Herne. . Europa, Asyl und Flüchtlinge: In einem Rollenspiel nähern sich Schüler des Emschertal Berufskollegs den Themen auf lebendige Weise.

Asylkompromiss, Dublin-Verfahren oder EU-Richtlinie: Das sind Worte, die oft in den Schlagzeilen von Nachrichtensendungen oder in Zeitungen zu sehen oder zu lesen sind. Worte, die für die meisten Bürger weit vom eigenen Alltag entfernt sind.

Den Schülern des Emschertal Berufskollegs sind die Begriffe im Rahmen eines Planspiels zu Europas Asyl- und Flüchtlingspolitik jedoch näher gebracht worden als je zuvor. Zwei Klassen der Jahrgangsstufe 11 haben bei Projekttagen an dem Planspiel teilgenommen.

Schüler simulieren Gremien der Europäischen Union

Während des Spiels simulierten die 45 Schüler einen Gesetzesänderungsprozess auf EU-Ebene: Was passiert mit einem Gesetzesentwurf? Welche Akteure sind in dem Verfahren vertreten? Um ein besseres Verständnis für diesen Prozess zu entwickeln, schlüpften die Schüler in verschiedene Rollen: Präsident der EU-Kommission, Vizepräsident des Europäischen Parlaments oder Vorsitzender des Ministerrats.

Lernziel sei dabei, den Schülern nicht nur aktuelle Themen der Flüchtlings- und Asylpolitik beizubringen, so Spielleiterin Sophia Latka-Kiel. „Auch sollen persönliche Fähigkeiten wie Diskussionsfertigkeiten geübt werden oder die Fähigkeit, sich in Rollen einzudenken.“

Im Klassenzimmer sitzen sich die Schüler in ihren Rollen gegenüber: Auf der einen Seite die Vertreter des EU-Parlaments, auf der anderen die des Ministerrats. Die Schülerin, die die EU-Kommissionspräsidentin verkörpert, leitet die Sitzung mit dem ersten Punkt auf der Tagesordnung ein: Ein Leitartikel zur Änderungs des Dublin-Verfahrens. Die Gremien stimmen ohne viele Einwände dem Änderungsentwurf des Ministerrats zu.

Nicht ganz so einig sind sie sich im Punkt Unterstützung in Krisengebieten – ein Zusatzartikel, den die Vertreter des Europäischen Parlaments entworfen haben. Olexander Simonov wirft in seiner Rolle als Interessensvertreter des „Weißen Europa“ ein, man solle Wert darauf legen, keine weiteren Flüchtlinge aufzunehmen. „Weißes Europa“ ist eine Gruppierung, in der rechtspopulistische bis rechtsgerichtete Parteien vertreten sind. Einwände gibt es auch von dem Vertreter Griechenlands, bis sich die Gremien nach einer längeren Diskussion auf eine Änderung in dem Entwurf einigen.

Verschiedene Rollen einnehmen

Rollen wie Presse- oder Interessensvertreter sind bei dem Planspiel ebenfalls dabei, obwohl sie in der Realität zwar nicht direkt an einem Gesetzgebungsprozess beteiligt sind. „Im Spiel gibt es aber diese Rollen, damit die Schüler nachvollziehen können, was für eine Bedeutung solche Akteure auf EU-Ebene haben können“, sagt Latka-Kiel, die zusammen mit ihrer Kollegin Julia Strauß das Projekt der Friedrich-Ebert-Stiftung leitet. Für das Projekt hat das Emschertal Berufskolleg mit der Stiftung zusammen gearbeitet.

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Die Idee dafür kam von Klassenlehrerin Antje Knepper. Neben Erweiterung der persönlichen Fertigkeiten war auch die Wahl des aktuellen Thema ausschlaggebend. „Wir wünschen uns auch, die Schüler ein wenig zu sensibilisieren“, sagt Knepper. An dem Berufskolleg gebe es immerhin einige Flüchtlingsklassen. Bei den Schülern kam das Planspiel weitgehend gut an. „Nach einem Tag hat man deutlich gemerkt, dass sie gelernt haben, ihre Rollen anzunehmen und sich besser hineinversetzen konnten“, fasst Spielleiterin Julia Strauß zusammen.

Olexander Simonov hat die Rolle des Interessenvertreters für das „Weiße Europa“ besonders herausgefordert. „Ich wollte ausprobieren, wie es ist, in eine völlig andere Rolle zu schlüpfen.“ Dadurch habe der 20-Jährige gelernt, Argumente zu entwickeln. Auch Charleen Joswig gefiel das Rollenspiel. Die 16-Jährige spielte eine Vertreterin der Grünen Fraktion und war gleichzeitig die Vizepräsidentin des EU-Parlaments. „Es war interessant zu lernen, dass das, was die Parteien wollen, nicht unbedingt damit zusammenpasst, was man persönlich denkt“, so Joswig.

Und Lars Butz, der einen Manager von BMW spielte, hat sich über das Spiel dem Thema genähert: „Es war dadurch nicht mehr so trocken wie in den Nachrichten und viel verständlicher“, so der 17-Jährige.