Herne. . In Herne fand am Wochenende der erste erotischen Adventsmarkt in NRW statt. Die WAZ-Redakteure Anne und Tobias Bolsmann haben sich umgeschaut.
>>> Von Anne Bolsmann:
Weihnachten ist das Fest der Liebe – aber braucht man dafür einen „erotischen Adventsmarkt“? Erst war ich skeptisch, doch dann siegte die Neugierde: Wer geht da hin? Und was (ver-)kaufen die da so? Und falle ich da eigentlich auf, wenn ich als einzige Frau nicht in Reizwäsche, sondern – bei nieselverregneten elf Grad – im Wintermantel unterwegs bin?
Zumindest diese Sorge ist unbegründet – das sehe ich gleich: Die Besucher hier in Herne sehen aus wie ganz normale Weihnachtsmarktbesucher. Auch den Holzhütten sieht man die Erotik nicht gleich auf den ersten Blick an. Außer, dass hier eben keine Räuchermännchen aus dem Erzgebirge oder handgefilzte Pulswärmer verkauft werden, sondern, nun ja, Sex-Spielzeuge, Massage-Kerzen oder Fruchtgummi-Penisse.
Peitschen aus Rosshaar oder Elchleder
Handwerk wird hier aber auch geboten: Etwa individuell gestaltete Kettenkleidung und Mieder, Fetisch-Schmuck oder mit viel Liebe zum Detail gearbeitete „Pain Tools“ – Peitschen aus exklusiven Materialien wie Rosshaar oder Elchleder. Firmen-Inhaberin Susanne Wilging erklärt mir zudem, was Peitschen aus „Yak-Leder“ so besonders macht – und zeigt mir auch vegane „Schmerzwerkzeuge“ aus ihrem Sortiment.
Kurz vor mir hat eine Gruppe junger Frauen hier die verschiedenen Modelle begutachtet. „Seit dem Erfolg von ‚50 Shades of Grey‘ ist Sado-Maso deutlich vom Schmuddelimage weggekommen. Wir verkaufen allerdings nur ein Drittel unserer Ware über das Internet, das richtige ‚Pain Tool‘ zu finden, ist schon eine sehr haptische Angelegenheit“, sagt Wilging.
Mir fällt auf: Wie auf einem normalen Weihnachtsmarkt nehmen sich die Verkäufer hier Zeit für ausführliche Beratungen – und viele der Händler sind weiblich. Vielleicht trägt das dazu bei, dass dieser Weihnachtsmarkt eher etwas heimelig als schmuddelig anmutet. Menschen in Reizwäsche habe ich übrigens hier nicht gesehen. Vielleicht war es zu kalt – oder noch zu früh am Tag…
>>> Freche Lebkuchen und erotische Muffins - Von Tobias Bolsmann:
Weihnachtsmärkte? Nicht mein Ding. Den Herner sehe ich jeden Tag von meinem Schreibtisch, besucht habe ich ihn noch nicht. Aber den ersten erotischen Adventsmarkt in NRW? Wie bei meiner Ehefrau siegte die Neugier.
Und genau wie sie merke ich schnell, dass man hier keine glühenden Wangen haben und den Blick anonym auf den Boden gerichtet haben muss, die Atmosphäre ist ausgesprochen locker.
1. Dezember, ich habe gar keinen Adventskalender für meine bessere Hälfte - und ja, hier könnte ich zugreifen. Ein Exemplar ist für 100 Euro zu haben, mir fehlt allerdings die Fantasie mir vorzustellen, was in den 24 Päckchen drin sein könnte, um die liebevolle Ehe noch liebevoller zu machen. Beim Fachhandel Suanita bekomme ich eine Ahnung. Die freundliche Dame zeigt mir ein kleines Gerät aus blauem Gummi, das entfernt aussieht wie eine Mischung aus Flaschenöffner und Autoschlüssel. Als ich es in die Hand nehme, denke ich unwillkürlich an den Vibrationsalarm meines Handys...
Bei den zwischenmenschlichen Fantasien spielen ungewöhnliche Kleidungsstücke oft eine Rolle. Dietmar Schüllner, der aus Thüringen angereist ist, hat mit „Ero Chains“ das entsprechende Angebot. Bei ihm steppt nicht der Bär, sondern die Barbiepuppe im Kettenhemd. Alle seine Sachen sind Handarbeit, „ich kenne jeden Ring persönlich“, sagt er mir.
Ich schaue mich um – und entdecke etwas für meinen süßen Zahn. Michelle Kleinschmidt hat sich aufs Backen spezialisiert. Sie bietet auch Tauftorten, in Eickel aber erotisch verzierte Muffins. Was man aus Marzipan nicht alles kneten kann. Und wenn Sie „Pralinen meiner Stadt“ kennen: Mit dieser Technik sind weit mehr Motive möglich als Ruhrpottsilhouetten. Zu schade zum Schnuckern. Die Alternative? Ein Lebkuchenherz. Kennen wir von Crange, aber die Sprüche hier unterscheiden sich deutlich vom niedlichen „Schatzi“.
>>> INFO: Zentrum für sexuelle Gesundheit war auch zu Gast
- Auch das Zentrum für sexuelle Gesundheit und Medizin aus Bochum hatte eine Hütte. Der Veranstalter habe sie angefragt, so Theresa Voß. Das Angebot sei von den Besuchern gut angenommen worden, sie hätten zahlreiche Gespräche geführt.
- Laut Veranstalter Soran Kovac kamen die Besucher aus ganz Deutschland - der Grund könnte das abendlich Showprogramm gewesen sein.