also Ideen und Strukturen, aber es fehlt stellenweise an der Refinanzierung“, kritisiert der Rathauschef.