Herne. . Im Tarifstreit in der Metall- und Elektroindustrie hat die erste Warnstreikwelle auch Herner Unternehmen erreicht. 28 Stunden sorgen für Ärger.

Die beiden Werke des Betonpumpenherstellers Schwing arbeiten seit einiger Zeit in Vollauslastung, doch am heutigen Dienstag könnte die Produktion ein wenig ins Stocken geraten. Der Grund: Die IG Metall hat die Beschäftigten bei der Schwing GmbH und bei der Schwing Hydraulik GmbH zum Warnstreik aufgerufen. Das Motto lautet „eine Stunde eher Feierabend“. Gut möglich, dass dies nur der Auftakt für weitere Arbeitskampfmaßnahmen bei Herner Unternehmen ist, denn in der Metall- und Elektroindustrie bahnt sich eine der härtesten Tarifrunden der vergangenen Jahre in der Branche an. Die Gewerkschaft jedenfalls hat nicht lange gefackelt und nach zwei Gesprächsrunden mit den Arbeitgebern im vergangenen Jahr (als noch die sogenannte Friedenspflicht galt) nun zu Warnstreiks ausgerufen.

Bei der aktuellen Auseinandersetzung sorgt vor allem eine Zahl für den entsprechenden Zündstoff: 28.

Die 1. Bevollmächtigte der IG Metall Bochum-Herne, Eva Kerkemeier, fordert eine zeitweise Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden.
Die 1. Bevollmächtigte der IG Metall Bochum-Herne, Eva Kerkemeier, fordert eine zeitweise Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden. © Jürgen Theobald

Nach dem Willen der IG Metall sollen die Beschäftigten Anspruch auf eine zeitweise Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden erhalten. „Wer in Schicht oder anderen belastenden Tätigkeiten arbeitet, Kinder betreut oder Angehörige pflegt, soll zudem einen Zuschuss bekommen, um sich die kürzeren Arbeitszeiten leisten zu können“, so Eva Kerkemeier, 1. Bevollmächtigte der IG Metall Bochum-Herne. Darüber hinaus fordert die Gewerkschaft sechs Prozent mehr Geld für zwölf Monate.

Flexibilität oder Chaos?

Angesichts der 28 sträuben sich bei den Arbeitgebern die Nackenhaare. „Wer mehr arbeitet, verdient mehr. Wer weniger arbeitet, verdient weniger. Daran werden wir nicht rütteln. Mehr Geld fürs Nichtstun wird es mit uns nicht geben“, sagt Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Metall- und Elektroindustrie Ruhr/Vest, zu dem auch Herner Unternehmen zählen. „Unternehmer fragen mich, wie sie zukünftig ihre Schichten organisieren sollen, wenn einzelne Mitarbeiter nach eigenem Ermessen ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden reduzieren können und dafür sogar noch einen Entgeltausgleich erhalten“, so Erlhöfer weiter. Das verursache nicht nur Chaos bei der Schichtplangestaltung, sondern stifte zudem Unmut in der Belegschaft.

Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie Ruhr/Vest befürchtet Chaos durch die Verkürzung der Arbeitszeit.
Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektroindustrie Ruhr/Vest befürchtet Chaos durch die Verkürzung der Arbeitszeit. © Olaf Ziegler

Erst wenn Unternehmen die für die Belieferung der Kunden notwendige Flexibilität bei der Arbeitszeit erhielten, könne auch über die individuellen Wünsche von Mitarbeitern nach bedarfsgerechter reduzierter Arbeitszeit gesprochen werden, so Erlhöfer.

Diese Sichtweise wiederum bringt Eva Kerkemeier auf die Palme. Sie empfiehlt Erlhöfer, mal mehr in die Betriebe hineinzuschauen. „In den Unternehmen wird das, was an Flexibilität möglich ist, auch gemacht“, betont Kerkemeier. Ob Arbeitszeitkonten, versetzte Schichten oder eine Stunde länger für alle: Flexibilität sei längst an der Tagesordnung.

Da dürften die Kollegen auf der anderen Seite ruhig Flexibilität vom Arbeitgeber erwarten, wenn man sich ums Kind oder um pflegebedürftige Eltern kümmern müsse. Zeigten sich die Unternehmen nicht familienfreundlich, müssten sie sich nicht wundern, wenn sie keine Fachkräfte mehr bekämen.

>> EMPÖRUNG ÜBER ARBEITGEBER-ANGEBOT

Dass die IG Metall bereits jetzt zu Warnstreiks aufrufe, sei auch Ursache des Verhaltens der Arbeitgeber, so Eva Kerkemeier.

Diese hätten beim Entgelt bislang zwei Prozent und eine Einmalzahlung von 200 Euro geboten. Diese trage in keiner Weise der sehr guten wirtschaftlichen Lage der Branche Rechnung, so Kerkemeier. „Dass sie diese Erhöhung nur dann geben wollen, wenn wir ihren Gegenforderungen zustimmen, schlägt dem Fass den Boden aus.“

Dies würde bedeuten, so Kerkemeier, dass die Beschäftigten noch länger und noch flexibler arbeiten müssten und das ohne Zuschläge für Überstunden. Sollte es keine Bewegung geben, könne es schnell weitere Warnstreiks - auch über 24 Stunden - geben.