Essen. . Ein ganz besonderer Zungenschlag: Wie sich das Revier anhört - und die größten Irrtümer über die Wurzeln der Mundart zwischen Duisburg und Dortmund.

„Dä Ruhri, dä hat immer wat zu schabbeln, kapito?“ Wenn Sie jetzt gerade nur einen Teil verstanden haben, brauchen Sie dringend einen Auffrischungskurs in Ruhrdeutsch. Denn auch wenn sich die Mundart unserer Region wieder wachsender Beliebtheit erfreut, geraten einige Wörter in Vergessenheit. In unserer Online-Videoserie „Weisse Bescheid?“ sind wir typischen und teils vom Aussterben bedrohten Ruhr-Begriffen auf die Spur gekommen. Um das Überleben der Ruhrsprache selbst müssen wir uns allerdings keine Sorgen machen, wie uns Peter Honnen, Sprachexperte des Landesverbandsverbands Rheinland im Interview versicherte.

Wie kann man die Ruhrgebietssprache umreißen? Wie unterscheidet sie sich von anderen Dialekten?

Honnen: Da haben Sie gleich ein Reizwort benutzt, denn das Ruhrgebietsdeutsch ist kein Dialekt. Man könnte es eine Regionalsprache oder einen Regiolekt nennen. Das ist das ganz Besondere an dieser Sprache: Wenn Sie Sprachen definieren, die nicht Hochdeutsch sind in Deutschland, also wenn Sie von Pfälzisch sprechen, Thüringisch oder Hamburgisch, dann ist eigentlich immer Dialekt gemeint. Man könnte sagen, das Ruhrgebiet ist die einzige deutsche Region, in der die Menschen eine eigene Umgangssprache gefunden haben und sie auch so benennen, die nicht Dialekt ist.

Ein paar Wörter, die zur Sprache im Reiver gehören.
Ein paar Wörter, die zur Sprache im Reiver gehören. © Marcello Mazza

Woher kommt das?

Das liegt daran, dass im Ruhrgebiet die Dialekte früher als in anderen Regionen verschwunden sind. Weil das Ruhrgebiet ein Ballungsraum und eine Zuzugsregion gewesen ist, da hat der Dialekt nicht mehr als Kommunikationsmittel funktioniert. Aber die Leute haben dort aus den alten Dialekten eine neue Umgangssprache geschaffen.

Kann man einzelne Wörter bestimmten Teilen des Reviers zuordnen?

RuhrdeutschEiner der Klassiker ist die Grenze zwischen „woll?“ und „ne?“. Im Osten, Richtung Dortmund, sagen die Leute am Ende des Satzes immer „woll?“. Und wenn man weiter in den Westen geht, dann kommt das „ne?“ Die Grenze verläuft zwischen Castrop-Rauxel und Dortmund.

Warum sagen wir „dat“ und „wat“?

Dat is sprachgeschichtlich bedingt. Das war mal eine viel weiter verbreitete Form. Und dann kam vom frühen bis zum Hochmittelalter eine Lautverschiebung, die sich von Süden nach Norden ausgebreitet hat. Und die hat aus diesen ganzen „t“s ein „s“ gemacht. Südlich des Ruhrgebiets ist diese Entwicklung stehengeblieben. Von daher kommt dat auch.

„Polnisch rückwärts“ und Bergarbeiter-Slang 

Früher behaupteten böse Zungen, Ruhrdeutsch sei „Polnisch rückwärts“...

Sprachexperte Peter Honnen gibt Auskunft „anne Bude“.
Sprachexperte Peter Honnen gibt Auskunft „anne Bude“. © Funke Foto Services

Ja, aber diese Meldung ist eine Ente. Polnische Einflüsse gibt es wenige. Allerdings: Die Ruhris haben das „-ek“ am Ende von „Mottek“, also Hammer, zu einem wortbildenden Element gemacht. Das ist schon irre. Ich habe beim Durchzählen alleine etwa zwanzig verschiedene „-ek“-Varianten gefunden: Pinnoreck, Asek, Bischek, Oschek, Schirek. . . Das finden Sie natürlich nur im Ruhrgebiet und das ist ja lustig, dass es da so eine Sprachspielerei gibt mit vermeintlich polnischen Elementen. Das ist ganz, ganz typisch. Gerade habe ich wieder Klappkarrek gelesen.

Und was ist mit den Bergbau-Einflüssen?

Es wird zwar immer noch behauptet, dass vieles davon geprägt sei. Aber wenn Sie sich den Alltag angucken, sind von diesen Bergbau-Ausdrücken nicht viele hängen geblieben. Ich habe so ungefähr 40 Stück in den Ruhr-Wörterbüchern gefunden, aber die kennt kein Mensch, das sind Fachausdrücke geblieben. Was man sonst kennt, ist: „Hängen im Schacht“. Oder der „Pütt“ selber und der „Püttmann“. An den zwei großen Legenden, dass das Ruhrgebietlerische sich aus der Bergarbeitersprache und dem Polnischen zusammensetzt, ist nicht viel dran.

Welche Wörter sind denn vom Aussterben bedroht?

Ruhrdeutsch: Der „Schaluppi“ ist ein Schlitzohr, der „Mottek“ ein Hammer und der „Kletschkopp“ ein Pomadenhengst.
Ruhrdeutsch: Der „Schaluppi“ ist ein Schlitzohr, der „Mottek“ ein Hammer und der „Kletschkopp“ ein Pomadenhengst.

Wonach wir auch schon in der Videoserie „Weisse Bescheid?“ gefragt haben, ist der „Schöttelplack“. Das ist einmal einer der am weitesten verbreiteten Begriffe gewesen. Das ist ein Putzlumpen, der früher aus alten Unterhosen gemacht wurde. Auch das Pittermesser kennen die jüngeren Leute heute alle nicht mehr. Und wie sagen Sie zu einem Brot-Endstück? Knäppken. Auch das geht so langsam zurück.

Haftet dem Ruhrdeutsch noch das Image des Proletenhaften an?

Dass sich mittlerweile auch die Jüngeren, die Studenten und die Intellektuellen trauen, so zu sprechen, ist ein deutliches Anzeichen dafür, dass sie sich über die Sprache mit ihrer Heimatregion identifizieren. Es ist durchaus ein sprachliches Selbstbewusstsein gewachsen.

Sehr erfolgreich ist Ruhrdeutsch ja auch auf Comedy-Bühnen. Was ist daran authentisch?

Bei Jürgen von Manger war kaum irgendwas authentisch, das darf man ruhig sagen. Bei ihm war die Sensation, dass sich jemand getraut hat, diese Zwischenlage überhaupt mal zu sprechen. Seine Sprache ging am alltäglichen Ruhrpottslang vollkommen vorbei.

Und Herbert Knebel?

Auch da bin ich im Zweifel. Es ist im Grunde eine Kunstsprache geworden, die er da spricht. Die auch zumindest mit der Alltagssprache nicht so viel zu tun hat. Ich würde sagen: Bei ihm in der Vorstellung sitzen auch eher Intellektuelle. Der Malocher geht da eher nicht hin, um sich über seine eigene Sprache kaputtzulachen.

  • Die Videos unserer Ruhrdeutsch-Serie „Weisse Bescheid?“, inklusive der Promi-Folge, finden Sie hier.