Herne.. Judith Wagner und Jörg Wilms brechen am 8. September in Wuppertal zur 100-Kilometer-Tour auf. 24 Stunden ohne Schlaf liegen vor ihnen.

Industriebrachen wie die Kokerei Hansa in Dortmund gehören zu den Zielen der Langstreckenwanderer.
Industriebrachen wie die Kokerei Hansa in Dortmund gehören zu den Zielen der Langstreckenwanderer. © Unbekannt | imago/Jochen Tack

Wer zu einem Spaziergang im landläufigen Sinne aufbricht, wird gewöhnlich für ein oder zwei Stunden unterwegs sein. Wenn sich Judith Wagner und Jörg Wilms auf den Weg machen, dauert die Tour gern auch einen ganzen Nachmittag oder einen kompletten Abend. Doch das erscheint alles noch eine leichte Übung gegenüber der Aktion zu sein, die sich das Paar nun vorgenommen hat. Es will sich am Mammutmarsch NRW beteiligen: 100 Kilometer wandern, Tag und Nacht, ohne Schlaf. Nun gut, Pausen, die soll es schon geben.

Am 8. September ist es soweit, dann fällt nachmittags um 15 Uhr in Wuppertal der Startschuss. „Natürlich ist eine solche Strecke eine echte Herausforderung“, sagt der 48-jährige Familienvater. Doch man unternehme gern mal etwas „Ungewöhnliches“, pflichtet ihm seine Frau bei. So hat sich auch aus den Spaziergängen, die beide Herner schon seit Jahren nach Feierabend unternommen haben, ein Programm für die persönliche körperliche Fitness entwickelt. Wollte das Paar anfangs nur ein bisschen frische Luft schnappen, um vom Arbeitsalltag abzuschalten, hat es inzwischen bei seinen Touren einen strammen Schritt drauf. „Pro Stunde schaffen wir gut fünf Kilometer, mit ein wenig Anstrengung auch durchaus sechs“, erläutert Jörg Wilms, der früher bei der Bundeswehr war und heute als Konstrukteur in einer Metallfirma arbeitet. Schritt zu halten, bereitet seiner Frau überhaupt keine Probleme. „Wir haben von Anfang an darauf geachtet, gemeinsam unsere Leistungen zu steigern.“

60 Kilometer als Trainingsstrecke

Um für den Mammutmarsch gewappnet zu sein, wollen die beiden in den nächsten Monaten noch kräftig trainieren. Starten sie auch jetzt schon abends und am Wochenende durch, werden sie künftig die Zeiten noch weiter ausdehnen. Einen Probelauf, bei dem sie vorher schon einmal die 24-Stunden-Tortur testen, ist allerdings nicht vorgesehen. „Wir lassen es einfach drauf ankommen.“ Geplant ist allerdings, zumindest eine Distanz von 60 Kilometer zurückzulegen. Für eine solche Entfernung gibt es gute Gründe: Erfahrungen vieler Ausdauer-Wanderer zeigen, wie Jörg Wilms erklärt, dass der menschliche Körper bei noch längeren Routen an absolute Grenzen stößt. Darum sei es um so spannender zu sehen, ob es mit den 100 Kilometern funktioniere. „Es gab auch schon Mammutmärsche, die man abbrechen musste, weil die Teilnehmer vorher aufgegeben haben.“

Da die beiden Herner das aber eigentlich verhindern wollen, ist ihre Freizeit in den nächsten Wochen so gut wie ausgebucht. Die Trainingsstrecken sucht das Paar zuvor im Internet heraus und entscheidet sich bevorzugt für Routen, an denen es auf Industriebrachen trifft.

Ruhe und Natur genießen

„Urbanes Wandern“, sagt Jörg Wilms, der Dutzende von Büchern über den Bergbau im Ruhrgebiet gelesen hat. Mit Zechen, Kokereien und Halden kennt er sich aus wie in seiner Westentasche. Abseits der großen Straßen „gibt es wundervolle Wege, auf denen es richtig Spaß macht, unterwegs zu sein“, sagt Judith Wagner. Die Ruhe und die Stille zu genießen, sei oftmals unbeschreiblich. „Und man kann auch viele Tiere beobachten, Füchse, Rehe, Nutrias und Eisvögel, das bereitet große Freude.“ Die Erlebnisse empfinden die Wanderer auch als eine kleine Entschädigung für so manche Strapazen. Denn nach „fünf oder sechs Stunden spürt man seine Knochen schon ganz gut“, sind sie sich einig. Deshalb sei es auch ganz wichtig, passendes Schuhwerk zu haben und auch die richtigen Socken. Wer da die falsche Wahl treffe, der bekomme echte Schwierigkeiten.

Wanderstock Hubert ist immer dabei

Ob ihre Eltern den Mammutmarsch problemlos schaffen, ist auch für die drei Kinder des Paares eine spannende Frage, acht, zwölf und 28 Jahre alt. Die beiden jüngeren sind bei manchen Touren am Wochenende mit dabei. „Allerdings drosseln wir dann unser Tempo“, sagt der Familienvater. Für den 8. September hat das Paar noch Gleichgesinnte gefunden, die sich dort ebenfalls auf den Weg machen wollen. Ein stummer Begleiter ist bei allen Wanderungen im Übrigen immer dabei. „Ohne Hubert gehe ich nicht los“, sagt Jörg Wilms und zeigt auf seinen selbst gefertigten Wanderstock.