Herne. Markus Battenfeld symbolisiert den Kern der Auseinandersetzung im Tarifstreit. Er möchte weniger arbeiten, um seine Mutter zu unterstützen.
Was sich bereits im Vorfeld angedeutet hatte, wird in dieser Woche wohl Realität: Die Tarifauseinandersetzung in der Metall- und Elektroindustrie könnte eskalieren. Nachdem die Verhandlungen nach 16-stündigen Gesprächen abgebrochen worden waren, drohen nun 24-stündige Warnstreiks - auch in Herner Betrieben. Auch für Markus Battenfeld steht fest, dass er streiken wird. Der 51-Jährige, der als technischer Angestellter beim Cranger Betonpumpenhersteller Schwing arbeitet, symbolisiert den Kernkonflikt zwischen der IG Metall und den Arbeitgebern: das Recht, für einen befristeten Zeitraum die Arbeitszeit verkürzen zu dürfen.
Lohnplus spielt nicht die Hauptrolle
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Spricht man mit Battenfeld, dann ist zu spüren, dass ihm dieser Arbeitskampf nicht leicht fällt. „Schwing ist ein guter Arbeitgeber“, betont er gleich zu Beginn des Gesprächs. 1983 hat er beim Unternehmen als Schlosser angefangen, Schwing bot ihm in den folgenden Jahren die Möglichkeit, sich weiter zu qualifizieren. „Ich habe einen ganz guten Weg gemacht“, so Battenfeld. Auch in den Krisenjahren bei Schwing konnte er an Bord bleiben. Dass er im Betrieb seine Ehefrau kennengelernt hat, gibt seiner Beziehung zu Schwing auch noch eine emotionale Facette.
Aber Battenfeld ist eben auch „Metaller“, seine Eltern seien schon Gewerkschafter gewesen. Und deshalb steht er voll und ganz hinter den Forderungen seiner Gewerkschaft.
Die sechs Prozent Lohnplus spielen für ihn sicher eine Rolle - wobei er sich völlig bewusst ist, dass diese Zahl Teil der Tarif-Dramaturgie ist, am Ende wird im Tarifabschluss wohl eine andere Zahl stehen, weiß er.
Mutter benötigt mehr Hilfe im Alltag
Für Battenfeld persönlich steht jedoch die Möglichkeit, seine Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum zu reduzieren, im Zentrum. Das hat seinen Grund: Seine Mutter benötige mit ihren 75 Jahren langsam immer ein wenig mehr Hilfe im Alltag. „Es funktioniert nicht mehr alles wir früher, meine Schwester und ich merken, dass sie sich verändert“, erzählt Battenfeld. Also sind die Geschwister gefordert, damit die Mutter den Alltag bewältigen kann. Die Chancen stehen gut, dass seine Mutter demnächst in ein Seniorenheim ziehen kann, doch dort will Battenfeld sie so oft wie möglich besuchen.
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Diese Möglichkeit zu bekommen, ist nicht selbstverständlich. Schwing hat die Krise hinter sich gelassen, die Produktion in Crange ist zu 100 Prozent ausgelastet. „Wir haben richtig gut zu tun“, bestätigt Battenfeld. An dieser Stelle treffen also Arbeits- und persönliche Belastung direkt aufeinander. Und Battenfeld hat ein weiteres Lob für seinen Arbeitgeber. Der sei flexibel und würde keine Steine in den Weg legen, wenn man kurzfristig im Rahmen der Gleitzeit Zeit für die Familie benötigt und sich mit den Kollegen abspricht. Bei dieser Tarifauseinandersetzung gehe es jedoch um ein längerfristiges Recht auf Reduzierung der Arbeitszeit.
In anderen Unternehmen gebe es diese Flexibilität eben in keiner Weise. Doch weil die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine so große gesellschaftspolitische Bedeutung habe, streike er mit, so Battenfeld. Zur Not auch unbefristet.
>> ARBEITGEBER: KEIN ENTGELTAUSGLEICH
- Hauptstreitpunkt in der Tarifauseinandersetzung ist die Forderung der IG Metall nach einem Anspruch auf eine verkürzte Wochenarbeitszeit von 28 Stunden – mit teilweisem Entgeltausgleich.
- „Den geforderten Entgeltausgleich wird es mit uns nicht geben, das ist nicht verhandelbar. Über alles Weitere können wir sprechen“, betont Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands der Metall- und Elektroindustrie Ruhr/Vest, in dem auch einige Herner Unternehmer Mitglied sind.
- Den Arbeitgebern sei sehr wohl bewusst, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einen immer höheren Stellenwert gerade bei jungen Erwachsenen einnehme. In Zeiten des sich verschärfenden Fachkräftemangels werde eine Arbeitszeitflexibilisierung nur in eine Richtung aber dazu führen, dass die Unternehmen ihre Aufträge nicht mehr abarbeiten könnten.
- Dirk Erlhöfer geht es darum, mit der Gewerkschaft nicht nur über kürzere, sondern auch über längere Arbeitszeiten zu sprechen. „Ausgangspunkt soll weiter die 35-Stunden-Woche sein. Wer mehr arbeiten möchte, zum Beispiel 40 oder mehr Stunden, verdient dementsprechend mehr. So stünde den Unternehmen weiterhin genügend Arbeitszeitvolumen zur Verfügung, um volle Auftragsbücher abarbeiten zu können“, so Erlhöfer.