Nach 57 Jahren schließt die Hauptschule. Ein Abschied von geliebten Lehrerkollegen, Schülern und bereits der achten Hauptschule in Herne
Am kommenden Freitag schließt die Hauptschule am Hölkeskampring für immer ihre Türen. WAZ-Redakteurin Kathrin Meinke sprach aus diesem Anlass mit dem kommissarischen Schulleiter und Konrektor Ralf Würzhofer (61) über Erinnerungen, den schlechten Ruf von Hauptschulen und darüber, wie es für Schüler und Lehrer weitergeht.
Nach 57 Jahren ist Schluss. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den Freitag?
Würzhofer: Da ist schon große Wehmut dabei. Man weiß es zwar lange im Voraus, aber nun Sachen wegzuräumen, die man in den letzten Jahren geschaffen hat, das fällt schon sehr schwer.
Was waren das für Dinge, an die Sie sich zurückerinnern?
Ich denke da vor allem an das adventliche Kaffeetrinken, das wir jedes Jahr gemacht haben. Das war eine der größten Veranstaltungen, die wir hier immer geschaffen haben und sicherlich das jährliche Highlight dieser Schule. Und natürlich die Verabschiedung unserer Schüler.
Was hat diese Schule für Sie ausgezeichnet?
Das ist auf jeden Fall die Hilfsbereitschaft im Lehrerkollegium; das gemeinsame Angehen – egal ob von problematischen oder schönen Dingen. Die Arbeit mit den Kollegen muss man besonders hervorheben, die sehr viel für die Schüler und diese Schule getan haben. Das kann man gar nicht hoch genug einschätzen und das ist letztlich auch das, was einem weh tut, was man aufgeben muss. Manche Kollegen wird man wohl nicht wiedersehen.
Wie geht es denn für die Lehrer weiter?
Seitdem vor fünf Jahren feststand, dass die Schule ausläuft, verlassen uns immer wieder Lehrer zu anderen Schulen. Nun sind es noch 16 Lehrer, von denen manche zur Hans-Tilkowski-Schule wechseln, andere gehen zur Realschule Sodingen, Strünkede, an der Burg und zur Gesamtschule Wanne. Alle wurden wunschgemäß versetzt. Das ist auch das Positive.
Und was wird aus den verbliebenen Schülern?
Die Schüler der zehnten Jahrgangsstufe haben wir verabschiedet. Die jetzigen Klassen 9 wechseln zur Hans-Tilkowski-Schule und machen da ihr letztes Schuljahr. Das sind insgesamt 43 Schüler. Die Schüler der zwei rumänischen Klassen gehen auch dorthin oder zu anderen Gesamtschulen.
Ein Wechsel zum letzten Schuljahr könnte schwierig werden. . .
Wir stehen in sehr engem Kontakt zum Schulleiter der Hans-Tilkowski-Schule, Herrn Heistermann. Wir wollen dafür sorgen, dass der Übergang problemlos verläuft. Die jeweiligen Klassenlehrer begleiten die Schüler als Bezugsperson an die neue Schule. Auch das Schulmaterial, also die Bücher, dürfen sie weiter verwenden. So müssen sie sich nicht auf die der neuen Schule einstellen. Schon jetzt haben wir uns mit ihnen die neue Schule angeschaut. So wissen sie, was auf sie zukommt und sie brauchen keine Ängste zu haben.
Wie kann man sich die letzten Tage vorstellen: Müssen die Schüler Kisten packen statt Unterricht?
Das läuft ein bisschen parallel. Natürlich findet noch Unterricht statt, aber die Schüler werden auch in Aufräumarbeiten involviert. Bücher, Tische und Stühle werden zum Teil an andere Schulen verteilt oder eingelagert. Das ist alles unglaublich aufwendig. Allein die Entsorgung der Chemikalien in der Chemie. Aber es ist auch schön zu sehen, dass vieles sinnvoll weiter genutzt werden kann, wenn diese Schule schließt.
„Hauptschulen sind notwendig"
Der Ruf von Hauptschulen ist schlecht. Zurecht?
Zu unrecht. Ich bin ein großer Verfechter von Hauptschulen. Man muss wissen, als ich 1993 in einer Hauptschule begonnen habe, war das nicht gerade mein Wunsch. Ich wollte lieber an einem Gymnasium oder einer Gesamtschule arbeiten. Aber mit dem Einstieg in dieses Hauptschulwesen habe ich die Notwendigkeit gesehen.
Was können Hauptschulen leisten im Gegensatz zu anderen Schulen?
Wir haben eine Schülerklientel, die der Förderung in kleinen Klassen bedarf. Es war immer unser Hauptanliegen, sie bis ins Berufsleben zu begleiten. Und das haben wir hier gut hinbekommen. Da sehe ich ganz große Probleme für die Zukunft. Ich fürchte, in einem Großsystem wie der Gesamtschule mit fünf oder sechs Eingangsklassen werden diese Kinder untergehen.
Wieso ist das Ansehen der Hauptschule so schlecht?
Das ist politischer Wille. Sie haben dieses System frühzeitig aufgegeben – völlig ohne Not. Und speziell in Herne. Von ehemals neun Hauptschulen bleibt nur noch die Hans-Tilkowski-Schule übrig. Welche Perspektiven hat auch sie in den kommenden Jahren? Auch da ist absehbar, dass diese Schule früher oder später geschlossen werden muss. Ich denke, das ist nur eine Frage der Zeit. Was übrig bleibt in unserem Schulsystem, wird nur das Gymnasium und die Gesamtschule sein. Auch für die Realschule sehe ich langfristig keine Zukunft.