Bei der AfD herrscht Hochstimmung, die SPD war aufs Schlimmste gefasst. Warum der Abend für CDU-Mann Paul Ziemiak besonders spannend war.
- SPD-Genossen nehmen die Prognose ohne große Reaktionen zur Kenntnis
- Großer Jubel bei der AfD, die auch in Herne deutlich an Stimmen gewinnt
- CDU-Kandidat Paul Ziemiak zeiht nach einer Zitterpartie in den Bundestag ein
Das Ergebnis der Wahl wurde von den Parteien unterschiedlich aufgenommen. Die Spannbreite: Jubel bis Katzenjammer.
SPD
Die SPD ist offenbar aufs Schlimmste, sprich: auf ein Ergebnis im Bund um die 20 Prozent gefasst. Ohne große Reaktionen nehmen rund 120 Genossen bei der Wahlparty in den Flottmann-Hallen die 18 Uhr-Prognose der ARD zur Kenntnis. Bei der Verkündung der AfD-Prognose geht ein Stöhnen durch die Menge – und ein leises „Pfui Deibel“.
Auch die Herner Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering widmet sich in ihrer kurzen Ansprache der AfD: „Im Deutschen Bundestag wird es erstmals eine rechtsradikale Partei geben. Wenn wir Montag aufwachen, wird Deutschland ein anderes Land sein“, sagt sie.
Schwere Zeiten für Merkel prophezeit
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Ein anderes Thema bewegt die Basis noch mehr. Ob Ortsvereinsvorsitzende Gabriele Przybyl, Juso-Chef Pierre Golz oder später auch Alexander Vogt: Eine Oppositionsrolle der SPD im nächsten Bundestag ist für sie alternativlos. „Ich habe schon 2013 gegen die GroKo gestimmt“, sagt Ratsherr Jörg Högemeier. Mit weiteren vier Jahren in der Regierung würde die SPD nur die AfD stärken.
Vor schweren Zeiten stehen aus Sicht von Ex-Vize-Kanzler Franz Müntefering nicht nur die Sozialdemokraten, sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Sie wird an Dominanz in ihrer Partei verlieren. Ich weiß nicht, ob sie das vier Jahre lang durchstehen wird“, sagte der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende.
CDU
Paul Ziemiak, Bundestagskandidat der Union, musste bis zum Schluss zittern. Kommt er ins Parlament oder kommt er nicht? Während sich seine Parteifreunde in der Gastronomie Kostbar am Büfett stärkten, lief der 32-Jährige vor der Tür auf der Behrensstraße und ab, nippte am Bier – und verfolgte die Ergebnisse auf seinem Handy. Auf Platz vier der Reserveliste stand er, mal zog die Liste nur bis Platz drei, dann wieder bis sieben. Er habe „Puls 180“, gab Ziemiak zu.
Paul Ziemiak (CDU) zieht in den Bundestag ein
Am Ende reichte es: Um 21.22 Uhr verkündete CDU-Parteichef Timon Radicke auf der Wahlparty unter dem Jubel der Anhänger: Begrüßen Sie den neuen Herner Bundestagsabgeordneten Paul Ziemiak.“ Ziemiak selbst bekannte: „So ein Wechselbad der Gefühle habe ich in meinem Leben noch nie erlebt.“
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Bejubelt wurde auch die scheidende CDU-Bundestagsabgeordnete Ingrid Fischbach. Und auch das Ergebnis von Müntefering in Herne wurde beklatscht. „Sie unter 45 Prozent zu halten, war eines unserer Ziele“, sagt Radicke.
AfD
Jubel erfüllt die AfD-Geschäftsstelle in Herne-Mitte, als erste Hochrechnungen über den Röhrenfernseher flimmern. AfD-Chef und Direktkandidat Armin Wolf (51) hatte sich dort „zum Ereignis des Jahres“ mit 25 Parteifreunden getroffen.
Die erste Freude gilt einem miserablen SPD-Bundestrend, die zweite dem immer länger werdenden blauen Balken der AfD. „Wir hatten so ein Ergebnis erwartet“, sagt Wolf. Von einem „Beben“ in Berlin spricht eine Parteifreundin.
FDP
Im Wohnzimmer von Direktkandidat Klaus Füßmann knallen früh die Sektkorken zwischen Kamin und Porzellan-Tellern. Ein beleuchtetes Bild des Brandenburger Tores und Familienfotos zieren die Wände. Seine Frau und die beiden Töchter bewirten die Parteifreunde.
„Ich habe schon bei der letzten Wahl hier gesessen“, erinnert sich der 59-Jährige an die krachende Wahlniederlage der Liberalen 2013. „Aber damals schon habe ich gesagt, wir kommen wieder!“ Für den Bundestag reichte es für den Herner – wie erwartet – nicht.
Linke
Die Verluste halten sich in Grenzen, doch Linke-Kandidat Daniel Kleibömer fühlt sich ebenfalls als Verlierer. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagt der 57-Jährige, der den Wahlabend mit rund 20 Parteifreunden in der Wanne-Eickeler Parteizentrale verfolgt. Was ihn besonders wurmt: dass die enttäuschten SPD-Wähler zur AfD und nicht zur Linkspartei abgewandert seien. Ratsfrau und Wahlkampf-Managerin Veronika Buszewki teilt Kleibömers Trauer.
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Sie hätten viele neue Elemente im Wahlkampf eingebracht, was sich aber nicht im Herner Ergebnis widerspiegele. Die Zustimmung für AfD-Mann Wolf sei erschreckend, „weil dieser Mensch gar keinen Wahlkampf gemacht hat.“ Wenn Wolf zu Podiumsdiskusionen gekommen wäre, hätte er wohl weniger Stimmen bekommen, so die Prognose von Buszewski.