Herne. . Fynn Schlemminger aus Herne hat sich als „besondere Lernleistung“ fürs Abitur eine eigene Sprache ausgedacht. So entstand „Garadálava“.

  • Schüler Fynn Schlemminger hat sich mit „Garadálava“ eine eigene Sprache ausgedacht
  • 17-Jähriger hat Spaß an Linguistik und Phonologie, lautet seine Begründung
  • Fynns Sprache umfasste bei Abgabe seiner Arbeit für das Pestalozzi 3500 Vokabeln

„Nicht jeden Tag erfindet jemand eine neue Sprache“, sagt Englischlehrer Chris Thiel über seinen Schüler Fynn Schlemminger. Der 17-Jährige hat als besondere Lernleistung für das Abitur eine eigene Sprache erfunden – inklusive Grammatik und Wörterbuch. Zur Prüfung gehörte nicht nur eine schriftliche Ausarbeitung, sondern auch ein Kolloquium, in dem Fynn seine Sprache, „Garadálava“, einem Gremium des Pestalozzi-Gymnasiums näherbringen musste. Dazu übersetzte er unter anderem einen Teil der Menschenrechte in seine Sprache.

Doch wie kommt ein Schüler darauf, seine eigene Sprache zu entwerfen? Diese Frage wurde ihm oft gestellt - und seine Antwort lautete jedes Mal: „Weil es mir Spaß macht. Ich habe Spaß an Linguistik, und Phonologie finde ich sehr spannend“, erklärt der Abiturient.

Idee zur Entwicklung der Sprache hatte er schon länger

Bereits die Facharbeit habe er im Bereich Linguistik geschrieben. „Die Idee, eine eigene Sprache zu entwickeln, hatte ich schon länger“, verrät Fynn. Irgendwann habe er seinen Englischlehrer darauf angesprochen. „Bei Fynn wusste ich, der schafft das. Er spricht englisch ebenso fließend wie deutsch. Arbeit und Vortrag waren auf Englisch“, sagt Chris Thiel stolz. Fynn zufolge sei es so einfacher gewesen.

Fynn Schlemminger mit seinem Englischlehrer Chris Thiel.
Fynn Schlemminger mit seinem Englischlehrer Chris Thiel. © Ralph Bodemer

Vorlage für seine Sprache ist eine Welt, die Fynn schon seit Jahren mit seinem besten Freund ausheckt. „Wir haben schon alles im Kopf und auch eine Karte für Gardien entworfen, nur die Geschichten fehlen noch“, erklärt Fynn, der als nächstes am liebsten einen Roman schreiben möchte. Die Sprache hat er im Grunde für seine Romanwelt entworfen. „Zunächst habe ich mich gefragt, wie soll sich die Sprache anhören? Da die Sprache nirgendwo gelehrt wird, zählt der erste Höreindruck.“ Der Jahrgangsjüngste entschied sich für einen Sprachklang, der sich an die arabische, russische Sprache anlehnt. Außerdem passte er den Klang der Wörter an ihre Bedeutung an.

Erstes Wort war „Tisch“

Fynns Sprache umfasste bei Abgabe der Arbeit 3500 Vokabeln, darunter viele onomatopoetische, also lautmalerische Wörter. Er verfasste Gedichte und Lieder in seiner Sprache. „Das ist das Schöne, wenn man eine Sprache erfindet. Wenn mir ein Reim fehlte, habe ich einfach ein neues Wort erfunden.“ Legenden zufolge habe Shakespeare dies ähnlich gemacht. Zu einer Sprache gehören aber nicht nur die Wörter, sondern die Grammatik und die Aussprache. „Ich musste meine Grammatik und die phonologischen Regeln immer mal wieder anpassen und überarbeiten, damit am Ende alles Sinn macht.“

Das erste Wort, dass Fynn auf „Garadálava“ erfunden hat, war die Übersetzung für „Tisch“. „Ich habe zuerst überlegt, was ist um mich herum. Dann habe ich Wörterlisten gesucht und versucht, erste Sätze zu schreiben“, beschreibt er den Prozess. Später kamen ganze Themenfelder dazu, wieder angelehnt an seine Romanwelt. Dort gebe es viele verschiedene Türme, so dass er eigene Wörter dafür erfand. „Beim Essen habe ich es dann übertrieben und jedes Gewürz übersetzt“, sagt er lachend. „Aber ich war einmal so drin und es hat einfach Spaß gemacht.“

Schüler hat bereits Ideen für eine Erweiterung

Der Abiturient hat bereits Ideen für Erweiterungen und Dialekte, die natürlich später Platz in seinen Büchern finden sollen. „Aber jetzt mache ich erst mal ein bisschen Pause.“ Fynn ist noch nicht ganz sicher, was er studieren möchte. Fest steht, dass es etwas mit Linguistik oder Sprachgeschichte sein soll. Mit einem 1,0 Abi sollte er sich um Zulassungen jedenfalls keine Sorgen machen müssen.

„Ich traue ihm wirklich alles zu“, sagt Chris Thiel stolz. Denn sein Schüler habe viele Begabungen. Pro Jahrgang gebe es ohnehin nur ein bis zwei Schüler, die sich zu einer besonderen Lernleistung entschließen. Der Mehraufwand sei nicht unerheblich, da die Ausarbeitungen neben den Abiturvorbereitungen und -prüfungen laufen. „Und was Fynn uns hier abgeliefert hat, geht weit über eine besondere Leistung hinaus. Das hat schon Proseminarcharakter.“

Auch Schulleiter ist voll des Lobes

Der Englischlehrer werde seinen Schützling auf jeden Fall im Auge behalten. Auch Pestalozzi-Schulleiter Volker Gößling ist voll des Lobes für Fynn: „Diese besondere Leistung lässt sich mit Schulnoten gar nicht erfassen.“ Fynn hingegen ist ganz bescheiden und wünscht sich aktuell nur eine schöne Bindung für seine Arbeit.

>> WEITERE INFORMATIONEN: Regeln für besondere Lernleistung

Die besondere Lernleistung bietet Schülern die Möglichkeit, freiwillig und über den Unterricht hinaus einen besonderen Begabungs- oder Interessenschwerpunkt zu verfolgen. Sie wird als fünfte Komponente neben dem ersten bis vierten Fach gewertet.

Ob eine besondere Lernleistung erbracht werden darf, entscheidet die Schulleitung zu Beginn des zweiten Jahres der Qualifikationsphase. Sie besteht aus einer schriftlichen Arbeit und dem abschließenden Kolloquium.